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Politik

Ein DNA-Test für die Menschenwürde

Tessa Clara Walther
23. August 2019

Wangu Kanja und Lisa Smith haben DNA-Tests entwickelt, die es nach einer Vergewaltigung erlauben, den Täter leichter zu identifizieren. Dabei spielten auch persönliche Erfahrungen eine wichtige Rolle.

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Test zur DNA-Erkennung von Tätern
Bild: DW/T. Walther

Es ist 22 Uhr, als Wangu Kanja vergewaltigt wird. Sie fährt im Auto mit Freunden durch Nairobi, als vier bewaffnete Männer plötzlich auf sie zukommen, die Autotür öffnen, sie bedrohen und einsteigen. Sie fahren durch die Stadt, bis sie zu einem Geldautomaten kommen. Dort steigen zwei der Männer aus, heben mit den geklauten Kreditkarten Geld ab. Die Kriminellen lassen Wangu Kanjas Freunde laufen, sie bleibt allein zurück. Einer der Männer vergeht sich an ihr.

"Alles wurde plötzlich dunkel", beschreibt Wangu Kanja heute die Situation von 2002. Damals war sie 27 Jahre alt. Lange litt sie unter den Folgen, begann zu trinken, wurde depressiv. Sie wusste nicht, wie sie mit ihrem Trauma umgehen sollte, bis sie drei Jahre nach der Vergewaltigung einen Entschluss fasste: "Ich wollte anderen helfen, die das gleiche erlebt hatten." Wangu gründete eine Nichtregierungsorganisation (NGO) für Opfer sexueller Gewalt in Kenia.

Viele unentdeckte Fälle von sexueller Gewalt

In vielen Konflikten der vergangenen Jahre wurden Vergewaltigungen zur Kriegswaffe. Auf dem Balkan, im Ost-Kongo, auch im Irak, wo es viele Jesidinnen traf. In vielen afrikanischen Ländern ist alltägliche sexuelle Gewalt auch neben den Krisenregionen erschreckend verbreitet. USAID, die US-amerikanische Behörde für Entwicklungszusammenarbeit, schätzt, dass 14 Prozent der Frauen in Kenia mindestens einmal in ihrem Leben sexuelle Gewalt erleben. Im Nachbarland Tansania soll laut Weltbank in den letzten zwölf Monaten sogar fast jede dritte Frau zwischen 15 und 49 Jahren sexuelle oder andere körperliche Gewalt erlitten haben. Allerdings werden viele Fälle von verängstigten Frauen gar nicht gemeldet - oder die Täter können wegen fehlender Indizien nicht überführt werden.

Test zur DNA-Erkennung von Tätern Wangu Kanja und Lisa Smith
Wangu Kanja (links) und Lisa Smith wollen den DNA-Test verbreitenBild: DW/T. Walther

Das will Wangu Kanja ändern. Heute steht sie in einem Zelt vor der Inselhalle von Lindau. Während der zehnten Weltversammlung von "Religions for Peace" berichtet sie einigen der Delegierten aus 125 Ländern von ihrer Arbeit. Die Aktivistin ist dort nicht allein. Neben ihr steht die Kriminologin Lisa Smith von der Universität Leicester. Gemeinsam haben sie eine Methode entwickelt, Vergewaltiger durch DNA-Tests leichter zu überführen. Anstatt wie üblich von Ärzten, können die DNA-Proben von den Opfern selbst entnommen werden und sollen somit leichter zugänglich sein.

Die Gebiete abdecken, in denen Krankenhäuser fehlen

Lisa Smith öffnet eine Schachtel mit medizinischen Instrumenten und erklärt, wie die verschiedenen Testverfahren funktionieren: "Falls die Frauen oral vergewaltigt wurden, können sie mit diesem Wattestäbchen eine Probe aus ihrem Mund entnehmen, und das noch bis zu drei Tagen nach der Tat." Das Set enthält außerdem ein Plastikröhrchen, mit dem die Frauen DNA-Spuren aus der Vagina entnehmen können. Ab Ende des Jahres sollen Helfer vor Ort das Set in verschiedenen Regionen Kenias verteilen, um genau die ländlichen Gebiete abzudecken, in denen Krankenhäuser fehlen. Nach Angaben von Smith ist die Methode auch deutlich preiswerter als die gängigen bisherigen Angebote.

Test zur DNA-Erkennung von Tätern
Mit einem Wattestäbchen können DNA-Proben leicht aus der Mundschleimhaut entnommen werdenBild: DW/T. Walther

Einige Konferenzbesucher sind skeptisch: "Was hat das denn mit Religion zu tun?", fragt eine. Gerade Religionsvertreter, erklärt Wangu Kanja, wolle sie für ihr Anliegen gewinnen. Denn diese erreichten die Menschen an der Basis und sollten mit ihrer Autorität für die Opfer von sexueller Gewalt sensibilisieren. "Außerdem ist die Kirche oft der Ort, an dem die Opfer nach einer Vergewaltigung Hilfe und Unterstützung suchen."

Eine präventive Wirkung

Wolfgang Schürer, einer der diesjährigen Ausrichter von "Religions for Peace" in Lindau, ist vom Konzept überzeugt und hat große Hoffnungen: "Wenn sich herumspricht, dass es ein solches Verfahren im Land gibt, dann könnte es schon durch seine schiere Existenz eine präventive Wirkung haben." Das könnte die Anzahl sexueller Übergriffe noch einmal stark reduzieren. "Wenn wir dazu einen Beitrag leisten können, dann hat sich, allein für dieses eine Projekt, diese Weltkonferenz hier schon mehr als gelohnt", fügt er hinzu.

Wangu Kanjas Ziel ist klar: Sie wünscht sich, dass sexuelle Gewalt in ihrem Land irgendwann nicht mehr existiert. Außerdem sollten Opfer stets die Chance haben, ihre Täter anzuzeigen, damit diese strafrechtlich verfolgt werden. "Und ich möchte eine Einrichtung gründen, in der die Menschen heil werden können von all dem Unrecht, das ihnen angetan wurde." Denn Wangu weiß, nach einer Vergewaltigung muss nicht nur der Körper genesen. Es ist vor allem die eigene Würde, die wieder aufgebaut werden muss.