Dutt: "Wir dürfen uns nicht ausruhen"
12. Februar 2013DW: Herr Dutt, fassen Sie bitte Ihr Konzept für die Talentförderung in Deutschland kurz zusammen!
Robin Dutt: Das ist kein Konzept von mir oder vom DFB, sondern das Ergebnis eines intensives Dialogs und Austausches mit allen Akteuren des deutschen Fußballs. Wir wollen nutzen und ausschöpfen, was ausreichend vorhanden ist: Qualität. Deutschland ist hinter Spanien zweiter im Ranking der FIFA, und wir waren regelmäßig im Halbfinale der Wettbewerbe, an denen wir teilgenommen haben. Unser Fußball hat viel Qualität, das ist eine Tatsache.
Ist das ein Titelversprechen?
Man kann keine Titel versprechen. Vor kurzem habe ich bei einer Veranstaltung den amtierenden Weltmeister-Trainer Vicente del Bosque getroffen. Er wies darauf hin, Spanien trotz der guten Arbeit in der Talentförderung 30 Jahre auf einen Titeln warten musste. Man muss also Geduld haben. Was wir machen können und wollen, ist, uns auf den richtigen Weg zu bringen, um uns zu verbessern. Eines ist sicher: Wir dürfen uns nicht ausruhen, wenn wir unseren Platz in der Fußballwelt behaupten wollen. Es gibt andere Länder, die auch hart an der Gestaltung ihrer Zukunft arbeiten.
An welche Länder denken Sie dabei besonders?
Von den großen Namen sind das zweifellos Spanien, genauso wie die Niederlande und Frankreich, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Es gibt auch andere Nationen wie Japan, Paraguay oder Mexiko mit vielen jungen Talenten, denen mit einer besseren Struktur der Sprung in die Elite glücken könnte.
Wie sieht die deutsche Struktur aus?
In Deutschland haben wir eine Struktur, die sich von derjenigen der meisten anderen Länder unterscheidet: Während international eine zentralisierte Arbeit sehr verbreitet ist, bevorzugen wir die Dezentralisierung. Für uns hat sich dieses Modell als sehr positiv erwiesen. Das beweisen Spieler wie Manuel Neuer, Thomas Müller, Marco Reus oder Mario Götze. Weil sich die Talentförderung in den letzten zehn Jahren verändert hat, können wir heute viele Namen toller junger Fußballer nennen. Diese Spieler sind technisch sehr gut ausgebildet. Der deutsche Fußball ist heute mehr als nur der Kampfgeist, der uns über Jahrzehnte ausmachte.
Warum steht er dann nicht an der Weltspitze?
Individuell hat in Moment Spanien die besseren Fußballspieler, nicht umsonst sind sie Welt- und Europameister. Aber niemand kann im Voraus sagen, dass diese Situation unverändert bleibt. Wir müssen unsere Arbeit leisten, auf dem richtigen Weg bleiben, uns ständig verbessern. Dann werden wir sehen, was uns das Morgen bringt.
Auf welche Mittel setzen Sie dabei?
Grundlegend ist die Individualisierung, sowohl im sportlich-taktischen und technischen Bereich, als auch in der menschlichen Entwicklung. Die Entwicklung des Charakters und der Persönlichkeit werden pädagogisch und psychologisch begleitet. Deutschland braucht nicht nur gute Fußballer, sondern auch gute Menschen. Unsere jungen Spieler sollen beides sein.
... und natürlich auch Titel gewinnen.
Wir wollen Titel, und wir wissen, dass wir in dieser Art und Weise mehr Chancen haben werden, sie zu erreichen. Aber letztendlich, auch wenn es viel zu philosophisch klingen mag, ist der Weg unser Ziel: der richtige Weg in der Talentförderung.
Robin Dutt ist seit August 2012 Sportdirektor des Deutschen Fußball-Bunds (DFB). Zuvor hatte als Trainer die Bundesligisten SC Freiburg und Bayer Leverkusen betreut. Als Sportdirektor ist der 48-Jährige für die Jugend- und Talentförderung und die Trainerausbildung zuständig. Dutt ist Nachfolger von Matthias Sammer, der als Sportdirektor zum FC Bayern München wechselte.
Das Interview führte Daniel Martínez.