Durch Ölschmuggel zum Kalifat
30. September 2014Wie finanziert sich die Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS)?
In den vergangenen Wochen hat es immer wieder Berichte über millionenschwere Zuwendungen von Anhängern der Terrororganisation aus Katar und Saudi-Arabien gegeben. Die Regierungen beider Länder haben diese Vorwürfe zurückgewiesen. Die Terroristen des IS haben allerdings zunehmend Zugriff auf eigene Einnahmequellen: Sie erpressen Lösegelder, handeln mit Kulturgütern, treiben Steuern ein und erheben Wegezölle. Sie sollen auch schon Immobilien beschlagnahmt haben. Doch ihre lukrativste Einnahmequelle sind die Ölfelder: Sowohl in Syrien als auch im Irak hat sich der IS Zugriff darauf verschafft.
Welche Ölfelder und Anlagen kontrolliert die Terrororganisation "Islamischer Staat" im Irak und in Syrien?
Momentan kontrolliert der IS sieben kleinere Ölfelder, die sich im Nordirak befinden. Bereits diese kleineren Förderstätten sind ausreichend, um die Selbstversorgung der Organisation zu gewährleisten. Sie sollen zwischen 30.000 und 80.000 Fass täglich (ein Fass entspricht 159 Liter) ausstoßen, durch die der "Islamische Staat" Schätzungen zufolge zwischen 1,2 und zwei Millionen US-Dollar am Tag Gewinn erzielt. Derzeit kämpft die Miliz im Norden des Landes um eine große Ölanlange in Baidschi (siehe Bild oben). In Syrien soll sie nach Angaben der syrischen Opposition etwa 60 Prozent der Ölstätten des Landes unter ihre Kontrolle gebracht haben. Geschätzte Tageskapazität: 50.000 Fass - das entspricht Einnahmen von etwa zwei Millionen US-Dollar täglich.
Welche Länder sind die Abnehmer?
Da das irakische Regime unter Saddam Hussein westlichen Firmen verdeckte Provisionen bei Öl-Deals zahlte, kam es in den 1990er Jahren zu multilateralen UN-Sanktionen gegen den Irak. Daher gebe es dort bereits einen etablierten Ölschmuggel, sagt Eckart Woertz vom "Barcelona Center for International Affairs". Der "Islamische Staat" könne im Irak daher auf ein gut ausgebautes Netzwerk zurückgreifen. Sie setzen so einen Großteil ihrer Produktion auf lokalen und regionalen Märkten ab. Das meiste Öl, so Woertz, werde im Dreiländerdreieck Irak, Iran und der Türkei gehandelt. Über Mittelsmänner soll es auch über die irakische Provinz Anbar nach Jordanien gebracht werden.
Wie wird das Öl verkauft?
Das Öl werde nicht in Pipelines zu den Abnehmern gebracht, sondern überwiegend in Lastwagen transportiert, sagt Nahost-Experte Eckart Woertz. Die Milizen verarbeiten das Rohöl aber inzwischen in provisorisch eingerichteten Raffinerien auch selber weiter und verkaufen das Benzin dann auf dem lokalen Markt.
Was finanziert der "Islamische Staat" mit dem Geld?
Derzeit benötigt die Terrororganisation einen Großteil des Geldes, um mehr Waffen anzuschaffen und den Kämpfern Sold zu zahlen. Parallel investiert der IS, besonders in Syrien, in die Infrastruktur seines anvisierten Kalifats. Er lässt Straßen und Schulen bauen und investiert in den öffentlichen Nahverkehr. Außerdem subventioniert die Organisation Lebensmittel und zahlt offene Rechnungen für einzelne Bürger.
Wie groß ist der Schaden für den Weltmarkt?
Noch hat die Terrorgruppe keines der riesigen Ölfelder im Süden des Irak besetzen können. Dort liegen die größten Reserven des Landes. Auch im Norden hat sie die großen Ölanlagen noch nicht erobern können. Die Milizen müssen das Öl zu einem Discountpreis anbieten und gewähren zusätzliche Rabatte, um es abzusetzen. Der Schaden für den Weltmarkt sei sehr gering, so Eckart Woertz. Es sei auch nicht wahrscheinlich, so Woertz weiter, dass dieses Öl auf dem Weltmarkt landet. "Das ist ein zu großes Reputations- und Sanktionsrisiko."
Was kann der Westen tun, um den Ölschmuggel des IS zu unterbinden und sie dadurch zu schwächen?
Die Anti-IS-Koalition der USA hat bereits Raffinerien, die die Terrorgruppe nutzt, um das Öl weiter zu verarbeiten, bombardiert. Ziel ist es, die Geldströme auszutrocknen. Sollten allerdings größere Erdölanlagen an die Milizen vom IS fallen, könnte die Förderung auf eine Million Fass pro Tag gesteigert werden und somit auch mehr Gewinn eingefahren werden. Da viel Öl über die Grenze zur Türkei geschmuggelt wird, plädiert Eckart Woertz dafür, dass die Türkei ihren Grenzübergang strenger kontrolliert.