Der Generalsekretär des Goethe-Institut im DW-Interview
26. Oktober 2016Deutsche Welle: Herr Ebert, bis 2012 hat das Goethe-Institut Kulturarbeit in Damaskus organisiert. Wie ging es da der Kultur im Land?
Johannes Ebert: Die Kulturszene in Damaskus war sehr aktiv. Es gab in allen Arbeitsbereichen Kulturschaffende, ein Verlagswesen, Hochschulen für musikalische Ausbildung etc. Aber es herrschte eine staatliche Kontrolle.
Dann haben Sie das Institut vorläufig geschlossen. Warum?
Aus Sicherheitsgründen - es gab eine konkrete Bedrohungslage für uns Deutsche.
Was bleibt von der Kulturszene?
Viele Kulturschaffende und vor allem kritische Künstler sind geflohen. Wir sehen es am Programm für "Damaskus im Exil" - von den 90 Teilnehmern sind 45 geflohene Künstler, die in Deutschland oder Europa leben. Meine Analyse ist, dass es einen Kahlschlag gab in der syrischen Kulturszene.
Wir möchten, dass die Künstler weiterarbeiten können, damit sie bei einem möglichen Wiederaufbau in Syrien ihre gesellschaftliche Rolle übernehmen können. Das ist wichtig.
Ein Goethe-Institut im Berliner Exil, das syrische Künstler versammelt, was kann das bewirken?
Unsere Hauptarbeit liegt im Ausland. Wir machen sichtbar, wie das Goethe-Institut in Krisengebieten arbeitet. Zweitens: Welche Rolle spielen geflüchtete Künstler, die aus Syrien gekommen sind, hier in Deutschland? Auch das wird deutlich.
Viele Künstler leben ja schon im Exil. Machen Sie jetzt Kultur-Innenpolitik?
Innen und außen ist bei der internationalen Kulturarbeit immer schwerer zu trennen. Das Goethe-Institut hat über sein Netzwerk von 159 Instituten in über 90 Ländern und unzähligen Partnerorganisationen sehr viel Wissen und sehr viele Erkenntnisse über fremde Kulturen. Es kann nützlich sein für ein Land wie Deutschland, das so international aufgestellt ist, wenn wir unsere Erkenntnisse in die Diskurse und die Kulturlandschaft hier einfließen lassen.
Wie breit ist das politische und religiöse Spektrum der syrischen Künstler, die an diesem Dialog teilnehmen?
Ich habe nur mit einzelnen Künstlern gesprochen. Niemand geht freiwillig aus seinem Land weg. Deutschland ist für die Künstler, die hier sind, ein wichtiger Zufluchtsort. Sie versuchen, sich in die hiesige Kulturszene zu integrieren.
Die Welt wird immer komplizierter. Überall sind Nationalisten auf dem Vormarsch, Kriege brechen aus, Diktaturen erstarken. Welche Antwort gibt das Goethe-Institut?
Das ist für uns eine zentrale Frage. In vielen Ländern, etwa in Russland oder arabischen Ländern, beobachten wir eine Verschärfung von Gesetzen, die freien Organisationen Nichtregierungsorganisationen das Leben schwer macht. Gleichzeitig gibt es aktive Kulturakteure, die sich mit ihren Gesellschaften auseinandersetzen. Es braucht Orte wie das Goethe-Institut, wo man sich treffen und frei austauschen kann, wo Experimente möglich sind, wo man zeitgenössische Kunst und Kultur pflegt. Und selbst wenn es nach außen so aussieht, als ob es einen Rückschritt in den Gesellschaften gibt, ist es gerade wichtig, dass deutsche Organisationen weitermachen.
Unsere Strategie hat sich deshalb im Grund nicht geändert: Wir geben einen Raum für kulturellen Austausch mit Deutschland. Aber vielleicht müssen wir dabei noch sensibler, noch genauer, noch mutiger sein.
Holen Sie als nächstes die Goethe-Institute aus Moskau, Teheran, Adis Abeba usw. nach Berlin?
Nein, "Damaskus im Exil" spielt für uns eine Sonderrolle. Es geht um das Thema Flucht. Das betrifft unsere Gesellschaft sehr stark. Die größte Gruppe der Flüchtenden sind nun mal die Syrer. Und zweitens: Wir hatten ein Goethe-Institut in Damaskus. Viele der Partner, die wir damals in Damaskus hatten, sind jetzt hier. Deshalb haben wir gesagt, jetzt probieren wir mal "Damaskus im Exil" aus und versuchen, diese kleine Plattform zu schaffen.
Johannes Ebert, Jahrgang 1963, ist Generalsekretär des deutschen Goethe-Instituts. Das Gespräch führte Stefan Dege.