Zwischen Gedenken und Streit
13. Februar 2017Was haben drei senkrecht in den Himmel ragende Busse vor der Frauenkirche mit der Bombardierung Dresdens am 13. Februar 1945 zu tun? Die Antwort des Künstlers Manaf Halbouni steht auf einer Tafel neben der temporären Installation, die noch bis zum 3. April zu sehen ist. "Menschliches Leid und zerstörte Städte: Die aktuellen Bilder aus Syrien erinnern uns an die Folgen vergangener Kriege weltweit", kann man dort unter anderem lesen. Für Dresden waren die Folgen vor 72 Jahren verheerend. Mindestens 25.000 Menschen kamen in dem dreitägigen Inferno ums Leben. Die wegen ihrer barocken Schönheit als "Elbflorenz" gepriesene Stadt versank in Schutt und Asche.
Auch Aleppo im Bürgerkriegsland Syrien war mal eine schöne Stadt und ist heute ein Schlachtfeld mit vielen Tausend Toten. 2015 wurden dort vorübergehend Busse hochkant nebeneinandergereiht - als Schutzwall gegen Scharfschützen. Der Unterschied zwischen Dresden und Aleppo: Hier herrscht Frieden, dort weiterhin Krieg. Die Botschaft der drei Busse vor der Frauenkirche: Sie sollen ein Symbol der Hoffnung sein, "für den überwundenen Krieg und den Wiederaufbau". Auch das steht auf der Texttafel neben dem "Monument", wie Halbouni seine Installation benannt hat.
Oberbürgermeister Hilbert: "Symbol des Friedens und der Versöhnung"
Dresdens Oberbürgermeister Dirk Hilbert verteidigt sie gegen alle Widerstände. Seine zum Teil feindseligen Gegner verhöhnten ihn schon bei der Einweihung des Kunstwerks vor einer Woche als "Volksverräter". Am frühen Abend des Jahrestags der Zerstörung Dresdens durch britische und US-amerikanische Bomber steht der Freidemokrat auf einer provisorischen Bühne direkt neben den drei Bussen, die er als "Symbol des Leidens der Zivilbevölkerung, des Friedens und der Versöhnung" bezeichnet.
Hilbert erinnert daran, dass die Stadt und ihre Frauenkirche mit "Hilfe aus aller Welt" wiederaufgebaut wurden. Für Aleppo hingegen gilt: "Auch nach dem Ende der Kampfhandlungen wird es noch Jahrzehnte dauern, bis Chaos und Zerstörungen überwunden sind", wie es auf der Texttafel neben dem "Monument" heißt.
Die Verknüpfung zwischen Dresden und Aleppo, das Gedenken an vergangene und gegenwärtige Kriege entzweit die Dresdner. Das ist am 72. Jahrestag der Bombardierung besonders zu spüren. Schon am Vormittag kommen viele Einheimische und Touristen auf den Neumarkt, um sich das temporäre Mahnmal anzuschauen, das den freien Blick auf die Frauenkirche teilweise verstellt. Manche bleiben still davor stehen, in Gedanken versunken. Andere lesen und fotografieren die Botschaften, die von Unbekannten an dem Kunstwerk angebracht wurden.
Die AfD hätte lieber ein "Monument gegen den Terror"
"Das hätten sie in Nürnberg machen können, da war der große Auftritt der Nazis", sagt eine ältere Frau zu ihrer Begleiterin beim Anblick der drei Busse. Es ist eine Anspielung auf die Stadt der Reichsparteitage von Hitlers NSDAP. Als hätte es in Dresden keine Nazis gegeben. Dass auch von hier, wie aus jeder deutschen Stadt, Juden in die Vernichtungslager deportiert wurden, daran wird im Rahmen dezentraler Gedenkveranstaltungen an jedem 13.Februar erinnert. Dazu gehört auch das unscheinbare Mahnmal auf dem Altmarkt. Jenem Ort, nur wenige hundert Meter von der Frauenkirche entfernt, an dem nach den Bombennächten im Februar 1945 knapp 7000 Leichen verbrannt wurden. An dieser Stelle liegen seit Montagvormittag weiße Rosen, die unter anderem Oberbürgermeister Hilbert dort in Gedenken an die Toten niedergelegt hat.
Die "Alternative für Deutschland" (AfD) will am selben Ort mit einem Kranz der Opfer gedenken - allerdings erst am 14. Februar. Am eigentlichen Gedenktag verteilen AfD-Mitglieder vor den drei Bussen Flyer mit dem Titel "Monument gegen den Terror". Auf der Foto-Collage darunter sind die Frauenkirche und der LKW abgebildet, mit dem der Tunesier Anis Amri kurz vor Heiligabend auf einem Weihnachtsmarkt in Berlin zwölf Menschen getötet hat. Sören gibt sich als Mitglied der AfD zu erkennen. Seinen Familiennamen will der 25-Jährige nicht nennen. Oberbürgermeister Hilbert ist in seinen Augen ein "Heuchler". Leute wie er hätten nur ein Ziel: die Erinnerung an die Bombardierung Dresdens zu tilgen.
"Krieg ist immer etwas Schreckliches"
"Gegen Dummheit ist kein Kraut gewachsen", sagt ein Mann, der am Rande steht. "Die kommen hierher, weil die Sozialleistungen am höchsten sind", will ein Anderer wissen. Er meint damit die Flüchtlinge. Mittendrin steht der Schöpfer der "Monument"-Installation. Manaf Halbouri ist Absolvent der Dresdner Hochschule für Bildende Künste. Geduldig diskutiert er mit den Umstehenden über die Botschaft, die er mit den drei Bussen verbindet. Er sagt das, was jeder auf der Infotafel nachlesen kann.
Als es dunkel wird in Dresden, strömen immer mehr Menschen auf den Neumarkt. Die Busse werden nun von Scheinwerfern indirekt angeleuchtet. Tausende Kerzenlichter flackern vor der Frauenkirche. Und als um 18 Uhr die weithin hörbaren Glocken des Gotteshauses erklingen, verharrt der Neumarkt und mit ihm die ganze Altstadt in Stille. Bis zur Elbe runter fassen sich die vielen Tausend Dresdner und Besucher der Stadt an den Händen. Zehn Minuten verharrt die Menschenmenge so. Seit 2010 gibt es diese Form des Gedenkens. Als Antwort auf Neonazis, die mit Fackeln durch die Stadt zogen. "Krieg ist immer etwas Schreckliches" - auch dieser Satz ist in Dresden zu hören. Er dürfte der kleinste gemeinsame Nenner sein zwischen jenen, die aller Opfer gedenken, und denen, die dabei nur an Deutschland denken wollen.