Außenminister des Weimarer Dreiecks stellen sich Schülerfragen
31. März 2014Die Außenminister von Deutschland, Polen und Frankreich trafen sich am Montag (31.03.2014) nicht irgendwo, sondern am Pariser Platz im Zentrum Berlins. Und es war kein diplomatischer Pflichttermin, sondern ein Wiedersehen dreier Außenminister, die sich zum letzten Mal vor etwas mehr als einem Monat in der Ukraine im Ausnahmezustand getroffen hatten.
Damals vermittelten Frank-Walter Steinmeier (Deutschland), Laurent Fabius (Frankreich) und Radoslaw Sikorski (Polen) im Konflikt zwischen der ukrainischen Oppositionsbewegung und dem inzwischen abgesetzten Staatschef Viktor Janukowitsch. Und sie halfen dabei ein Blutvergießen zu beenden, das allein in den Stunden vor dem Eintreffen der Außenminister des Weimarer Dreiecks rund 100 Menschenleben gefordert hatte. Auf Einladung des Jacques Delors Instituts stellten sich die drei Außenminister jetzt am diesjährigen EU-Projekttag den Fragen von Schülern. Sie mussten erklären, wie Europas Antwort auf das lautet, was nach ihrer Vermittlung passierte: die Annexion der ukrainischen Krim-Halbinsel durch Russland.
Steinmeier: Flächenbrand verhindern
Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier will mit seinen beiden Amtskollegen vor allem ein Ziel verfolgen, sagte er vor den rund 400 Zuhörern, überwiegend Schülern und Journalisten: "Unsere politische Verantwortung besteht jetzt darin, dass aus dem Konflikt um die Krim kein weiterer, größerer europäischer Konflikt wird." Steinmeier begrüßte im Namen der drei Außenminister, dass eine OSZE-Mission mit rund 400 Beobachtern an den ukrainischen Grenzen ihre Arbeit aufnehmen kann, um so mögliche russische Truppenbewegungen festzustellen.
Polens Außenminister Radoslaw Sikorski ergänzte, dass sich die drei Außenminister Polens, Frankreichs und Deutschlands einig in der Ablehnung der russischen Begründung für die Krim-Annexion seien. "Es ist in Europa Konsens, dass es kein Recht gibt, in ein souveränes Land einzumarschieren, um eigene Landsleute schützen zu wollen." Das sei eine Machtpolitik im Stile des 20. Jahrhunderts, so Sikorski, und damit heute nicht mehr hinnehmbar. Deutschlands Außenminister Steinmeier fügte hinzu, er begrüße erste Meldungen von einem Teilabzug russischer Streitkräfte im russisch-ukrainischen Grenzgebiet als ein "kleines Entspannungssignal".
Welche Konsequenzen sie aus der aktuellen Lage ziehen wollen, das hielten die Außenminister in einem gemeinsamen Statement fest, das noch am Abend verbreitet wurde. Darin ist im Namen Deutschlands, Polens und Frankreichs zu lesen: Man wolle sich gemeinsam beim bevorstehenden NATO-Außenministertreffen am Dienstag und Mittwoch (01./02.04.2014) in Brüssel für eine engere Zusammenarbeit mit der Ukraine einsetzen. Zudem wollen die Minister eine Fortentwicklung der sogenannten "östlichen Partnerschaft" anstoßen. Besonders genannt wurden hierbei Nachbarstaaten wie Georgien und Moldau. Die betroffenen Länder sollten nicht mehr vor eine "starre" Entscheidung gestellt werden, "entweder sich der EU anzunähern oder in umfassender Weise mit Russland zusammenzuarbeiten", erklärten die drei Außenminister in dem Schreiben.
Dreierbund als "Stimme Europas"
Die Erklärung, warum die Minister mit ihrer Botschaft an Russland gemeinsam vor die Weltöffentlichkeit treten, lieferte schon am Mittag Polens Ressortchef Sikorski. Er verwies auf den Erfolg der Dreier-Mission in der Ukraine vom 20. und 21. Februar: "Man nimmt unseren Dreierbund als die Stimme Europas wahr." Und das solle man jetzt nutzen, befand Sikorski. Sein französischer Amtskollege Laurent Fabius ergänzte: "Unsere drei Länder mit ihrer unterschiedlichen Geschichte, Kultur und Lage haben die Möglichkeit, gemeinsam anderen EU-Staaten einen Weg aufzuzeigen." Auch bei der Frage, welche Lehren Europa aus der Krim-Krise ziehen müsse, könne das helfen. Dabei gehe es nicht darum, so Fabius, den anderen EU-Staaten eine diplomatische Linie vorzuschreiben, sondern eher darum, als Avantgarde voranzuschreiten.
Als Beispiel nannte der französische Außenminister neue Formen der innereuropäischen Kooperation, die neue Impulse setzen könnten - auch nach außen. Er verwies dabei auf Airbus, also jenen europäischen Flugzeug-Konzern, der aus einer deutsch-französischen Kooperation hervorgegangen war und sich dann zum europäischen Gemeinschaftskonzern weiterentwickelt habe. "Jetzt ist die Frage", so Fabius, "können wir so etwas gemeinsam mit unseren polnischen Freunden entwickeln - beispielweise im Feld der Rüstungsindustrie."
Auch Polens Außenminister sieht in der gegenwärtigen Krim-Krise eine Chance, Europa durch die gemeinsame Bedrohung in Schlüsselbereichen weiter zu einen. So verwies Radoslaw Sikorski auf Europas Abhängigkeit von russischen Gas- und Öllieferungen als ein potenzielles Feld, das mehr EU-Gemeinschaftspolitik verlange. Aktuell bezieht die Europäische Union als Ganzes mehr als ein Drittel ihrer Öl- und Gasimporte aus Russland. Statt jeden EU-Staat einzeln mit Russland verhandeln zu lassen, so Sikorski, könne die EU auch im Stile einer "europäischen Energie-Union" gemeinschaftlich als Einkäufer auftreten, vertreten beispielweise durch die Europäische Kommission. "Wir würden als Gemeinschaft deutlich günstigere Konditionen aushandeln können und wir würden durch die gebündelte Kraft auch viel mehr Versorgungssicherheit gegenüber Russland bekommen."
Krisen zeigen den Wert von Europa auf
Besonders im Hinblick auf ihre jüngeren Zuhörer betonten alle drei Außenminister, dass die Ukraine-Krise erneut den Wert der Europäischen Union und ihrer friedenssichernden Rolle verdeutliche. Polens Außenminister betonte, dass Krim-Krise wie Euro-Krise auch einen Impuls hin zu "mehr Europa" bringen könnten. "Man sieht jetzt ganz deutlich, dass die Alternative zu dem europäischen Modell der Rückfall ins 20. Jahrhundert ist, als das Recht des Stärkeren galt." Deshalb wolle er - auch mit Blick auf die Europawahlen im Mai dieses Jahres - vor allem eine Botschaft an die EU-Bürger aussenden: "Was immer man an Europa berechtigterweise auch auszusetzen hat, die Alternative ist viel schlimmer."