Sächsisches Eigengewächs
28. Mai 2008Ein Sachse ist der nächste Ministerpräsident in Sachsen. Das klingt wie eine Selbstverständlichkeit, ist es in dem ostdeutschen Bundesland aber nicht. Denn nachdem der bisherige Finanzminister Stanislaw Tillich am Mittwoch (28.05.2008) zum neuen Regierungschef des Freistaats gewählt wurde, ist er auf diesem Posten das erste Eigengewächs seit der Wiedervereinigung.
"König Kurt Biedenkopf" krönte auf dem Chefsessel in Dresden erfolgreich seine langjährige westdeutsche CDU-Politikerkarriere. Und der glücklose Georg Milbradt hat seine Wurzeln im Sauerland. Dass der 49-jährige Tillich, verheiratet, zwei Kinder, auch noch der Minderheit der Sorben angehört, rundet das Bild des mit seiner Heimat verwachsenen Christdemokraten ab.
Nach spätem Start stetig nach oben
Vergleicht man die politische Biographie von Tillich mit derjenigen der meisten aktiven deutschen Berufspolitiker, fällt auf, dass er relativ spät startete. 1987, also mit 28 Jahren, trat der Katholik der DDR-CDU bei. Dann aber ging es stetig nach oben. Er gehörte der letzten – und damit frei gewählten – Volkskammer der DDR an. 1991 wechselte Tillich ins Europaparlament.
Acht Jahre später begann seine Karriere in Sachsen. Unter dem damaligen Ministerpräsidenten Biedenkopf wurde er Minister für Bundes- und Europa-Angelegenheiten. 2002 stieg er unter Milbradt zum Chef der Staatskanzlei auf. Wiederum zwei Jahre später wurde Tillich Umweltminister. Im Herbst 2007 dann – die Krise der Landesbank SachsenLB hatte das erste Ministeropfer gefordert – gelangte Tillich an die Spitze des Dresdner Finanzressorts.
Kein Ränkespieler oder Lagerkämpfer
Beobachter des sächsischen Politikbetriebes konstatieren übereinstimmend, dass Tillich auf all diesen Posten eine durchweg gute Figur machte – kompetent, fleißig, im positiven Sinne unauffällig. Noch wichtiger aber: Der diplomierte Ingenieur für Konstruktion und Getriebetechnik hielt sich aus allen Ränkespielen und Lagerkämpfen in der CDU heraus. Er überstand den Machtkampf zwischen Biedenkopf und Milbradt ebenso unbeschadet wie das innerparteiliche Schlachtgetümmel seit der Landtagswahl 2004, als die Christdemokraten 16 Prozent einbüßten und in eine große Koalition mit der SPD gezwungen wurden.
So verwundert es nicht, dass Tillich - obwohl ein Vertrauter des nicht sonderlich beliebten Milbradt - für Sachsens Christdemokraten fast zum geborenen Nachfolger wurde. Die langjährigen Favoriten für den Ministerpräsidenten-Posten - Kultusminister Steffen Flath und der Chef des Bundeskanzleramts, Thomas de Maizière - spielten keine Rolle mehr.
Führung und Krisenmanagement sind gefragt
Was wird Tillich in seinem neuen Amt erwarten? Mit Sicherheit der Wunsch nach stärkeren politischen Konturen. Er sei ein hervorragender Fachmann, aber ein miserabler Politiker, hatte Biedenkopf über seinen ungeliebten Nachfolger Milbradt einmal bemerkt. Tatsächlich reichen Fleiß und Fachwissen auf dem Chefsessel in Dresden nicht aus. Hinzu kommen muss politische Führung und souveränes Krisenmanagement – eben das, was Milbradt spätestens seit der Beinahe-Pleite der sächsischen Landesbank und ihres Notverkaufs vermissen ließ.
Dies gilt vor allem mit Blick auf die Landtagswahlen im kommenden Jahr. Es gibt nicht wenige im Freistaat, die als Spätfolge der Affäre um die SachsenLB ein weiteres Abbröckeln der politische Mitte - CDU und SPD - bei gleichzeitigem Zuwachs für Linkspartei und rechtsextreme NPD befürchten. Sollte Tillich hier als Ministerpräsident und wohl auch als künftiger CDU-Landesvorsitzender gegensteuern können, hätte er den politischen Meisterbrief schon in der Tasche. (sti)