"Dramatische Gesamtlage" in Afghanistan
23. Juni 2022In Afghanistan kommen internationale Teams den Überlebenden der Erdbeben-Katastrophe zur Hilfe: Die Vereinten Nationen brachten nach eigenen Angaben Tonnen an medizinischen Gütern sowie Chirurgen und andere Ärzte in die betroffenen Regionen an der Grenze zu Pakistan. Dringend geboten seien auch die Errichtung von Notunterkünften, Nahrungsmittelhilfe sowie die Bereitstellung von Wasser und sanitären Einrichtungen, hieß es.
Die ersten Flugzeuge mit Hilfsgütern sind inzwischen gelandet, wie Regierungssprecher Sabihullah Mudschahid auf Twitter mitteilte. Die pakistanische Regierung schickte Lastwagen mit Zelten, medizinischen Gütern und Lebensmitteln in das Gebiet. Heftige Regenfälle behindern den Rettungs- und Bergungseinsatz. Weil die Kommunikation wegen zerstörter Mobilfunkmasten und Stromleitungen gestört ist, bleibt das Lagebild weiterhin unvollständig.
Der Sondergesandte der Europäischen Union für Afghanistan, Tomas Niklasson, twitterte, die EU stehe "bereit, Nothilfe zu koordinieren und zu liefern". Auch Deutschland sicherte dem afghanischen Volk Unterstützung zu.
Suche nach Opfern dauert an
"Wir glauben, dass fast 2000 Häuser zerstört wurden", sagte der UN-Koordinator für humanitäre Hilfe in Afghanistan, Ramiz Alakbarov. Da die durchschnittliche afghanische Familie sieben bis acht Mitglieder habe und oftmals mehrere Familien unter einem Dach lebten, seien vermutlich sehr viele Menschen obdachlos geworden.
Die Zahl der Todesopfer wurde von den Behörden zuletzt mit mindestens 1000 angegeben. Helfer hoben für sie Massengräber aus. Hunderte Menschen erlitten Verletzungen. "Es wird erwartet, dass die Zahl der Opfer noch steigen wird, da die Such- und Rettungsmaßnahmen andauern", teilte das UN-Nothilfebüro (OCHA) mit.
Das Beben verschärft im Land die humanitäre Situation, die infolge des Abzugs der westlichen Truppen und der Machtübernahme der Taliban im August 2021 ohnehin schon katastrophal war. "Afghanistan befindet sich in einer dramatischen Gesamtlage", betonte der Landesdirektor der Welthungerhilfe in Kabul, Thomas ten Boer. "Klar ist, dass das Land die Auswirkungen mit eigenen Kräften kaum bewältigen kann." Das betreffe die unmittelbare Katastrophenhilfe, aber auch den Wiederaufbau.
Das Hauptbeben der Stärke 5,9 (laut US-Erdbebenwarte USGS) hatte viele Menschen am frühen Mittwochmorgen (Ortszeit) im Schlaf überrascht. Ein zweites Beben der Stärke 4,5 erfolgte fast am selben Ort zur selben Zeit.
Erdbeben sind in Afghanistan und vor allem in der Bergkette Hindukusch keine Seltenheit. Wegen der mangelhaften Bausubstanz vieler Häuser sind die Schäden oft besonders verheerend.
wa/mak (epd, dpa, afp)