Bosz' Beton hält
22. September 2017"Die Offensive gewinnt Spiele, die Defensive Meisterschaften", sagte Dortmunds Torhüter Roman Bürki nach dem 3:0 der Dortmunder Borussia beim Hamburger SV mit einem Grinsen und verblüffte seine Zuhörer mit dieser ziemlich unverblümten Kampfansage an die Bayern.
Ansonsten gaben sich Spieler und Verantwortliche alle Mühe, den famosen Liga-Start des BVB als Momentaufnahme abzutun. Vier Siege und ein Remis haben die Schwarzgelben momentan auf dem Konto und stellen dazu mit 13 Toren nicht nur die beste Offensive der Liga, sondern überstanden auch die ersten fünf Spieltage ohne ein Gegentor.
Sogar in Europa spitze
Das gab es in der Bundesliga-Historie noch nie. Sogar europaweit ist Dortmund spitze. Einzig AEK Athen hat ebenfalls eine weiße Weste, hat aber auch erst vier Spiele absolviert.
"Wieder kein Gegentor, wieder drei Tore gemacht - ich bin stolz auf meine Mannschaft", lobte der neue Trainer Peter Bosz. Der Niederländer ist der erste Bundesliga-Neuling, dem dieses Kunststück gelang.
Die Mannschaft blieb im Sommer zusammen
Die Gründe für die Dortmunder Stabilität sind recht schnell gefunden. Anders als noch in der vergangenen Saison musste die Borussia keinen personellen Aderlass über sich ergehen lassen, als Leistungsträger wie Mats Hummels, Ilkay Gündogan und Henrikh Mkhitaryan den Verein verließen. Die Mannschaft blieb weitestgehend zusammen, ist eingespielt und wurde nur punktuell verstärkt.
Mit Ömer Toprak kam ein gestandener Bundesliga-Spieler und türkischer Nationalspieler. Der Neuzugang von Bayer Leverkusen füllt die Lücke, die sich durch den Hummels-Abgang zwangsläufig in der Innenverteidigung der Borussia aufgetan hatte. Zusammen mit Sokratis bilden die beiden ein fast unüberwindbares Verteidigerpärchen.
Nur 6,8 Torschüsse ließ der BVB zu
Folgende Zahlen unterstreichen diese starke Entwicklung: Nur 6,8 gegnerische Torschüsse pro Spiel ließ der BVB in den fünf Ligaspielen zu, weniger als ein Viertel davon ging auch wirklich auf das Tor. Es ist der beste Wert in der Bundesliga.
"Unser System ist offensiv ausgerichtet, aber wir arbeiten nach hinten mit viel Pressing dagegen", erklärte Kapitän und Abwehrchef Sokratis das Dortmunder Erfolgsrezept.
Dahoud und Philipp überzeugen, Pulisic vor dem Durchbruch
Zudem kamen mit Maximilian Philipp vom SC Freiburg und Mahmoud Dahoud von Borussia Mönchengladbach zwei glänzende Nachwuchskräfte mit großartigen Möglichkeiten. Sie scheinen sich beim BVB langsam auf die nächsthöhere Ebene vorzuarbeiten.
Dahoud bereitete schon zwei Tore vor, Philipp war beim 5:0 gegen Köln einer der auffälligsten Spieler, als er zwei Mal traf. Hinzu kommt Christian Pulisic, der in seiner dritten Saison beim BVB kurz vor dem Durchbruch steht.
Glücksgriff Jarmolenko
Bei den Abgängen hatte die Borussia Glück. Einzig der Verlust von Ousmane Dembélé zum FC Barcelona tat sportlich weh, war aber aufgrund des Streiks des Franzosen nicht mehr zu verhindern.
Allerdings scheinen die Schwarzgelben in Andrej Jarmolenko bestmöglichen Ersatz gefunden zu haben. Der Ukrainer kommt bei der Borussia immer besser in Schwung, spielte die HSV-Abwehr ein ums andere Mal schwindelig und bereitete erneut einen Treffer vor. Der 1,89 Meter große Flügelflitzer ist trotz seiner Körpergröße enorm wendig und technisch beschlagen.
Torgarant Aubameyang unersetzbar
"Er ist ein Top-Spieler und bringt uns nach vorne", sagte Nuri Sahin: "Aus der Ukraine zu kommen und sich so zu integrieren, das ist charakterstark." Über Dembélé spricht in Dortmund schon keiner mehr.
Als echter Trumpf entpuppt sich beim BVB aber vor allem der Angriff: Pierre-Emerick Aubameyang traf im neunten Spiel gegen seinen Lieblingsgegner aus der Hansestadt zum neunten Mal - gegen kein anderes Team gelang ihm das so oft, allein sechsmal in den jüngsten drei Partien.
Es dürfte die größte Leistung von Klubboss Hans-Joachim Watzke und Sportchef Michael Zorc gewesen sein, den Stürmer aus Gabun in der Sommerpause gehalten zu haben. Sein Abgang wäre wohl nicht zu kompensieren gewesen.
Ein Wermutstropfen bleibt die Niederlage in der Champions League gegen Tottham Hotspur (1:3), als das Dortmunder Defensivkonzept nicht funktionierte. In der Königsklasse steht der BVB damit schon gehörig unter Druck. Der nächste Gegner ist am Dienstag Titelverteidiger Real Madrid.
Etwas relativierend muss man auch analysieren, dass die Gegner der Borussia zu Saisonbeginn nicht zu den Top-Kräften der Liga zählten: Wolfsburg, Hertha, Freiburg, Köln und Hamburg haben nicht die spielerische Qualität, um die Hintermannschaft des BVB dauerhaft unter Stress zu setzen. Am Samstag gegen die Borussia aus Mönchengladbach (18.30 Uhr MESZ) wird der Pokalsieger schon anders gefordert werden.