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Cicero-Affäre entschieden

27. Februar 2007

Das Bundesverfassungsgericht hat sein Urteil in der Cicero-Affäre verkündet: Die Redaktionsdurchsuchung in Berlin war ein unzulässiger Eingriff in die Pressefreiheit.

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Das Bundesverfassungsgericht entschied in Karlsruhe
Pro "Cicero": Das Bundesverfassungsgericht entschied in KarlsruheBild: AP

Die Potsdamer Staatsanwaltschaft hatte die Durchsuchung der Redaktionsräume 2005 in Auftrag gegeben, weil "Cicero" ihrer Auffassung nach Teile eines vertraulichen Berichts des Bundeskriminalamts (BKA) veröffentlicht hatte. Die Aktion stelle einen erheblichen Eingriff in die Pressefreiheit dar und sei somit unzulässig, heißt es nun in dem Urteil, das das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe am Dienstag (27.2.07) veröffentlichte (Az:1 BvR 538/06). Das Gericht verwies auf das "Spiegel"-Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1966. Dies habe bereits geklärt, dass Ermittlungsverfahren gegen Presseangehörige verfassungsrechtlich unzulässig seien, wenn sie ausschließlich dazu dienen, die Person eines Informanten zu ermitteln.

Ein Ermittlungsverfahren gegen einen Journalisten einzuleiten, sei zwar verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Ein Verdacht reiche aber nicht dazu aus, eine Durchsuchung anzuordnen und Datenträger zu beschlagnahmen, erklärte das Gericht. Durchsucht werden dürfe vielmehr nur, wenn tatsächliche Anhaltspunkte bestehen, dass ein Journalist sich selbst strafbar gemacht hat und Beihilfe zum Geheimnisverrat leistete. Dafür sei Voraussetzung, dass es zwischen dem Geheimnisträger und dem Journalisten einen gemeinsamen Tatplan gab, geheimes Material zu veröffentlichen. Dafür habe es aber im Fall "Cicero" keine Anhaltspunkte gegeben.

In Redaktion und Wohnung eingedrungen

"Cicero"-Chefredakteur Wolfram Weimer nannte das Urteil eine Entscheidung für die Pressefreiheit in Deutschland. Staatssekretär Lutz Diwell vom Bundesjustizministerium hob dagegen hervor, das Gericht habe klargestellt, dass Journalisten nicht absolut vor strafrechtlicher Verfolgung geschützt seien. Mit seinem Urteil gab das höchste deutsche Gericht der Beschwerde Weimers recht, der gegen die Durchsuchung geklagt hatte. Im September 2005 waren Redaktionsräume und Wohnhaus des Journalisten Bruno Schirra durchsucht worden. Dabei kopierten die Ermittler die Festplatte eines Computers. Zuvor war in "Cicero" ein Artikel Schirras erschienen, in dem Schirra aus einem BKA-Bericht über den früheren El-Kaida-Chef im Irak, den Terroristen Abu Mussab al-Sarkawi, ausführlich zitiert hatte. Der Report war als Verschlusssache gekennzeichnet, unterlag aber nur der niedrigsten Geheimhaltungsstufe "vertraulich".

Kläger: Wolfram Weimer, Chefredakteur des Politmagazins Cicero
Kläger: Wolfram Weimer, Chefredakteur des Politmagazins "Cicero"Bild: AP

Weimers Anwalt Alexander Ignor hatte bei der mündlichen Verhandlung im November 2006 argumentiert, dass mit der Durchsuchung der Informant aus den Reihen des BKA aufgespürt werden sollte. Damit sei das Recht von Journalisten auf Informantenschutz verletzt worden. Die Staatsanwaltschaft Potsdam hatte hingegen ihr Vorgehen damit begründet, dass durch den Artikel der Straftatbestand der Beihilfe zum Geheimnisverrat erfüllt sei. Der Text habe, so die Staatsanwaltschaft, "erhebliche für die Sicherheit der BRD relevante Geheimnisse" enthalten.

Bundesregierung verteidigte die Durchsuchung

Auch die Bundesregierung hatte die Durchsuchung gerechtfertigt. Bei der Aktion habe es sich nicht um einen verfassungswidrigen Eingriff in die Pressefreiheit gehandelt, erklärte Justiz-Staatssekretär Diwell im November 2006. Die Pressefreiheit finde bei der Beihilfe zu strafbaren Handlungen ihre Grenze. Das Landgericht Potsdam hatte jedoch die Eröffnung eines Hauptverfahrens gegen den Autor Schirra abgelehnt. Das Brandenburgische Oberlandesgericht bestätigte im August 2006 diese Entscheidung. Ein Ermittlungsverfahren gegen Chefredakteur Weimer war nach Zahlung von 1000 Euro eingestellt worden. Das Bundesverfassungsgericht urteilte nun, dass sowohl die Durchsuchung als auch die strafrechtliche Verfolgung Weimers verfassungswidrig war.

Journalistenorganisationen begrüßen Urteil

Die Journalisten-Organisation Reporter ohne Grenzen (ROG), der Deutsche Journalistenverband (DJV) und der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) begrüßten das Urteil. Der Richterspruch sei eine klare Absage, den Informantenschutz zu durchlöchern oder das Redaktionsgeheimnis zu brechen, erklärte der DJV-Bundesvorsitzende Michael Konken. Ebenso wie die ROG verlangte der DJV ein zügiges Tätigwerden des Gesetzgebers, damit Journalisten, die Insider-Informationen erhalten, nicht weiter kriminalisiert würden.

"Daher müssen Journalisten von § 353b des Strafgesetzbuches, der Beihilfe zum Geheimnisverrat unter Strafe stellt, ausgenommen werden", erklärten die Reporter ohne Grenzen. Zudem sollten Telefongespräche von Journalisten vor Überwachung geschützt sein, wie es bereits für andere Berufsgruppen - etwa Rechtsanwälte oder Pfarrer - gelte, forderte ROG. Entsprechende Gesetzentwürfe von Bündnis 90/Die Grünen und FDP lägen bereits vor.

Mahnung an die Große Koalition

Der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger sieht in dem Urteil eine Mahnung an die Große Koalition, bei der Neuregelung der Überwachung der Telekommunikation und der Vorratsdatenspeicherung ihrem Versprechen aus der Koalitionsvereinbarung nachzukommen, "den besonderen Schutz der Journalisten zu sichern". Der Entwurf des Bundesjustizministeriums würde dem bislang nicht gerecht, da er den Schutz journalistischer Quellen relativiere und damit die Pressefreiheit untergrabe. Unzureichend sei auch die Regelung der Vorratsdatenspeicherung, die dem Staat den Zugriff auf die elektronischen Kontaktdaten aller Bürger und damit auch aller Journalisten samt ihrer Informanten erlaube. Ohne den fehlenden Quellenschutz würde diese Regelung die Pressefreiheit mit bislang ungeahnter Intensität treffen. (tos)