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Anja Steinbuch
28. März 2019

E-Commerce und Online-Banking haben neue digitale Identifizierungen hervorgebracht. Deutschland ist auf dem Weg zu einer digitalen Geschäftswelt. Augenmerk gilt der Sicherheit dieser Verfahren.

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Symbolbild Video-Ident-Verfahren
Bild: picture-alliance/dpaThemendienst/A. Warnecke

Online-Geschäfte kommen oft an Grenzen. Viele Verträge erfordern weiterhin eine analoge Überpüfung der Identität durch einen dafür geschulten Mitarbeiter. Das betrifft Handel, Banken, Versicherungen und Behörden gleichermaßen: Wenn es um eine rechtssichere Prüfung des Geschäftspartners geht, wie zum Beispiel beim Abschluss von Versicherungsverträgen, Krediten und Leasingangeboten, Bankgeschäften oder für amtliche Dokumente, ist weiterhin eine persönliche Verifizierung notwendig. Das bedeutet auch für den Internet-Nutzer: Runter vom Sofa und rein in die Wartezimmer von Behörden, Banken und Versicherungen.

Damit soll nun bald Schluss sein. Verbände, Politik und Technologie-Unternehmen arbeiten seit einigen Jahren europaweit an sicheren Online-Identifizierungsverfahren, um diese letzten analogen Hürden abzuschaffen. Ziel: Zu jeder Tages- und Nachtzeit und von überall können Konten eröffnet, Kredite und Urkunden beantragt werden.

Nordeuropa ist wieder einmal Vorreiter

Schritt Nr. 1 auf dem Weg in die schöne neue digitale Geschäftswelt ist der digitale Personalausweis. Estland gilt hier als absoluter Vorreiter, wo man sogar eine E-Residency bekommen kann, eine Art digitale Staatsbürgerschaft. Finnland hat als bislang einziges EU-Land eine E-Identity eingeführt. In Dänemark, Finnland, Norwegen und Schweden werden solche elektronischen Prüfungsfunktionen am meisten genutzt. Grundsätzlich sind dabei die Banken die größten Technologietreiber. Mit der Funktion BankID in Norwegen und Schweden sind Kooperationen der größten norwegischen und schwedischen Banken Vorreiter des Trends. Sie etablierten E-Identity Ökosysteme, die heute sowohl von Behörden als auch von Unternehmen eingesetzt werden. Abos beim öffentlichen Nahverkehr können so digital abgeschlossen, Dokumente unterschrieben, Steuererklärungen abgegeben werden.

Symbolbild Deutschland Grundgesetz Staatsangehörigkeit
Deutscher Personalausweis im CheckkartenformatBild: picture-alliance/dpa/K. J. Hildenbrand

Auch Deutschland hat 2010 den Personalausweis im Checkkartenformat mit RFID-Chip eingeführt. Manko: Für den Einsatz ist in der digitalen Geschäftswelt sowohl spezielle Hard- als auch Software notwendig. Das wird bisher nur selten genutzt. Profiteure dieser geringen Akzeptanz sind Anbieter von alternativen Identitätsprüfungen. Zum Beispiel Video-Ident-Verfahren können diese Lücke zur Onlinewelt schließen. Sie gehen damit Schritt Nr. 2 zum lückenlosen E-Commerce.

Banken, Versicherungen, Telekommunikations- und Mobilitätsdienste sowie die Glücksspiel- und Online-Gaming-Branche haben Video-Ident-Verfahren in ihre Prozesse integriert. Ziel: Schnelle, sichere und unkomplizierte Vertragsabschlüsse im Netz.

Beispiel Kontoeröffnung: Der Neukunde klickt auf der Webseite der Bank den Button für ein neues Girokonto an. Automatisch öffnet sich ein Fenster für einen Video-Chat mit einem Angestellen: "Bitte halten Sie Vorder- und Rückseite ihres Ausweispapiers in die Kamera." So wird der Kunde durch den Prüf-Prozess geführt. Das dauert vier Minuten. Dafür ist keine spezielle Software notwendig.

Ein Fall für die BaFin

Größte Anbieter in Deutschland für solche Video-Ident-Prozesse sind die Deutsche Post, IDNow und die Firma WebID Solutions (500 Mitarbeiter). WebID gilt als Pionier dieser Technik. Mit dem Bundesfinanzministerium stimmte das Berliner Unternehmen vor fünf Jahren die Technologie ab. Es entstand das erste Rundschreiben der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), das die Sicherheitsanforderungen festlegte. Deren wichtigstes Detail: Nur geschulte und hierfür ausgebildete Mitarbeiter dürfen das Verfahren in einem abgeschlossenen Raum durchführen.

Zugelassen ist das inzwischen auch in Österreich und in der Schweiz. Auch in Italien sind digitale Vertragsabschlüsse bereits etabliert, in Großbritannien können Bankkunden ein Selfie-Video mit ihrem Personalausweis als Sicherheit schicken. Französische Banken fordern meist einen Scan der Ausweispapiere.

WebID Frank Jorga
Frank Jorga, Geschäftsführer von WebIDBild: WebID/Frank Erpinar

WebID ging mit seiner ersten Video-Ident-Version 2014 online. Um die hohen Sicherheitsauflagen der BaFIn zur erfüllen, wurde ein Call-Center in Solingen eingerichtet und Mitarbeiter geschult. Sie müssen durch eine Sicherheitsschleuse, die alle per Venenscanner erkennt. Nur so kommen sie in das Firmengebäude. "Das System weiß dadurch, dass wirklich nur die legitimierten Kollegen im Haus sind. Keiner kann hier unerkannt eindringen", erklärt WebID-Geschäftsführer Frank Jorga. Er setzt inzwischen das Verfahren in Kombination mit Künstlicher Intelligenz ein: Das ist Schritt Nr. 3 für lückenloses E-Business. Dabei wird die Prüfung automatisch durchgeführt - ohne Mitarbeiter. Der Kunde hält seinen Personalausweis vor die Kamera des PCs oder des Smartphones und das Programm meldet: "Okay, die Papiere sind echt." Falls das nicht für eine Überprüfung ausreicht, muss der Kunde anschließend in die PC-Kamera schauen, um die biometrischen Details zu vergleichen. Zeitaufwand: nur eine Minute. WebID-Chef Frank Jorga: "Das ist schnell, funktioniert weltweit und verschafft uns einen Technologievorsprung vor der Konkurrenz." Freigeschaltet ist das Verfahren bereits als Vorab-Prüfung für Kontoeröffnungen bei Banken und für den Erwerb von PrePaid-SIM-Karten.

Die Deutsche Kreditbank (DKB) in Berlin hat Schritt Nr. 2 bereits umgesetzt. "Wir wollen eine Tech-Bank werden und Video-Ident-Verfahren helfen uns dabei", erklärt DKB-Sprecher Tobias Campino-Spaeing. Über 50 Prozent der Neukunden lassen sich per Online-Chat mit der Webcam überprüfen. Das spare nicht nur Zeit, sondern zeige, "dass wir durch digitale Innovationen viele neue Kunden gewinnen können", bekräftigt Campino-Spaeing. Und das sei nicht alles: "Wir arbeiten an den Verbindungen über moderne API-Schnittstellen, um weitere Services wie den volldigitalen Online-Vertragsabschluss für Neu- und Bestandskunden anbieten zu können."

Geschäfte ohne Medienbruch

Unternehmen hoffen dadurch auf eine engere Kundenbindung: "Geschäfte können online zum ersten Mal ohne Medienbruch erledigt werden", formuliert Jorga im Tech-Jargon. Umfragen haben ergeben, dass die Abschlussquote sinkt, sobald ein angebahntes Online-Geschäft nur analog zum Abschluss kommen kann. "Die Hälfte der Neukunden geht so verloren", ist Jorga überzeugt. Andere beziffern diesen "Schwund" mit zehn Prozent. 

Rebekka Weiß, Datenschutz- und Verbraucherschutz-Expertin beim Branchenverband Bitkom, lobt die neue Technologie: "E-Ident, elektronische Siegel und Signaturen sowie Video-Ident-Verfahren helfen, digitale Geschäftsprozesse salonfähig zu machen und auf dem Markt zu etablieren." Sie betont noch einen wichtigen Aspekt: "Die subjektive Wahrnehmung des Prüfenden fällt bei standardisierten oder automatisierten Legitimierungen weg. Deshalb sind die neuen Technologien frei von Diskriminierungen." Sie wünscht sich europaweit weniger Vorschriften, damit sich die Technologien auf dem europäischen Binnenmarkt entwickeln können.