DW-Doku: Ein Jahr mit Ai Weiwei
13. Juni 2017Ein einsames Schlauchboot driftet in der Ägäis zwischen der Türkei und Griechenland. Darin kauert Ai Weiwei. Schwimmen kann er nicht. Ein Akt der Performance? "Wir sind alle Flüchtlinge", sagt er. Ai Weiwei kritisiert die europäische Flüchtlingspolitik, macht daraus Kunst und Protest. In seinen aktuellen Arbeiten setzt er sich mit dem Schicksal der Flüchtlinge auseinander, reist nach Griechenland, in die Türkei und nach Gaza. An Europas Stränden zurückgelassene Boote, Rettungswesten, Kleider - sie werden in Museen und an öffentlichen Plätzen zu Mahnmalen.
Ein Jahr lang haben Eva Mehl und Bettina Kolb den chinesischen Künstler für den Dokumentarfilm "Drifting Ai Weiwei" begleitet, der an diesem Dienstag (13. Juni in Berlin) im Beisein des Künstlers Premiere feiert. Die DW-Autorinnen sind dem sprunghaften Tausendsassa nicht nur bei seinen Flüchtlingsprojekten in Griechenland und Gaza gefolgt, sondern auch als Gastprofessor an der Berliner Universität der Künste und bei einer Ausstellungseröffnung in New York.
Unbequemer Kritiker
Wer steckt hinter dem provokanten Künstler, dessen Aktionen - wie die Zerstörung einer Urne der Han-Dynastie oder das Nachstellen des Fotos eines toten Flüchtlingsjungen an der türkischen Küste - vielen Leuten zu weit gehen? Ein Kunstperformer? Einer, der auf Effekthascherei aus ist? "Drifting Ai Weiwei" kommt dem Künstler nahe, gibt Einblicke in sein Schaffen, aber auch in seinen privaten Alltag - mit der Mutter in Peking, mit seinem Sohn und seiner Lebensgefährtin in Berlin, in Momenten, die so noch nie in einem Film gezeigt wurden.
Begleitend zum Dokumentarfilm zeigt ein Online-Spezial den Werdegang des Ausnahmekünstlers, dessen Leben von Kindheit an von Flucht und Exil bestimmt wird. "Mein Leben ist eine Art Exil und ich habe so etwas wie einen Flüchtlingsstatus. In Berlin führe ich zwar ein freies Leben mit meinem Kind und meiner Freundin", erzählt Ai Weiwei. "Aber ich verstehe kein Deutsch, kann mich nicht ungezwungen mit der Gesellschaft austauschen und nicht frei entscheiden, an den Ort meiner Herkunft zurückzukehren, weil es dort ausgesprochen unsicher ist." Bereits sein Vater, der berühmte Dichter Ai Qing, war in Maos Kulturrevolution in Ungnade gefallen und so wuchs Ai Weiwei bereits als Junge in der Verbannung auf.
Heute ist er einer der weltweit bekanntesten Künstler. "Ich bin immer am Dokumentieren. Ich will viele Dinge für die nächste Generation aufzeichnen", sagt er.
Ai Weiweis Kunst kennt keine Grenzen. Vieles an ihm bleibt rätselhaft.
"Ai Weiwei Drifting" - ein Dokumentarfilm der Deutschen Welle (56 min.) von Eva Mehl und Bettina Kolb. Ab 24. Juni 2017 im DW-Programm.