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Ein Buch, das verbindet

Diana Hodali20. Oktober 2005

"Des Anderen historische Erzählung kennenlernen", so heisst ein israelisch-palästinensisches Schulbuch-Projekt. Es soll eine Brücke schlagen zwischen zwei Völkern, die sich verfeindet gegenüber stehen.

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Zwei Völker, zwei Sichtweisen- dieses Buch soll vermitteln

An einem politisierten Ort bestimmt der Konflikt den Alltag der Menschen. Viel Falsches wird erzählt, Propaganda wird betrieben und diese macht auch vor den Klassenzimmern keinen Halt.

Beide Völker haben völlig unterschiedliche Geschichtsbilder. Des einen Held ist des anderen Terrorist. Um die Bilder zu entzerren, braucht es daher Visionen, die der Pädagoge Sami Adwan von der Bethlehem Universität und der Psychologe Dan Bar-On von der Ben-Gurion Universität Beersheba haben - ein Palästinenser und ein Israeli. Sie haben mit Unterstützung von jeweils sechs palästinensischen und israelischen Geschichtslehrern eine Schulbuch-Serie mit dem Titel "Learning Each Other's Historical Narrative" konzipiert. In diesen Büchern wird der Konflikt aus beiden Sichtweisen dargestellt.

Learning Each Other's Historical Narrative, Seite aus Buch
Auch graphisch stehen sich die Erzählweisen gegenüber

"Die Idee kam in den 1990ern, als ich Dan Bar On traf und wir uns überlegten, dass wir etwas dagegen tun müssen, dass kein Buch sich der Sichtweise des anderen widmet", sagt Adwan.

Sinn und Zweck

Ziel dabei ist es, die Kluft zwischen beiden Völkern zu überbrücken, denn entweder trägt der Geschichtsunterricht dazu bei, den Konflikt zu schüren, oder er kann dazu beitragen, die Koexistenz der beiden Staaten zu unterstützen. Aber Vorraussetzung dafür ist die Bereitschaft, den nationalen, parteilichen Blick beiseite zu legen, und sich anzuhören wie die andere Seite den Konflikt erzählt. "Das Problem liegt in der Bevölkerung", sagt Bar-On. "Sie öffnet sich nicht. Deshalb musste etwas auf der Erziehungsebene getan werden. Eine gemeinsame Sichtweise können wir zu diesem Zeitpunkt nicht entwickeln, deshalb sollen die Schüler hören wie sich die andere Seite ihre Geschichte erklärt." Diese Serie soll die Lehrer vom oftmals indoktrinierten Lehrplan befreien und bietet ihnen einen Weg, den Schülern beide Sichtweisen näher zu bringen.

Das Buch wird in in etwa 20 Schulen in der neunten und zehnten Klasse verwendet, obwohl es weder von der palästinensischen noch von der israelischen Regierung offiziell in den Schulen eingeführt wurde. Das erste Buch der Serie wurde 2002 veröffentlicht und widmet sich der Balfour Deklaration 1917, der Staatsgründung Israels und dem Beginn der ersten Intifada 1987. Das zweite Buch, über den Sechs-Tage-Krieg, ist in diesem Jahr herausgegeben worden - ein Drittes erscheint im nächsten Jahr und widmet sich der zweiten Intifada.

Viel Diskussion

Das auf fünf Jahre angesetzte Projekt des "Prime Research Institiut" in Beit-Jala im Westjordanland, hat für eine kontroverse Diskussion gesorgt. Es war eine sehr schwierige Zeit in der die Lehrer unter Adwan und Bar-On begonnen haben sich zu treffen. "Immer wieder passierte etwas und wir mussten von neuem beginnen", erzählt Bar-On. "Aber aufgegeben haben sie nie."

Flaggen Israel Palästina.jpg
Die Flaggen wurden vom Cover entferntBild: AP

Palästinensische Schüler störten sich an der israelischen Flagge, die bei der ersten Ausgabe auf dem Cover zu sehen war. Der David-Stern erinnere sie zu sehr an die Bulldozer und Tanks, die sie den ganzen Tag sehen, erklärt Adwan. Daraufhin entfernte man beide Flaggen. Ansonsten waren die Reaktionen gemischt. Einige arabische Schüler fragten sich, ob dieses Buch dazu beitragen soll, die eigene Identität aufzugeben. Andere wiederum waren froh, zu erfahren, wie die andere Seite denke, wollten sich mit den "Anderen" treffen und darüber reden, fährt Adwan fort.

Eltern auf beiden Seiten waren teilweise skeptisch. Sie fragten sich ob dieses Buch inmitten der zweiten Intifada eine gute Idee sei. "Wir glauben, dass es genau deshalb eine gute Idee ist", sagt Bar-On. "Es ist wie in unserer Gesellschaft: Manche sind für etwas, und manche dagegen, und so ist es auch bei den Eltern."

Schon 1972 hat die deutsch-polnische Schulbuchkommission auf Initiative der UNESCO durch die Revision der Geschichts- und Geographiebücher zur Verständigung beider Länder beigetragen. Bleibt zu hoffen, dass "Learning Each Other's Historical Narrative" bald offiziell anerkannt wird.