DW-Rauswurf in Russland: Wie es dazu kam
4. Februar 2022Überraschend war das nicht. Bevor das russische Außenministerium am Donnerstag die DW faktisch verboten hatte, gab es viele Warnschüsse.
"Wir bereiten eine Antwort an die Deutschen vor. Hoffentlich wird es sie diesmal auch tatsächlich geben", verkündete die Chefredakteurin des staatlichen Auslandsenders RT (früher Russia Today), Margarita Simonjan, bereits am 22. Dezember bei Facebook. Marija Sacharowa, Sprecherin des Außenministeriums in Moskau, reagierte spöttisch mit einem deutschen Wort auf Russisch: "Natürlich."
Senden ohne Lizenz
Der Anlass damals: Der Satellitenbetreiber Eutelsat hatte die Ausstrahlung des Senders RT DE gestoppt. Der deutschsprachige Nachrichtensender ging am 16. Dezember mit einem 24-Stunden-Programm über Satellit und online in Betrieb. Die zuständige Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB) startete dagegen ein Verfahren, weil RT DE keine Rundfunkzulassung beantragt hatte.
Wie wichtig der Sender für Moskau ist, wurde beim Besuch von Außenministerin Annalena Baerbock in Moskau Mitte Januar sichtbar. Die russische Seite machte klar, dass es Vergeltungsmaßnahmen gegenüber deutschen Medien geben werde, sollte für RT DE keine Lösung gefunden werden.
Nachdem die MABB am 2. Februar die Verbreitung von RT DE endgültig untersagte, verkündete das Außenministerium in Russland einen Tag später seine Antwort. Die DW muss ihr Büro in Russland schließen, ihren Korrespondenten werden die Akkreditierungen entzogen.
Außerdem wird die Ausstrahlung von DW-Sendungen in Russland verboten, und der Sender soll in das umstrittene Register sogenannter "ausländischer Agenten" beim Justizministerium aufgenommen werden, was seine Arbeit erschweren dürfte. Weitere Maßnahmen würden folgen, hieß es aus Moskau.
Expansionspläne in Deutschland
Moskaus DW-Verbot geht deutlich weiter als die in Deutschland vorhängten Maßnahmen gegenüber RT DE. Im Gegensatz zu den DW-Korrespondenten können RT-Mitarbeiter in Deutschland weiterhin ungehindert arbeiten. Außerdem verfügt die DW in Russland über gültige Sendelizenzen für seine Programme auf Deutsch und Englisch.
Der Deutsche Journalistenverband (DJV) kritisierte in einer Mitteilung am Freitag, es würden "Äpfel mit Birnen verglichen." Zwar werde die DW aus Steuermitteln finanziert, das Kontrollorgan, der Rundfunkrat, werde jedoch "überwiegend von nicht-staatlichen Organisationen besetzt". Der DJV beschrieb RT DE als "Teil der staatlich gelenkten russischen Propaganda".
Der deutsche Dienst von RT startete 2014, im Jahr der Krim-Annexion, mit Sendungen im Internet. RT DE versteht sich als eine alternative Stimme zu Medien in Deutschland.
RT DE wird aktuell bei Facebook von mehr als 650.000 Nutzern abonniert. Eine vergleichbare Zahl gab es vor der Sperrung seines Hauptkanals auf Youtube im September 2021.
Auch "Der fehlende Part", ein Ableger-Kanal, wurde damals gesperrt. Hintergrund war der Vorwurf des US-Konzerns Google, dem Youtube gehört, Falschinformationen über die Corona-Pandemie zu verbreiten, was RT bestreitet. Die Bundesregierung teilte damals mit, nichts mit der Sperrung zu tun zu haben und wies Kritik aus Moskau zurück.
RT DE versuchte erfolglos, eine Sendelizenz für Deutschland über Luxemburg zu erlangen. Zuletzt wurde ein Weg über eine Lizenz in Serbien gewählt, doch die deutsche Medienaufsicht ließ das nicht gelten. RT DE will dagegen klagen.
Drohungen gegen DW in Russland
Rückblick: Die DW konnte in Russland seit Ende der 80er Jahre störungsfrei senden. Kritik an der Berichterstattung gab es aus Moskau nicht.
Die ersten Wolken am Horizont tauchten im Herbst 2019 auf. Eine Kommission der Staatsduma untersuchte das, was sie für "Einmischung ausländischer Medien" in interne russische Angelegenheiten hält. Auch die DW wurde kritisiert.
Man habe diverse Verstöße festgestellt, darunter eine Twitter-Meldung von DW-Russisch im Sommer 2019 über oppositionelle Proteste vor der Wahl zum Stadtparlament in Moskau, so die Kommission.
Die von der DW zitierte Zeile "Moskau, komm raus!" war ein Ruf der Demonstranten, doch die russischen Parlamentarier bewerteten sie als Aufruf, sich an Protesten zu beteiligen. Die DW dementierte diese Darstellung.
Damals empfiehl die Duma-Kommission, der DW den Status eines "ausländischen Agenten" zu verpassen. Doch es kam nicht dazu, das russische Außenministerium sprach sich dagegen aus.
DW-Intendant Peter Limbourg reiste nach Moskau, der Konflikt schien beigelegt. Doch im September 2021 kam das Thema wieder hoch, diesmal im Zusammenhang mit den Sperrungen von RT DE auf Youtube.
Russland habe alle Gründe für Gegenmaßnahmen, sagte der Kommissionsvorsitzende Wassilij Piskarjow. Je mehr Niederlagen RT DE auf seinem Weg zum Sendebetrieb in Deutschland einstecken musste, desto klarer waren die Drohungen aus Moskau. Die RT-Chefin Margarita Simonjan appellierte mehrmals an das Außenministerium, hart zurückzuschlagen.
DW-Intendant Limbourg nannte die nun angekündigten Maßnahmen "eine völlige Überreaktion" und kündigte rechtliche Schritte an. Er versprach, die Berichterstattung über Russland "deutlich" zu verstärken.