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Ein Film auf Leinwand gemalt

Leona Frommelt23. September 2004

Der Film "Das Mädchen mit dem Perlenohrring" ist eine Hommage an die Kunst. Er rekonstruiert Vermeers Originalgemälde bis ins kleinste Detail. Jungstar Scarlett Johansson scheint mit dem Mädchen zu verschmelzen.

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Die Magd und der MalerBild: Concorde Filmverleih
Filmplakat Das Mädchen mit dem Perlenohrring
Ein Perlenohrring, der die Blicke magisch anzieht

Spannend ist es, nach den biografischen Wurzeln von Kunstwerken zu suchen. Ein ebenso spannendes Spiel kann es sein, sich eine fiktive Geschichte hinter einem Kunstwerk auszudenken. Besonders dann, wenn über den Künstler und über die Entstehung des Gemäldes wenig bekannt ist. Die Autorin Tracy Chevalier hat dieses Spiel gespielt. Sie schrieb 1999 einen Bestseller über das weltberühmte Bild "Das Mädchen mit dem Perlenohrring" von Jan Vermeer, dem "Meister des Lichts." Regisseur Peter Webber hat nun das Buch verfilmt, und sich dabei eng an die Literaturvorlage gehalten.

Das Bild und seine Geschichte

Szenenbild Das Mädchen mit dem Perlenohrring
Griet teilt mit ihrem Meister die Begeisterung für die MalereiBild: Concorde Filmverleih

Delft, um 1665: Nach der Erblindung ihres Vaters muss die 17-jährige Griet (Scarlett Johansson, bekannt aus "Lost in Translation") für das Familieneinkommen sorgen. Bei dem berühmten Maler Jan Vermeer (Colin Firth) heuert sie als Dienstmagd an. Dort herrschen buchstäblich düstere Verhältnisse: Das Haus ist dunkel und ungemütlich, die Hausherrin ein zänkisches Wesen und der Maler selbst ein mürrischer Perfektionist. Seine elf Kinder verbreiten ständige Unruhe, der der hochsensible Vermeer in sein Atelier entflieht. Griet ist fasziniert vom Meister und seiner Kunst. Und bald fühlt sich auch Vermeer zu Griet hingezogen, ist sie doch die Einzige in seinem Umfeld, die seine Kunst zu verstehen scheint.

Die schweigsame Griet wird Vermeers Gefährtin, die sein Atelier aufräumt und ihm liebevoll die Farben mischt. Sie ziehen sich zurück in ihre Welt, Meister und Muse. Das Band zwischen den beiden, geprägt von subtiler Erotik und unausgesprochener Leidenschaft, stört nicht nur Vermeers Ehefrau Catharina, sondern auch seinen Patron Van Ruijven, der selbst Gefallen findet an der schönen Magd. Als Van Ruijven den Auftrag erteilt, ein Porträt von Griet anzufertigen, bekommt "Das Mädchen mit dem Perlenohrring" sein bezauberndes Gesicht. Die Spannung zwischen Maler und Modell erreicht ein gefährliches Stadium. Gerüchte beginnen zu brodeln - die angespannte Situation droht zu eskalieren.

Animiertes Gemälde

Szenenbild Das Mädchen mit dem Perlenohrring
Szenenbild "Das Mädchen mit dem Perlenohrring"Bild: Concorde Filmverleih

Peter Webber geht es in seinem Erstlingswerk weniger um die Inszenierung einer Story als um die visuelle Umsetzung eines Schöpfungsprozesses. Mit dem hervorragenden Kameramann Eduardo Serra an seiner Seite schuf er einen Film, dessen größte Faszination von der Behandlung des Lichts ausgeht. Der Film wurde fast ausschließlich im Studio, also mit künstlichem Licht gedreht. Dennoch hat der Zuschauer jederzeit den Eindruck, es müsse sich um natürliches Tageslicht handeln. "Licht", sagt Serra, "war ein Teil der Geschichte, wie in einem Vermeer-Gemälde. Es geht um das diffuse Licht, das durch ein Fenster fällt." In einer Szene bemerkt Griet: "Wenn ich das Fenster putze, könnte es das Licht verändern."

Der Film wirkt wie ein animiertes Vermeer-Gemälde: Die Farben, die Kostüme, die Kulissen und die Personen sehen aus wie Versatzstücke aus der Welt des Malers, so wie sie aus seinen noch nicht einmal 40 Bildern überliefert sind. Die Figuren werden - oft allein - bei alltäglichen Beschäftigungen gezeigt, wie sie Vermeer häufig malte. Blasses Vermeer-Gelb und dunkles Vermeer-Blau tauchen an vielen Stellen auf. Die intensiven Farben des Malers werden von Serra in Kontrast zum dem grauen Delft des 17. Jahrhunderts gesetzt, so dass die Farbigkeit der Gemälde noch beeindruckender erscheint.

Weniger ist mehr

Buchcover: Das Mädchen dem Perlenohrring
Szenenbild "Das Mädchen mit dem Perlenohrring"

In Scarlett Johansson fand der Regisseur sicherlich die perfekte Griet, der es gelingt, fast ausschließlich über Mimik eine Leidens- und Liebesgeschichte voll innerer Zerrissenheit zu erzählen. Johansson ähnelt nicht nur im Gesichtsausdruck dem Modell in Vermeers Gemälde, sondern sie bewegt sich auch mit einer absolut glaubhaften Natürlichkeit und Zurückhaltung, wie man sie von einem armen, ungebildeten aber intelligenten Mädchen jener Epoche erwarten muss. Nur mit einer guten Schauspielerin konnte Webbers Vorhaben gelingen, hinter wenigen Andeutungen und mit einem Mindestmaß an Dialogen eine erotische Atmosphäre zu schaffen. Immerhin ist in "Das Mädchen mit dem Perlenohrring" das Abnehmen einer Haarhaube aufregender als es jede freizügige Bettszene sein könnte.

"Das Mädchen mit dem Perlenohrring", Drama, GB/Luxemburg 2003, 101 Minuten, FSK: 6, Regie: Peter Webber, Darsteller: Scarlett Johansson, Colin Firth, Cillian Murphy, Tom Wilkinson, Essie Davis, Judy Parfitt u.a. - Kinostart in Deutschland: 23. September 2004

Nominiert für den Oscar in den Kategorien "Beste Kamera", "Beste Ausstattung" und "Bestes Kostümdesign."