ECOWAS-Sondergipfel mit Zuckerbrot und Peitsche für Niger
10. August 2023Bei einem Sondergipfel nach dem Staatsstreich im Niger haben sich die Staaten der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) nachdrücklich für eine diplomatische Lösung ausgesprochen. "Dialog als Grundlage unseres Ansatzes" habe "Vorrang", sagte der amtierende ECOWAS-Vorsitzende, Nigerias Präsident Bola Tinubu, in der Hauptstadt Abuja.
Die ECOWAS müsse alle Beteiligten "in ernsthafte Gespräche einbeziehen" - einschließlich der neuen Machthaber im Niger, betonte Tinubu. Ziel sei es, "sie davon zu überzeugen, auf die Macht zu verzichten und Präsident Mohamed Bazoum wieder einzusetzen".
Allerdings wurde in Abuja auch ein Plan B bekannt: Denn die Präsidenten der ECOWAS-Staaten wiesen ihre Militärchefs an, "sofort" eine Eingreiftruppe für einen möglichen Einsatz im Niger zusammenzustellen. Zur Begründung erklärte Tinubu in seiner Abschlussrede: "Keine Option wird vom Tisch genommen. Das gilt auch für die Anwendung von Gewalt. Als letztes Mittel."
An dem Sondergipfel der 15 ECOWAS-Staaten zur Lage im Niger nahmen auch die Präsidenten von Burundi und Mauretanien teil, die keine Mitgliedsländer sind. Der Afrika-Beauftragte des Auswärtigen Amtes in Berlin, Christoph Retzlaff, war als Beobachter dabei.
Schulze hält Rückkehr des Niger zur Demokratie für möglich
Die deutsche Entwicklungsministerin Svenja Schulze hofft weiter auf eine Rückkehr Nigers zur Demokratie. Sie sei sehr froh, dass der westafrikanische Staatenbund ECOWAS weiterhin friedliche Lösungen in den Mittelpunkt stelle, sagte Schulze im Deutschlandfunk. Sie sehe immer noch die Möglichkeit für friedliche Lösungen, wenn der internationale Druck groß genug sei, betonte die SPD-Politikerin.
Frankreich und USA stellen sich hinter ECOWAS
Das französische Außenministerium bekräftigte seine "volle Unterstützung" für die Beschlüsse des ECOWAS-Gipfels. Auch US-Außenminister Antony Blinken betonte die Führungsrolle der ECOWAS bei der Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Ordnung im Niger, ohne jedoch direkt auf ein mögliches militärisches Eingreifen Bezug zu nehmen. Die Demokratie sei die beste Grundlage für Entwicklung, sozialen Zusammenhalt und Stabilität im Niger, teilte Blinken in einem Statement mit. Die USA verurteilen die rechtswidrige Inhaftierung von Präsident Bazoum, dessen Familie und von Mitgliedern der Regierung und fordern ihre sofortige Freilassung, wie es weiter hieß.
Mali, Burkina Faso und Algerien gegen Militäreinsatz
Am 26. Juli hatte das nigrische Militär Präsident Bazoum gestürzt und die Macht übernommen. Die ECOWAS hatte die neuen Machthaber in Niamey daraufhin ultimativ aufgefordert, Bazoum bis vergangenen Sonntagabend wieder einzusetzen und mit einem militärischen Eingreifen als "letzte Option" gedroht. Die Frist verstrich, ohne dass es zu einem solchen Einsatz kam.
Nigers Nachbarn Mali und Burkina Faso, die beide nach Putschen ebenfalls von Armeeregierungen beherrscht werden, hatten eine mögliche ECOWAS-Militärintervention strikt abgelehnt. Dies wäre eine "Kriegserklärung" auch gegen ihre Länder, erklärten sie. Nigers Nachbarland Algerien lehnte ein solches Eingreifen ebenfalls "kategorisch" ab.
Neue Regierung in Niamey vorgestellt
Kurz vor dem Gipfeltreffen hatten die Machthaber im Niger die Bildung einer neuen Regierung verkündet. Laut einer im Staatsfernsehen verlesenen Erklärung umfasst das Kabinett von Ministerpräsident Ali Mahaman Lamine Zeine 21 Mitglieder, darunter zwei Generäle des regierenden Nationalen Rats für den Schutz des Vaterlandes (CNSP) als Minister für Verteidigung und Inneres.
Die neue Regierung ist damit nur etwa halb so groß wie die bisherige. Verlesen wurde die Liste der neuen Kabinettsmitglieder von Mahamane Roufai Laouali, der als Generalsekretär der Regierung vorgestellt wurde.
sti/uh/qu/djo (afp, dpa, rtr)