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Politik

Drogensucht - Sind deutsche Kommunen überfordert?

Tessa Clara Walther
26. November 2019

In Deutschland wurde dieses Jahr eine Rekordmenge an Kokain sichergestellt. Aber nicht nur Kokain macht den Kommunen zur Zeit Probleme. Auch andere Drogen und deren Konsum machen Kommunen zu schaffen.

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Symbolbild Kokain
Bild: Imago/Future Image
Deutschland Berlin | Daniela Ludwig, Drogenbeauftragte der Bundesregierung
Daniela Ludwig, Drogenbeauftragte der Bundesregierung (CSU)Bild: picture-alliance/dpa/G. Fischer

Bestimmt für Antwerpen. Deklariert als Sojabohnen. Eingepackt in Pappe und Plastik. Versteckt in mehr als 200 dunklen Sporttaschen: 4,5 Tonnen Kokain. Grenzpolizisten haben im Juli diese riesige Menge an Kokain in einem Schiffscontainer am Hamburger Hafen entdeckt. Der Fund war nicht der einzige große in diesem Jahr. Bislang wurden bereits mehr als zehn Tonnen Kokain von der Polizei beschlagnahmt - so viel wie noch nie zuvor in einem Jahr.

Die Rauschgiftkriminalität im Bezug auf Kokain sei ein großes Problem, sagt die Bundesdrogenbeauftragte Daniela Ludwig (CSU) "Da steckt eine sehr gut aufgestellte organisierte Kriminalität dahinter. Und jetzt soll der europäische Markt überschwemmt werden. Das besorgt mich sehr". Die Politikerin hat Vertreter von Städten und Kommunen aus ganz Deutschland zur Jahrestagung nach Berlin eingeladen, um besonders ihre Arbeit mit Drogensüchtigen in diesem Jahr in den Fokus zu nehmen. Doch nicht nur illegale Rauschmittel wie Kokain wurden auf der Tagung in diesem Jahr diskutiert, denn auch legal Drogen machen den Kommunen zu schaffen.

Tabak, Alkohol, Cannabis

Laut Bundesregierung sind mindestens acht Millionen Deutsche suchtkrank. Das bedeutet, jeder zehnte ist abhängig von mindestens einer legalen oder illegalen Droge. Bei über vier Millionen seien es Zigaretten, 2,3 Millionen seien medikamenten-, 1,6 Millionen alkoholsüchtig. 600.000 Menschen wiesen einen problematischen Konsum von Cannabis und anderen illegalen Drogen wie Kokain und Heroin auf. Und mehr als eine halbe Million Menschen in Deutschland hätten Schwierigkeiten, ihr Glückspielverhalten zu kontrollieren.

Etwa die Hälfte aller Betroffenen komme wegen ihrer Suchterkrankung von ihrem Lebensweg ab: Sie bekommen Probleme im privaten Umfeld, verlieren ihre Arbeit oder werden sogar obdachlos. Damit benötigen viele von ihnen die Hilfe der Kommunen, die sich um die Beratung und Behandlung der Suchtkranken kümmern. Doch damit endet die Arbeit für die Kommunen oft nicht. Besonders Kinder leiden unter der Suchtkrankheit eines Familienmitglieds und müssen dann auch von lokalen Einrichtungen betreut werden.

Uelzen | Eva Schulze
Eva Schulze aus UelzenBild: DW

Alkohol in Massen

Elke Schulze ist extra aus Uelzen in Niedersachsen angereist, um an der Jahrestagung teilzunehmen. Dort arbeitet sie als Sozialarbeiterin und ist in ihrem Kreis Ansprechpartnerin für Suchtfragen. In ihrer Kleinstadt seien es nicht die harten Drogen wie Kokain, die eine große Rolle spielten, sondern vor allem der Alkohol. "Egal ob sie auf einen Betriebsausflug gehen, auf eine Hochzeit oder Beerdigung. Es wird immer getrunken." sagt Elke Schulze. Noch gebe es genug Reha-Plätze für Alkoholkranke in ihrem Kreis, jedoch käme die Hilfe häufig erst, wenn die Menschen schon stark abhängig sind. "Oft sind es sogar Kollegen, die Hilfe bei unseren Suchtstellen anfordern, weil die Betroffenen selbst ihre Sucht gar nicht als Problem wahrnehmen."

Stadt- und Landbewohner konsumieren unterschiedlich

Während es auf dem Land die Kommunen meist mit Alkoholkranken zu tun haben, kommen in den Städten oft zusätzlich noch die Probleme durch illegale chemische Drogen wie Kokain hinzu. Eine Studie, die das Abwasser europäischer Städte auf dessen Rückstände analysierte, fand sie vor allem in Berlin, München, Hamburg und Dortmund.

Mario P., Mitarbeiter einer Suchtstelle in Hamburg, der lieber anonym bleiben möchte, hat mit immer mehr Menschen zu tun, die nicht nur von einer illegalen Droge abhängig sind, sondern gleich von mehreren. Das mache seinen Job oft noch schwieriger. Um die Arbeit zu erleichtern, wünscht er sich ihre Legalisierung: "Wir haben den Kampf gegen die Drogen doch schon längst verloren." Durch einen legalen Verkauf würden wenigstens die Inhaltsstoffe überprüft, ansteckende Krankheiten minimiert und illegale Clanstrukturen abgebaut.

Symbolbild Drogenkonsum Cannabis
Drogenkonsum von Cannabis wird oft unterschätztBild: picture-alliance/dpa/dpaweb/T. Leukert

Abhilfe durch Legalisierung?

Die Legalisierung von Kokain und anderen harten Drogen wird von keiner Fraktion im Bundestag unterstützt. Im Gegensatz zu Cannabis: Grüne und Linke haben sich der "Legalize-It"-Kampagne für einen legalen Verkauf von Haschisch und Marihuana an Über-18-Jährige offiziell angeschlossen. Auch Gesundheitsminister Jens Spahn warb während seiner Rede für eine "Diskussion ohne ideologische Scheuklappen".

Für die Bundesbeauftragte Ludwig würde die Legalisierung allerdings ein falsches Signal an die Bevölkerung senden: "Besonders unter Jugendlichen haben wir schon jetzt das Problem, dass Cannabis stark unterschätzt wird, dabei kann der Konsum zu schweren Psychosen führen." Sie will gemeinsam mit den Kommunen die Prävention verbessern, sodass die Gefahren der Droge ernster genommen würden.

Gute Betreuung, doch es fehlt an Prävention

Um eine wirkliche Wende in der Prävention einzuleiten, fehle es den Kommunen jedoch oft an den nötigen Ressourcen, so der Konsens vieler Teilnehmer der Jahrestagung. Schon jetzt seien viele Mitarbeiter an den Anlaufstellen allein mit der Beratung und Behandlung von Süchtigen stark ausgelastet - die "Kür" der Vorsorge bliebe da oft auf der Strecke. Von mehr Geld für die Kommunen ist während der Tagung allerdings von Seiten der Drogenbeauftragten keine Rede. Es gehe eher um eine entsprechende "Prioritätensetzung" innerhalb der Kommunen.

Doch trotz gleichbleibender Finanzierung gebe es Verbesserungspotential in der Suchtbekämpfung. Chancen sehen Teilnehmer wie Elke Schulze in einer engeren Vernetzung, zum Beispiel zwischen Drogenanlaufstelle und Polizei, Jugendamt und Sozialamt. Gesundheitsminister Spahn will deshalb über eine Lockerung des Datenschutzes in diesen Fällen nachdenken. Und ein weiteres Thema liegt der Sozialarbeiterin am Herzen: "Suchtkranke und suchtgefährdete Menschen müssen endlich raus aus der Stigmatisierung." In manchen Kommunen würde das Thema Sucht allerdings leider immer noch kleiner gemacht als es ist.