Plagiat als Konzept
24. Februar 2010Velázquez, El Greco, Rembrandt oder Rubens. Namen Alter Meister, bei denen Liebhaber mit der Zunge schnalzen. Doch um die Originale zu bewundern, muss man weite Reisen unternehmen. Zum Beispiel zum Prado nach Madrid, dem Louvre nach Paris oder ins Stedelijk Museum nach Amsterdam.
Kunstsalon Posin
Die wenigsten wissen, dass man in einer kleinen holperigen Seitenstraße in Berlin-Neukölln Werke der gleichen namhaften Maler findet: Im "Kunstsalon Posin", einem verrauchten Atelier berühmter Kunstfälscher. Drinnen stapeln sich Hunderte Werke Alter Meister aus fünf Jahrhunderten, die einen unschätzbaren Wert hätten, wenn sie echt wären.
Ideal des Künstlers
Geschaffen wurden sie von den drei aus Russland stammenden Kunstfälschern Jewgeni, Michail und Semjon Posin. Drei rauchende Malergenies um die 60, die so wirken, als ob sie aus einer anderen Zeit kämen. Selbst nennen sie sich Kunstkopisten.
Jewgeni Posins Klamotten sind farbverschmiert. Sein Haar ist dünn und zottelig, sein Blick ist grimmig, die Zigarette klebt lässig an seinen Lippen. Er erinnert an eine Mischung aus russischem Mönch und Dostojewski-Figur. Jewgeni ist gerade dabei, einen Klassiker der expressionistischen Moderne zu malen: "Die blauen Pferde" von Franz Marc. Das erledigt Jewgeni mit schnellem und sicherem Strich und ohne Vorlage, als hätte er die ganze Kunstgeschichte im Kopf.
Michail Posin ist der jüngste der drei Fälscherbrüder und der Philosoph der Familie. Er betont, dass sie nicht einfach Bilder kopieren. Er vergleicht die Fälschung eines Bildes mit der Niederkunft eines Kindes. Weil die Werke der drei so erschreckend perfekt gemalt sind, stehen sie bei Sammlern hoch im Kurs. Kriminell sei das Fälschen keineswegs, erzählt Jewgeni Posin. Kopieren sei erlaubt, wenn der Schöpfer des Originals mindestens 70 Jahre tot ist. Ihre Arbeit erfordere besonderes zeichnerisches Können. Barockkunst bestehe zu 80 Prozent aus Handwerk und aus 20 Prozent Talent und Inspiration, erklärt Semjon, der älteste der drei russischen Neuköllner Fälscherbrüder.
Lebenswelt der alten Meister
Der Anspruch der Brüder, das werden sie nicht müde zu wiederholen, liegt nicht nur darin, die Bilder täuschend echt nachzumalen. Sie wollen den Werken eine Seele geben. Gelernt haben sie die große Kunst des Kopierens während des Studiums an der Leningrader Kunstakademie in den 70er Jahren. Die Bilder aus dem Kunstsalon Posin sind nicht besonders teuer. Ein Fälschung kostet zwischen 1.500 Euro und 3.000 Euro. Je älter ein Original ist, desto teurer wird die Fälschung. Denn die Posins malen höchst sorgfältig. Schließlich ist der Malstil Alter Meister nicht einfach zu kopieren. Die Kunden wollen kein Poster kaufen, sondern ein Bild, das den Zeitgeist einer ganzen Epoche wiedergibt. Daher arbeiten die Brüder auch nur nachts. So können sie die Realität ausblenden und ganz in die Welt der Künstler abtauchen.
Als Dissidenten in den Westen
Die Gebrüder Posin, die seit Mitte der 80er Jahre in der Bundesrepublik leben, kommen aus einer Leningrader Intellektuellenfamilie. Ihre Mutter war Deutsche. Der Vater ein St. Petersburger Japanologe, der unter Stalin nach Sibirien verbannt wurde, dort ins Gulag kam und umgebracht wurde. Dennoch durften die Kinder dank ihres erstaunlichen Talents studieren. Schnell kamen sie mit der illegalen Kunstszene in Kontakt. Sie wurden Dissidenten, die die Sowjet-Funktionäre aber loswerden wollten, so dass man sie in den Westen ausreisen ließ.
Komplettpaket
Wer ein Bild bestellt, erhält ein Komplettpaket, zu dem auch der passende Rahmen gehört. Die Kunden kommen aus allen Bereichen, zu ihnen zählt auch der ehemalige Berliner Kultursenator, Christoph Stölzl, der erst kürzlich drei moderne Werke bestellt hat. Oder der Fußballmanager Rainer Calmund. Der Jahresumsatz der Posin-Brüder wird auf 120.000 Euro geschätzt. Für Künstler in Krisenzeiten keine schlechte Summe.
Leidenschaft für den Beruf
Aber die Posin-Brüder malen nicht nur des Geldes wegen, sondern auch, um nicht auf schlechte Gedanken zu kommen. Denn ihre Kunst ist eine Form der Maltherapie, um die Zeit der kommunistischen Repression in der Sowjetunion zu vergessen. Sie waren seit damals nie wieder in ihrer alten Heimat, so wie sie auch keine russischen Maler im Programm haben. Dagegen ist ihr ganzer Stolz "La Gioconda", die Mona Lisa. Das weltberühmte Ölbild von Leonardo da Vinci. Dazu besuchten sie auch mehrfach den Pariser Louvre, mixten Farben, suchten antikes Holz.
Jetzt lehnt die schöne Frau an ihrer Atelierwand und erwärmt ihnen jeden Tag neu die Herzen. Die Herzen dreier Fälscherbrüder, deren Perfektion weltweit einmalig ist.
Autor: Christoph Richter
Redaktion: Conny Paul