May hat zur Brexit-Krisensitzung geladen
6. Juli 2018Einen neuen Plan unter anderem für die künftigen Handelsbeziehungen mit der Europäischen Union nach dem EU-Austritt unterbreitete Theresa gleich zum Auftakt, und traf sofort auf entschiedenen Widerstand des europaskeptischen Flügels ihrer konservativen Regierung. Die Brexit-Hardliner liefen Sturm gegen das nach und nach bekanntgewordene Konzept der Premierministerin.
May hat ihr seit Monaten in der Europapolitik gespaltenes Kabinett auf den Landsitz Chequers nördlich von London geladen, mit dem Ziel, endlich wegweisende Entscheidungen für die Verhandlungen mit der EU und das spätere Verhältnis zur Gemeinschaft zu treffen. Sie erhofft sich eine Art Befreiungsschlag, tatsächlich wird eine Fortsetzung des Machtkampfes zwischen der Premierministerin und einigen ihrer Minister erwartet.
Bricht das Kabinett auseinander?
Zwölf Stunden sind für die Debatten hinter verschlossenen Türen angesetzt, die Teilnehmer mussten ihre Handys abgeben, um Geheimhaltung zu wahren. Britische Medien spekulieren bereits über mögliche Rücktritte von sechs oder sieben Brexit-Hardlinern in den nächsten Tagen. Eine Gruppe der Ablehnungsfront aus dem Kabinett, darunter Außenminister Boris Johnson, hatte sich versammelt, um eine gemeinsame Reaktion vorzubereiten: Sie halten Mays Pläne laut einem Bericht der Zeitung "Daily Telegraph" für "inakzeptabel" und warnen vor dem Ende der Regierung.
Die Uneinigkeit im Lager der regierenden Tories lähmt auch die Brexit-Verhandlungen in Brüssel. Dabei drängt die Zeit: Großbritannien wird sich am 29. März 2019 von der EU trennen. EU-Ratspräsident Donald Tusk hatte von Großbritannien verlangt, in einem "letzten Aufruf" zu erläutern, wie es sich den Brexit vorstelle.
Massive Kritik aus der Wirtschaft
Laut Medienberichten spricht sich May für eine Anpassung an die europäischen Regeln beim Handel mit Gütern aus, auch im Bereich Landwirtschaft und Lebensmittel. Kritiker befürchten, dass derartige Regelungen nach dem Brexit einem möglichen Handelsabkommen mit den USA im Wege stehen könnten.
Das Gerangel um den Abschied aus der EU verunsichert zunehmend auch Unternehmen; ihnen fehlt Planungssicherheit. Die britische Regierung habe "keine Ahnung und keine Einigkeit, wie sie den Brexit ohne ernsthaften Schaden umsetzen kann", beklagte nun auch Airbus-Chef Tom Enders vor Journalisten in London. Der Luftfahrt- und Rüstungskonzern mit Sitz in Toulouse beschäftigt in Großbritannien 14.000 Mitarbeiter an 25 Standorten.
Verwirrung nach Seehofer-Brief
Für Irritationen in Brüssel und Berlin sorgte am Freitag auch Bundesinnenminister Horst Seehofer. In einem Brief, aus dem die Zeitung "Financial Times" und die Deutsche Presse-Agentur zitieren, hatte der CSU-Chef das Team um EU-Chefunterhändler Michel Barnier gedrängt, in Sicherheitsfragen nach dem EU-Austritt eine "unbegrenzte Zusammenarbeit" mit Großbritannien anzustreben. Ein Sprecher Barniers erklärte dazu nur knapp, das sei "nicht die Position des Europäischen Rates einschließlich Deutschlands".
SC/rb (afp, rtr, dpa)