Dunkle Schatten über Sachsenhausen
21. Februar 2019Die Firma eines mutmaßlichen Rechtsextremisten bewacht die KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen. Wirklich? Die "Märkische Allgemeine Zeitung" behauptete dies Anfang der Woche. Seitdem zieht der Fall weite Kreise. Axel Drecoll, Direktor der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten, ist alarmiert. Der Vorfall sei "völlig inakzeptabel", sagt er im Gespräch mit der Deutschen Welle. Auch deshalb, weil die Firma ohne Wissen der Stiftung tätig wurde. Denn für den Wachschutz ist seit Februar 2018 die "City Control Gebäude- und Sicherheitsservice GmbH" zuständig.
Das im Berliner Umland ansässige Unternehmen engagierte aber eine Firma aus Cottbus als Subunternehmerin - ohne schriftliche Genehmigung der Gedenkstätte. Dazu wäre sie aber vertraglich verpflichtet gewesen. Der Vorfall werde jetzt einer "sehr sorgfältigen Prüfung" unterzogen, sagt Drecoll. Im schlimmsten Fall muss "City Control" damit rechnen, den gesamten Wachschutz-Auftrag zu verlieren. Die Zusammenarbeit mit der Fremdfirma, die sich nach DW-Informationen juristisch gegen die Vorwürfe wehrt, wurde auf Drängen der Gedenkstätten-Stiftung sofort beendet.
KZ-Überlebende und Angehörige sind entsetzt
Die Brisanz des Vorfalls ist "City Control" bewusst. In einer ausführlichen Stellungnahme, die der DW vorliegt, ist vom "Fehlverhalten einer einzelnen Person" die Rede - allerdings nicht in den eigenen Reihen, sondern auf Seiten des Subunternehmens. Das werfe ein "äußerst schlechtes Licht" auf das Subunternehmen, auf "City Control" und "ganz besonders jedoch auf unseren Kunden". Das ist in dem Fall die Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten, die sich um ihren guten Ruf sorgt.
Berichte über fragwürdige Wachschutz-Firmen oder rechtsgesinnte Besucher in Sachsenhausen sorgen nicht zuletzt unter KZ-Überlebenden und ihren Angehörigen für Entsetzen. Etwa der Auftritt einer Gruppe aus dem Wahlkreis der Bundestagsabgeordneten und Fraktionsvorsitzenden Alice Weidel von der Alternative für Deutschland (AfD) im Juli 2018. Dabei sollen Nazi-Verbrechen verharmlost und die Existenz von Gaskammern bezweifelt worden seien.
Die allermeisten Besucher interessieren sich für die Geschichte
Die Vorfälle seien das Eine, sagt Gedenkstätten-Direktor Drecoll, "aber das gesellschaftliche Klima ist natürlich das Andere". Der Historiker nimmt schon länger eine veränderte öffentliche Kommunikation wahr. Neue Möglichkeiten, "sich rassistisch zu äußern, sich in einem übertriebenen Nationalismus zu ergehen, sich antisemitisch zu äußern". Auch im parlamentarischen Raum registriert er, "dass sich Sprache verschiebt". Das beobachte er mit großer Sorge "und da sehe ich auch eine Gefahr".
Zugleich befürchtet der seit Juni 2018 amtierende Drecoll eine schiefe Wahrnehmung in der Öffentlichkeit und in den Medien. Natürlich nehme man die Ereignisse in Sachsenhausen "sehr, sehr ernst", aber sie seien trotzdem "absolute Minderheitsfälle". Er verweist in diesem Zusammenhang auf 850.000 Besucher in allen Gedenkstätten der Stiftung, davon allein 700.000 im ehemaligen KZ Sachsenhausen. Der weit überwiegende Teil käme, um sich mit der Geschichte der Orte auseinanderzusetzen.
Neonazis auf den Obersalzberg
Ähnliche Erfahrungen machte Drecoll auch schon im Dokumentationszentrum Obersalzberg, das er vor seinem Wechsel zur Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten leitete. Adolf Hitlers idyllisch gelegenen zweiten Regierungssitz in Bayern hätten auch Leute aufgesucht, die dem Nazi-Regime "nicht nur unkritisch gegenüberstehen, sondern deren Ziele zum Teil sogar weiterhin verfolgen". Die Inszenierung des schönen Scheins - der Führer mit Schäferhund - wirkt auf Neonazis anscheinend besonders anziehend. In seiner Amtszeit beobachtete Drecoll eine Zunahme solcher unerwünschten Gäste. Aber auch am Obersalzberg sei es nur ein "verschwindend geringer Teil" der Besucher gewesen.