Reaktionen zu Böhmermanns Satire
11. April 2016"Erdogan, zeig' mich bitte auch mal an", singt Comedian Dieter Hallervorden. Eine Reaktion auf die Forderungen der Türkei, gegen den ZDF Moderator Jan Böhmermann strafrechtlich vorzugehen. Der hatte in seiner Satiresendung im ZDF ein "Schmähgedicht" auf den türkischen Präsidenten Erdogan zum Besten gegeben. Mit seinem satirischen Vortrag wollte Böhmermann die Unterdrückung der Meinungsfreiheit und den Umgang mit Satire in der Türkei anprangern.
"Jeder Witz, den du verbietest, macht dich selbst zum Witz", singt Dieter Hallervorden zu deutscher volkstümlicher Musik mit türkischen Anklängen. Eine musikalische Anspielung auch darauf, dass sich Bundeskanzlerin Angela Merkel hinter Erdogan stelle und ihn unterstütze.
Geniale Satire oder Verunglimpfung?
Die Beziehung Deutschlands zur Türkei im Zusammenhang mit der Böhmermann-Satire hat am Sonntagabend auch die Talkshow "Anne Will" im Ersten Deutschen Fernsehen beschäftigt. Der Titel der Sendung: "Streit um Erdogan-Kritik – Kuscht die Bundesregierung vor der Türkei?" Die Sendung wurde auf Twitter und Facebook rege kommentiert. So fragte ein Zuschauer auf Facebook, warum sich Jan Böhmermann nicht einfach entschuldige? "Dann könnte man sich auch so eine alberne Sendung sparen. (…) Stattdessen fängt man hier eine Grundsatzdiskussion über Meinungsfreiheit an."
Der bekannte türkischstämmige Satiriker und Kabarettist Serdar Somuncu war Gast der Sendung und stellte sich ganz klar auf die Seite Jan Böhmermanns. Der Ausschnitt aus der ZDF-Sendung "Neo Royale" sei auf jeden Fall eine Satire, da es sich um ein satirisches Fernsehformat handle mit bekanntermaßen satirischen Inhalten.
Der Medienprofessor Bernhard Pörksen, ebenfalls Gast bei Anne Will, hält das Stück von Böhmermann für einen genialen Schachzug: "Jan Böhmermann hat einen Zwitter produziert. Darin besteht ein Stück satirischer Genialität."
Lässt sich Merkel von Erdogan erpressen?
Auch wenn er das Gedicht selbst nicht gut finde, betonte Serdar Somunco: "Das ist das Recht des Künstlers, mit welchen Mitteln er Satire betreibt. Das ist unser Grundrecht in Deutschland, das wir zu schützen haben, vor allen Dingen die Kanzlerin." Er kritisierte, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel das Recht auf freie Meinungsäußerung gegenüber Erdogan nicht verteidigt habe. Deutschland sei wegen des Flüchtlingsabkommens mit der Türkei erpressbar geworden und wolle dieses nicht gefährden. Talkgast und CDU-Politiker Elmar Brok verteidigte das Verhalten der Kanzlerin und wurde dafür von einigen Twitter -Nutzern kritisiert.
Auch ein Facebook-Nutzer kommentierte: "Ist doch toll! Die türkische Regierung schreibt uns vor, wie wir in Deutschland Satire betreiben. Jetzt wird es langsam peinlich. Haben wir eigentlich noch Rückgrat?"
Noch steht Jan Böhmermann nicht vor Gericht
Nicht nur Serdar Somuncu nannte es voreilig, dass das ZDF das Stück aus der Mediathek genommen habe. Er hatte schon mehrfach betont, die deutschen Medien seien zu ängstlich und hätten schnell eine Schere im Kopf. In der Talkshow selbst wurde das Gedicht, um das es ging, nicht zitiert, was Anwalt Thomas Stadtler via Twitter kritisiert.
In den TV-Nachrichten der Deutschen Welle äußerte sich die Kultur- und Literaturwissenschaftlerin Susanne Scharnowski der Freien Universität Berlin zum Fall Jan Böhmermann, der ja gerichtlich noch gar kein Fall sei, da Böhmermann noch nicht vor Gericht stehe. Angela Merkel habe den Moderator durch ihre Entschuldigung bei Erdogan quasi vorverurteilt. Das sei als Bundeskanzlerin nicht ihre Aufgabe gewesen. "Die Meinungsfreiheit kann nicht hoch genug gehalten werden, gerade wenn Journalisten ins Gefängnis kommen, nur weil sie das Staatsoberhaupt kränken. Man darf diese Freiheit nicht für selbstverständlich halten, deshalb bin ich dankbar für jede Meinung, die zeigt, wie wichtig dieses Recht ist."
"Ich habe laut gelacht"
Viele Reaktionen gehen dahin, dass Böhmermann ganz klar eine Satire geschrieben habe, die unter dem Schutz der Meinungsfreiheit und der Kunstfreiheit stehe. Das Schmähgedicht an sich sei aber doch zu weit unter die Gürtellinie gegangen. Mathias Döpfner, Vorstandsvorsitzender der Axel Springer AG, stellte sich in der Zeitung "Welt am Sonntag" in einem offenen Brief ebenfalls auf die Seite Böhmermanns und brach auch eine Lanze für den Text selbst: "Vorneweg möchte ich sagen: Ich finde Ihr Gedicht gelungen. Ich habe laut gelacht." Schließlich sei es gerade Sinn der Sache gewesen, ein Gedicht voller beleidigender Stereotype zu schreiben, um "durch Maximalprovokation die Leute zu verstören, um sie darüber nachdenken zu lassen, wie eine Gesellschaft mit Satire und – noch viel wichtiger – mit der Satire-Intoleranz von Nichtdemokraten umgeht."