Ebola, der blinde Passagier?
16. Oktober 2014"Das ist ein komisches Gefühl, wenn hier so viele Menschen rumlaufen und wir wissen nicht, woher sie kommen", sagt eine ältere Dame. Sie steht mit ihrem Mann und den gepackten Koffern am Frankfurter Flughafen. "Ebola ist näher, als man denkt", meint auch eine besorgte Mutter. "Angst habe ich schon." Mehr als 150.000 Passagiere landen am und fliegen täglich vom Frankfurter Flughafen. Der ist nicht nur Tummelplatz für Menschen, sondern auch für Infektionskrankheiten.
Eine Studie des Max-Planck-Instituts für Informatik, die weltweite Flugverbindungen und Direktflüge internationaler Flughäfen ausgewertet hat, hat ergeben: Vom Frankfurter Flughafen aus können sich Infektionskrankheiten besonders schnell per Flugverkehr zu anderen Flughäfen verbreiten. Doch Stopp: Ebola gehöre nicht dazu, wirft Bertram Somieski, Sprecher des Max-Planck-Instituts für Informatik in Saarbrücken, ein. Denn deutsche Großflughäfen spielten eine eher geringe Rolle für Reisebewegungen aus Westafrika, so Somieski.
Fliegt Ebola mit?
Auch die Tatsache, dass Ebola sich nicht über Tröpfcheninfektion verbreitet, spricht dafür, dass die Wahrscheinlichkeit einer Ausbreitung am Flughafen gering ist. Ebola ließe sich nicht im Vorbeigehen übertragen, meint Dr. Jürgen Rissland, Virologe am Universitätsklinikum in Homburg. Auch die Ansteckungsgefahr im Flugzeug sei sehr gering. Dafür müsste ein Passagier mit den Körperflüssigkeiten, wie Blut oder Erbrochenem, eines Ebola-Infizierten direkt in Kontakt kommen und das ausgerechnet dann, wenn sich bereits die ersten Symptome von Ebola zeigten, sagt Rissland.
Die potenzielle Ansteckungsgefahr bereitet den für den Frankfurter Flughafen zuständigen Behörden keine Sorgen. Anders als in Kanada, London oder New York: Dort haben die internationalen Flughäfen Ebola-Screenings eingeführt, um einer Ausbreitung von Ebola vorzubeugen. Hierbei messen Mitarbeiter bei Passagieren aus Sierra Leone, Guinea und Liberia Fieber. Fluggäste, die über Westafrika einreisen, werden nach ihren Reiserouten gefragt und nach Menschen, zu denen sie Kontakt hatten.
Die Chance, Verdachtsfälle zu erkennen, ist gering
Ein Mann hat das Bewusstsein für eine mögliche Ansteckungsgefahr verändert: Thomas Eric Duncan. Er erlag in den USA am 8. Oktober dem Ebola-Virus. Das brachte er unbemerkt aus Liberia in ein Land, dessen Seuchenschutz zu den besten der Welt zählt. Ebola hat eine Inkubationszeit von drei Wochen. Theoretisch könnte ein Infizierter nach Europa einreisen und erst später erkranken.
Auf dem größten Flughafen Deutschlands bestehe aber keine Ansteckungsgefahr, meint Hessens Gesundheitsminister Stefan Grüttner gegenüber dem Nachrichtensender Phoenix. Eine Fiebermessungen lehnt er ab. "Fieber kann ein Zeichen für verschiedene Krankheiten sein, von der einfachen Erkältung bis zu einer Infektionskrankheit. Insbesondere bei Ebola ist die Symptomatik entscheidend, nicht die Temperatur." Die Erfahrungen der SARS-Epidemie zeigten, dass die Chancen, Verdachtsfälle mit dieser Methode zu erkennen, sehr gering seien, so ein Bericht des European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC). Auch Somieski vom Max Planck-Institut rät dazu, das Screening am Frankfurter Flughafen vorerst zu vermeiden: "Wir sollten keine Spannungen erzeugen, wo keine Gefahr besteht."
Der Schrecken sitzt tief
Frankreich und Tschechien dagegen wollen nun Flugreisende aus Verdachtszonen stärker überprüfen. Frankreichs Präsident François Hollande, die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel, der britische Premierminister David Cameron, der italienische Ministerpräsident Matteo Renzi und US-Präsident Barack Obama haben in einer Video-Konferenz über das Problem gesprochen. Und auch die Gesundheitsminister der Europäischen Union berieten am Donnerstag (16.10.2014) über das weitere Vorgehen an europäischen Flughäfen und weitere Strategien gegen Ebola. Dazu zählt vor allem eine Sensibilisierung der Reisenden und Flugzeugcrews durch notwendige Informationen. Doch seit Thomas Eric Duncan sitzt der Schrecken tief.