Drogenboss aus dem Kinderzimmer
1. Juni 2019Netflix setzt weiter auf Drogenrausch: Nach den erfolgreichen TV-Serien "Narcos" , "Ozarks" und "Breaking Bad" zeigt der Streaming-Dienst mit der neuen Serie "How to Sell Drugs Online (Fast)" (Wie man im Internet schnell Drogen verkauft) nun erneut eine Drogen-Dealer-Serie. Fernab von den bisherigen Schauplätzen, von mexikanischen Kartellen und Narko-Saaten, spielt die Serie nun in einer fiktiven deutschen Provinz.
Dort will Schüler Moritz der Kleinstadt-Tristesse und seiner eigenen Durchschnittlichkeit als Computernerd entkommen, indem er mit seinem nicht nur besten, sondern auch einzigen Kumpel Lenni, dem Traum eines erfolgreichen Start-ups nachhängt. Dabei stolpern die beiden Jungs, eher beiläufig, im Netz auf einen regen Handel mit Ecstasy-Pillen - eine scheinbar geniale Geschäftsidee.
Sie eröffnen kurzerhand einen Online-Shop im Darknet, beliefert von einem Kleinganoven-Provinz-Dealer (hervorragend besetzt mit Schauspieler Bjarne Mädel). Der digital völlig unkundige Drogenhändler ist anfangs beeindruckt von seinen jungen scheinbar geschäftstüchtigen Komplizen, den Drogen-Dealern 2.0.
Die Geschichte von "Shiny Flakes"
Der Plot Teenies, die aus dem Kinderzimmer heraus global Drogen verticken, während Papa und die kleine Schwester unten am Abendbrottisch warten, an dem gemeinerweise auch noch Handyverbot herrscht. Dick aufgetragen, mag man meinen. Doch Inspiration der Serie war die wahre Geschichte des 20-jährigen Leipziger "Kinderzimmer-Dealers".
Über die Seite "Shiny Flakes" generierte der junge Mann mit weltweiten Drogenverkäufen Millionen-Umsätze. 2015 flogen er und sein illegaler Handel auf. Mutmaßlich hatte er einen 51-jährigen Komplizen. Aus dieser Konstellation entrollt Netflix nun mit der neuen Serie "How To Sell Drugs" ein Generationengemälde.
Es ist ein Porträt der Generation Z. Die Alterskohorte der etwa zwischen 2000 und 2012 geborenen und bereits in zweiter Generation "Digital Natives". " Wir sind die Generation, der unbegrenzten technischen Möglichkeiten, die das gesamte Wissen der Menschheit in der Hosentasche trägt", sagt der Erzähler eingangs, der in der Serie immer wieder die dritte - imaginäre - Wand durchbricht und sich aus der Szene heraus direkt an die Zuschauer wendet.
Was hat diese Generation aus ihren unbegrenzten digitalen Möglichkeiten gemacht? Den totalen Chat. Unentwegt poppen in der Serie Fenster verschiedener Chat-Verläufe auf und übertragen so die Unruhe des ständigen Kommunikationszwangs und die drängende Allgegenwart der Sozialen Medien.
Verschränkt ist dies mit allerlei Zutaten klassischer High-School-Filme und Teenie-Vorabend-Serien. Zufällig ist der Vater von Moritz auch noch von Beruf Drogenfahnder. Damit haben sich die Drehbuchschreiber offenbar bewusst eine Anleihe bei der Erfolgsserie "Breaking Bad " gegönnt, um die neue Serie dramaturgisch auf Trab zu halten
Kleinstadt statt Drogenmetropole
Mutig von den Machern wie von Netflix: Die Serie ist nicht etwa in der international immer verkäuflichen Hauptstadt-Kulisse Berlins angesiedelt, sondern in dem kleinen Ort Rinseln: Eine austauschbare fiktive Nullachtfünfzehn-Kleinstadt.
Gedreht wurde im dafür im offenbar ausreichend provinziellen Köln. Die Rheinmetropole, die in manchen Stadtvierteln wirkt wir ein Dorf, ist auch Sitz der Produktionsfirma "bildundtonfabrik". Die verantwortet auch das "Neo Magazin Royale", die beliebte Late-Night-Show von Satiriker Jan Böhmermann.
Ob sich das bisweilen recht klamaukige neue Serienformat aus dem Hause Böhmermann auf dem globalen Streamingmarkt behaupten kann, wird sich erst erweisen müssen.
"How to Sell Drugs Online (Fast) ist seit dem 31. Mai 2019 auf Netflix zu sehen. Bisher sind vier Folgen verfügbar.