Duftspender, Delikatesse, Seuchenträger
6. Januar 2004Entgegen der Kritik der WHO hat China mit der Tötung tausender Zibetkatzen begonnen, die mit dem jüngsten Fall der Lungenkrankheit SARS in Verbindung gebracht werden. Mehrere hundert Tiere wurden am Dienstag (6.1.2004) ertränkt oder mit Stromschlägen getötet. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hatte von den Massenschlachtungen abgeraten und erklärt, diese könnten wichtige Hinweise auf den Ursprung der SARS-Erkrankung vernichten.
Allein in der Stadt Zhaoqing wurden Presseberichten zufolge 220 Zibetkatzen ertränkt. In der Provinz Guangdong (Kanton) wurden die Wildtiere auf Märkten, in Restaurants und 36 Aufzuchtbetrieben beschlagnahmt. Reklame für Zibetkatzen wurde verboten. An Schnellstraßen wurden Kontrollposten errichtet, an denen Autos nach verbotenen Wildtieren durchsucht wurden.
Ähnlichkeit der Viren
Die chinesische Regierung hatte nach Bekanntwerden des ersten Sars-Falls seit Juli 2003 am Montag die Tötung von rund 10.000 der Tiere angeordnet. Hongkonger Wissenschaftler erklärten, es gebe Ähnlichkeiten zwischen dem bei dem 32-jährigen Patienten entdeckten Coronavirus und demjenigen, der bei Zibetkatzen gefunden worden sei. Dies lege nahe, dass der Erreger wieder vom Tier auf den Menschen übergegriffen habe. Bereits nach der SARS-Epidemie 2003 hatten Forscher erklärt, das Virus stamme offenbar von der Zibetkatze.
Die Zibetkatze oder Viverra civetta, gehört zur Familie der Schleichkatzen. Obwohl die Washingtoner Artenschutzkonvention sie als gefährdete Tierart auflistet, ist ihr Fleisch bei Freunden exotischer Küche in China sehr beliebt. Auch ihr aus einer Drüsentasche abgesonderter Duftstoff ist als Heilmittel und in der Parfümherstellung begehrt. Zur Gewinnung ihres stark und im Rohzustand übelriechenden Drüsensekrets wird sie in vielen Regionen in Käfigen gehalten.
Katzen als Delikatesse
Vor allem in der südchinesischen Provinz Guangdong, in der SARS im November 2002 erstmals auftrat, gilt das Fleisch der Zibetkatze als teure Delikatesse. Auf speziellen Märkten für wilde Tiere werden die pelzigen Vierbeiner in winzigen Käfigen feilgeboten. Ist der Kauf perfekt, wird das Tier vor den Augen des Kunden totgeschlagen, vorsichtshalber in kochendes Wasser geworfen und - sollte es immer noch leben - erneut mit einem Stock geschlagen, bis es sich nicht mehr bewegt. Danach wird das Fell abgezogen und das Fleisch portionsgerecht zurechtgeschnitten.
Idealer Brutplatz
Märkte für wilde Tiere sind in der Region seit Jahren geduldet. Zwar geht die chinesische Regierung immer wieder gegen den Verkauf von verbotenen, geschützten Arten vor - über die Art und Weise, wie die Tiere gehalten werden, drückt sie aber beide Augen zu. Tierschützer haben Peking immer wieder vergeblich aufgefordert, die Märkte für wilde Tiere zu schließen. Sie sahen in ihnen schon vor SARS einen idealen Brutplatz für Krankheiten.
Die Weltgesundheitsorganisation WHO forderte die chinesischen Behörden auf, die Risiken für die an der Tötungsaktion beteiligten Helfer klein zu halten. "Wenn Tiere gestresst sind, dann haben sie eine stärkere Virusbelastung", sagte der Sprecher des WHO-Büros in Peking, Roy Wadia. Die Gefahr sei dann größer, dass sie das Virus weitergeben.
Keine Panik
Die Angst der Bevölkerung vor einer möglichen neuen SARS-Epidemie schien sich indes im Vergleich zum Vorjahr in Grenzen zu halten. In den Straßen von Guangzhou trug niemand Schutzmasken.
Auf den Philippinen wurden 38 Menschen unter häusliche Quarantäne gestellt, die in Kontakt mit einer unter SARS-Verdacht stehenden Frau waren. Von ihnen habe jedoch niemand Symptome der Erkrankung gezeigt, teilte das Gesundheitsministerium am Dienstag in Manila mit. Der Zustand der mutmaßlichen SARS-Patientin, einer 42 Jahre alten Frau, und ihres Ehemanns habe sich ebenfalls verbessert. Die WHO erklärte am Dienstag, vermutlich leide die Frau nicht an SARS.
Während der weltweiten SARS-Epidemie, die im November 2002 in Guangdong ihren Ausgang nahm, erkrankten weltweit mehr als 8000 Menschen. 774 fielen der Lungenkrankheit zum Opfer. (sams)