Dutroux-Komplizin ist frei
28. August 2012Das Berufungsgericht in Brüssel hatte das Urteil eines Gerichts in der Stadt Mons bestätigt: Wegen guter Führung musste Michelle Martin nur etwas mehr als die Hälfte ihrer Strafe absitzen. Gegen ihre vorzeitige Entlassung hatte es in den vergangenen Tagen zum Teil wütende Proteste Tausender Belgier gegeben. Sie haben Angst davor, dass die Ex-Frau des Gewaltverbrechers Dutroux wieder straffällig werden könnte.
Von der Verbrecherin zur überzeugten Christin
Die heute 52 Jahre alte Martin war an einem der schlimmsten Verbrechen der belgischen Kriminalgeschichte beteiligt: 1995 und 1996 entführte ihr damaliger Ehemann Marc Dutroux sechs Mädchen und junge Frauen, vergewaltigte sie und ermordete zwei von ihnen. Nach der Festnahme ihres Mannes ließ sie zwei entführte Mädchen in einem Kellerverlies verhungern. Dafür war sie zu 30 Jahren Haft verurteilt worden.
Nach Angaben ihres Anwalts ist Michelle Martin während ihrer Zeit im Gefängnis zu einer gläubigen Christin geworden. Sie wird künftig im Klarissenkloster in Malonne leben. Auf diese Weise soll sie wieder in die Gesellschaft eingegliedert werden.
Kritik an vorzeitiger Freilassung
Der Umzug aus dem Gefängnis ins Kloster sorgt für vielfältige Kritik. Vor allem die hohen Kosten für die Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz Martins gegen mögliche Angriffe sorgen für Unmut: Medienberichten zufolge betragen sie monatlich bis zu 150.000 Euro.
Anwohner in Malonne waren strikt gegen die Freilassung von Martin. Sie sorgen sich um die Sicherheit ihrer Kinder; direkt neben dem Kloster liegt ein Kindergarten. Auch die Angehörige der Opfer warnten davor, dass die Ex-Frau des Kinderschänders rückfällig werden könnte.
Der stellvertretende Bürgermeister der Kleinstadt, Maxime Prévot, bat unterdessen die Ordensschwestern des Klarissenklosters, keine öffentlichen Messen mehr abzuhalten. Außerdem sollten sie die Identität von Gästen, die für Einkehrtage ins Kloster kommen, gründlich überprüfen.
Der Fall Dutroux hat Belgien traumatisiert
Der Fall Dutroux sorgte Mitte der 90er-Jahre weit über Belgien hinaus für Entsetzen. Beobachter kritisierten vor allem das Versagen der Ermittlungsbehörden und der Justiz. So waren die Mädchen in dem Verlies nicht entdeckt worden, obwohl ein Ermittler bei einem Besuch Stimmen hörte. Behörden behielten Informationen für sich, so dass mehrere Gelegenheiten für eine Festnahme Dutroux' ungenutzt verstrichen. Im Zuge des Gerichtsverfahrens traten mehrere Richter und Ermittler von ihren Ämtern zurück. Dutroux selbst behauptete mehrfach, Teil eines Netzwerks zu sein und für "Personen mit Protektion von ganz oben" gehandelt zu haben. Medienberichten zufolge starben nach der Festnahme von Dutroux 27 Zeugen, die gegen ihn aussagen sollten. Ein Staatsanwalt beging Selbstmord.
mak/qu (dpa, kna, dapd)