"Neuauszählung ist sehr unwahrscheinlich"
18. Januar 2019DW: Der unterlegene Oppositionskandidat Martin Fayulu glaubt nicht an die Richtigkeit der offiziellen Resultate der kongolesischen Präsidentschaftswahl. Er ist damit nicht allein: Am Donnerstagabend äußerte auch die Afrikanische Union Zweifel. Fayulus Parteienbündnis Lamuka hat beim Verfassungsgericht des Landes Einspruch gegen die von der Wahlkommission vorgelegten Ergebnisse eingelegt . Er und seine Mitstreiter fordern eine Neuauszählung der abgegebenen Stimmen. Was ist der aktuelle Stand des Verfahrens?
Janosch Kullenberg: Derzeit wird verhandelt, ein Ergebnis wird Freitag (18.01.2019) erwartet. Das Gericht hat aber offiziell acht Tage Zeit und auch darüber hinaus sind Verzögerungen durchaus möglich. Die politische Situation ist gerade sehr angespannt und das Urteil könnte Konflikte im Land verstärken.
Welche Entscheidungsmöglichkeiten hat das Gericht denn, welche Szenarien sind denkbar?
Gerade werden vier Szenarien diskutiert. Das erste Szenario wäre, dass die vorläufigen Resultate anerkannt werden, also die Klage Fayulus abgelehnt wird. Das wäre für die Regierung Joseph Kabilas der direkteste Weg, hat aber das größte Risiko von Protesten und auch internationaler Einflussnahme. Das zweite Szenario wäre eine Neuauszählung der Stimmen. Das halte ich persönlich für sehr unwahrscheinlich, weil es ein sehr hoher logistischer Aufwand wäre und nicht im Interesse von Kabila oder dem offiziellen Wahlsieger Félix Tshisekedi ist.
Ein drittes Szenario wäre die Veröffentlichung der Wahlergebnisse pro Wahlbüro. Das wäre relativ einfach zu machen, aber das halte ich auch für unwahrscheinlich, weil es nicht im Interesse der genannten Parteien ist. Und ein viertes Szenario wäre, dass man die Wahlen annulliert und Neuwahlen verlangt. Das ist das Szenario, das viele Beobachter gerne vermeiden würden, weil es der Regierung die Möglichkeit bietet, den Machtwechsel noch weiter hinauszuzögern.
Es gibt Stimmen, die mit Blick auf frühere Entscheidungen des Gerichts an seiner Unabhängigkeit zweifeln. Ist das Gericht Ihrer Ansicht nach überhaupt in der Lage, in der Krise, in dem Konflikt unparteiisch zu urteilen?
Das Gericht wird weithin als voreingenommen angesehen, übrigens auch von dem Kläger Fayulu selbst. Bei der Nominierung der neuen Richter 2014 beschwerte sich die Opposition schon, dass Prozeduren, die eine ausgewogene Auswahl der Richter garantieren sollten, nicht eingehalten wurden. Die Mitglieder des Gerichts wurden damals von der Präsidentenmehrheit bestimmt. 2018 ist dann ein Richter gestorben und zwei Mitglieder des Gerichts sind zurückgetreten. Und auch da wurden die drei neuen Richter quasi von der Regierung benannt. Deswegen ist eigentlich nicht damit zu rechnen, dass dieses Gericht juristisch unabhängige Entscheidungen treffen wird, im Gegenteil. Es ist davon auszugehen, dass die Entscheidung eine politische Entscheidung im Interesse Kabilas sein wird.
Sie haben angesprochen, dass Fayulu selbst nicht an die Unabhängigkeit des Verfassungsgerichts glaubt. Warum dann überhaupt dieser Schritt, warum versucht er es mit dieser Klage?
Ich gehe davon aus, dass er die legitimen Mittel im Staat erst mal versucht, in Anspruch zu nehmen und darüber hinaus auch gar nicht so viele andere Möglichkeiten hat.
Welche Möglichkeiten blieben ihm denn noch, sollte das Gericht seiner Klage nicht folgen?
Es ist bekannt, dass seine Unterstützer Moise Katumbi und Jean-Pierre Bemba im Ausland versuchen, Unterstützung zu gewinnen und versuchen, diese Entwicklung zu skandalisieren. Es ist allerdings fraglich in der jetzigen Situation, ob innerhalb der Europäischen Union, aber auch in der Afrikanischen Union oder der Entwicklungsgemeinschaft des südlichen Afrika (SADC) eine durchsetzungsfähige Mehrheit entstehen kann, die es dann auch noch schafft, genügend Druck auf kongolesische Regierung auszuüben.
Eine baldige Lösung dieses Konflikts ist also nicht in Sicht?
Ich gehe davon aus, dass sich Kabila auch diesmal wieder durchsetzen wird. Wir haben bis jetzt feststellen können, dass Kabila auf Lücke boxt. Er hat ein klares Ziel aber keine festgelegte Strategie, wie er dieses Ziel erreicht. Welches der vier genannten Szenarien die Regierung im Sinne des Machterhalts für das beste hält, wird sie vermutlich erst kurz vorher entscheiden."
Janosch Kullenberg ist Politikwissenschaftler und Fellow an der Bremen International Graduate School of Social Sciences (BIGSSS). Er forscht und publiziert zur Demokratischen Republik Kongo unter anderem für das Londoner International Institute for Strategic Studies (IISS).
Interview: Jan Philipp Wilhelm