„Ein Herz und eine Seele in Gott“
26. Juli 2018Ausspannen im Kloster. In Ruhe und Abgeschiedenheit Antworten auf Lebensfragen suchen oder einen spirituellen Impuls empfangen. Wer sich auf einen Klosteraufenthalt einlassen möchte, hat die Auswahl zwischen verschiedensten Ordensgemeinschaften. Da gibt es Gästehäuser der benediktinischen Abteien oder Exerzitienzentren der Jesuiten, ein Haus der Stille der Karmeliten oder Orte aktiven Mitwirkens in franziskanischen Gemeinschaften. Kloster ist nicht gleich Kloster, Ordensweg ist nicht gleich Ordensweg. Es lohnt daher, diese unterschiedlichen spirituellen Wege des Christentums zu erkunden: zum Beispiel im Gästehaus des Klosters der „Schwestern der heiligen Katharina von Siena“ in Koblenz-Arenberg.
„Zu allererst sollt ihr einmütig zusammenwohnen, wie ein Herz und eine Seele auf dem Weg zu Gott“ – bereits Ende des vierten Jahrhunderts nach Christus schrieb Augustinus von Hippo (354-430) ein Prinzip fest, dem zahlreiche Orden bis heute folgen: ein intensiv geführtes Gemeinschaftsleben als Weg der Gottesbegegnung. „Ehrt gegenseitig in euch Gott; denn jeder von euch ist sein Tempel geworden“, formuliert der Kirchenvater in der ältesten Ordensregel der westlichen Kirche. Die Präsenz Gottes im Nächsten fordert Respekt voreinander sowie ein besonderes Miteinander. Sie heiligt die Gemeinschaft in Gott und hebt die Achtung vor dem Einzelnen hervor. Die Augustinusregel verbindet in ihrer besonderen Offenheit Gemeinschaftsleben und Wirken in der Welt.
Wahrheit – Studium – Predigt
Auch der dominikanische Orden lebt seit jeher nach der Augustinusregel. So auch die Arenberger Dominikanerinnen, die mit dem Kloster Arenberg ein großzügiges Gästehaus bei Koblenz betreiben, das gerne auch mal als „Wellness-Kloster“ bezeichnet wird. „Veritas“ – „Wahrheit“ – steht im Wappen dominikanischer Gemeinschaften, und das nicht ohne Grund. Fundiertes Studium, die Suche nach der Wahrheit, treibt sie um. Dieses Studium gilt als Voraussetzung für die Predigt, der Grundaufgabe des dominikanischen Ordens, der sich selbst als Predigerorden bezeichnet. „Contemplari et contemplata aliis tradere“ – nur was im Studium verinnerlicht wurde, kann später in der Predigt nach außen gegeben werden.
Das dominikanische Studium reicht dabei weit über die bloße Wortbedeutung hinaus. Nicht der Rückzug ins Studierzimmer ist damit gemeint, sondern eine innere Haltung, sich der Welt und den Menschen und damit Gottes Schöpfung voll und ganz auszusetzen. Dominikanische Ordensleute begeben sich mitten in die Welt und betrachten das Diesseitige mit seinen vielfältigen Lebensrealitäten. Sie lassen sich ergreifen von der Welt, öffnen sich für das andere, weil sie davon überzeugt sind, dass Gott in dieser Welt zu finden ist und es daher gilt: wer die Schöpfung und den Menschen studiert, ist auch bei Gott. Das Studium bekommt auf diese Weise eine spirituelle Dimension. Es wird zum ganzheitlichen Sich-ergreifen-lassen von der Wahrheit, in dem eine innige Begegnung mit Gott erfahren werden kann.
Erleben – begegnen – heilen
Wie das Studium reicht auch die daraus resultierende dominikanische Predigt weit über die Vorstellung von bloßer Wortverkündigung hinaus. Die Arenberger Dominikanerinnen leben sie in ihrem Gästehaus. Das Motto der Anlage lautet: „erleben – begegnen – heilen“. Leibsorge und Seelsorge stehen im Mittelpunkt des Angebots. Ein Vitalzentrum mit Schwimmbad und finnischer Sauna, Physiotherapie und Wirbelsäulengymnastik, Aquafitness und klassischen Massagen bietet Erholung für den Körper. Ein vierköpfiges Seelsorgeteam – ein Priester, ein Psychologe, eine Paar- und Familientherapeutin und eine Theologin – kümmert sich mit Gesprächs- und Meditationsangeboten um die mentale Verfassung der Gäste.
Im Gästehaus der Arenberger Dominikanerinnen werden die verschiedenen Facetten des Menschseins angesprochen. Hier bietet sich Raum, um inneren Regungen nachzugehen, um wieder bei sich anzukommen. Von einem Wellness-Kloster, vom puren Wohlfühlen um des Wohlfühlens willen, wollen die Ordensfrauen daher nicht sprechen. Vielmehr sollen die Gäste die Möglichkeit bekommen, sich wieder ganz und gar selbst zu spüren und sich im eigenen Leib wahrzunehmen. Denn der Mensch stehe vollständig vor Gott, sind die Ordensfrauen überzeugt, mit Leib und Seele. Alles ist Gottes Werk. So sollen sich neue Zugänge eröffnen, über die die Gäste in die Tiefe ihres Lebens vordringen können. Insbesondere Menschen in extremen Lebenssituationen brauchen mehr als einen geistlichen Impuls, davon sind die Ordensfrauen hier überzeugt: sie müssen Berührung erfahren, in der Seele wie auch am Leib, das ist ihre dominikanische Predigt.
Alfred Herrmann, 1972 in Würzburg geboren, arbeitet als freier Autor in Berlin. Vor kurzem erschien im Bonifatius-Verlag sein Buch „Sich Gott nähern – Frauenorden in Deutschland“.