Trump ohne Ukraine-Strategie
25. Mai 2016DW: Donald Trump hat wiederholt die NATO angegriffen - immerhin einen Pfeiler der transatlantischen Sicherheitspolitik seit Ende des Zweiten Weltkriegs. So drohte er mit einem Rückzug der USA, wenn die anderen NATO-Mitglieder nicht mehr bezahlen würden und bezeichnete die Allianz als "obsolet". Wie würde also die NATO und die transatlantische Partnerschaft unter einem Präsident Trump aussehen?
Walid Phares: In seinen Ausführungen im Vorwahlkampf hat er möglicherweise die extremen Szenarien dargestellt. Aber anschließend erklärte er, was er meinte, dass nämlich die Organisation nicht obsolet ist, sondern, dass die Rolle, die sie jetzt hat, angepasst werden muss. Die NATO wurde während des Kalten Krieges gegründet, ihre Bürokratie basierte auf der schweren Aufgabe der Mobilisierung während des Kalten Krieges. Was er will, sollte er Präsident werden, ist einen Gipfel mit den Führern der NATO, um die Struktur und die Ziele zu überprüfen. Man will die Organisation grundsätzlich erhalten, aber man muss in einen Dialog über die Änderung der Ziele und die Änderung der Struktur eintreten.
Zum Beispiel, wird er über die wachsende Terror-Bedrohung in Europa, in den Vereinigten Staaten und natürlich im südlichen Mittelmeer sprechen. Und er würde empfehlen, dass die NATO sich auf diese Situation einstellt. Und dass auch die Schwerfälligkeit der Bürokratie verringert wird. Der wichtigste und umstrittenste Punkt ist die finanzielle Lastenteilung. Er will eigentlich keinen Rückzug aus der NATO, aber er will über die Beteiligung der NATO-Mitglieder neu verhandeln.
Es würde also keinen US-Rückzug geben, wenn er die Europäer nicht überzeugen könnte, mehr Geld für die NATO auszugeben?
Er würde die USA prinzipiell nicht aus der NATO zurückziehen. Er hat einen Hintergrund in internationalen Wirtschaftsverhandlungen - wenn wir dass Ziel nicht erreichen, beende ich die Verhandlungen. Aber die Realität ist, dass er als Präsident der Vereinigten Staaten den Kongress konsultieren würde, er würde die verschiedenen Behörden konsultieren und natürlich die Verbündeten. Das Rückzugs-Szenario hat er natürlich erwähnt, aber was er damit meint, ist, dass er in Verhandlungen über die Strukturänderungen der Organisation sehr hart sein würde.
In ihrer Aufgaben-Liste für die NATO tauchen Russland und Osteuropa nicht auf. Wie sieht Trumps Strategie bei diesem Thema aus?
Dabei muss man differenzieren: In Bezug auf die verschiedenen Blöcke innerhalb der NATO, zum Beispiel die traditionellen Verbündeten in Westeuropa, die Mittelmehrstaaten, die auch vor einer anderen Herausforderung stehen, wie Italien, Griechenland und Spanien und dann Zentral- und Osteuropa. Besonders in Osteuropa gibt es einige Mitglieder, die sehr besorgt sind wegen ihrer Beziehungen mit Russland. Er wird dies berücksichtigen. Er ist prinzipiell dagegen, Partner und Verbündete fallen zu lassen. Er kritisiert die Obama-Clinton-Administration dafür, andere Länder im Stich zu lassen, zum Beispiel Ägypten oder auch Israel und die Golfstaaten in Bezug auf die Beziehungen mit Iran. Trump will niemanden im Stich lassen. Aber er will gleichzeitig auch, dass die stärkeren Kräfte innerhalb der NATO ihren Beitrag erhöhen, damit die amerikanischen Steuerzahler wissen, dass das, was sie für das Ausland bezahlen, sinnvoll ist, denn er wird wirtschaftlich Prioritäten zu Hause setzen.
Das Verhältnis mit Russland ist ein anderes Thema. Aber es steht in Verbindung mit der NATO. Er will versuchen, sich mit der russischen Führung zusammenzusetzen und dann Deals aushandeln oder Gemeinsamkeiten bei verschiedenen Themen finden. Es gibt beispielsweise Themen, wo Amerika und Russland sehr schnell auf einen gemeinsamen Nenner kommen könnten. Und dies gilt es auszuweiten, zum Beispiel natürlich bei der Anti-Terror-Strategie. Wo auch immer ISIS ist, oder Al Kaida, oder andere Jihadisten, er weiß, dass Russland mehr unter der jihadistischen Bedrohung leidet, als alle NATO-Mitglieder, weil die Jihadisten leichter nach Russland eindringen können. Deshalb würde er versuchen, einen gemeinsamen Nenner zu finden. Wo er keinen gemeinsamen Nenner finden kann, wird er klare Linien ziehen und diese klare Linie wird die Souveränität der NATO-Mitgliedsländer sein.
Sie haben den Ukraine-Konflikt, das sicherlich größte Hindernis für eine Verbesserung der Beziehungen mit Russland, nicht erwähnt. Wie würde Trump damit umgehen?
Dazu hat er bislang noch keine Strategie entwickelt. Wir wissen, dass er in seinen Reden gesagt hat, dass sich das Verhältnis zwischen Russland und der NATO in eine Krise verwandelt hat, seit der Invasion der Krim und den Ereignissen innerhalb der Ukraine. Aber er hat noch keine Politik diesbezüglich entwickelt. Aber ich nehme an, und jetzt gehe ich darüber hinaus, was er gesagt hat, dass die nächste Phase der Beziehungen mit Russland auch eine Lösung, und zwar eine haltbare, des Konflikts in der Ukraine beinhalten sollte. Wie das aussehen könnte, weiß ich nicht, weil er sich mit diesem Fall noch nicht befasst hat.
In seiner Kritik an den amerikanischen Verbündeten ging Trump auch mehrmals auf Deutschland ein. So fragte er zum Beispiel, warum "Deutschland sich nicht im Rahmen der NATO mit der Ukraine befasst". Ist Trump nicht bewusst, dass Deutschland eine wichtige Rolle spielte und spielt - beim Versuch den Ukraine-Konflikt zu lösen ?
Herr Trump hat diese Aussagen gemacht. Er wird sicher diesbezüglich informiert werden. Er befindet sich im Übergang von den Vorwahlen zur nationalen Wahl und er hat bereits die ersten Briefings von den nationalen Sicherheitsbehörden erhalten. Und nach der Parteiversammlung wird er noch weitere Briefings zu diesen Themen erhalten. Bezüglich der nicht erkennbaren oder unsichtbaren Rolle Deutschlands gegenüber Russland wird er von den Regierungsbehörden informiert werden.
Generell will Herr Trump im Hinblick auf Deutschland die guten Beziehungen zu einem wichtigen, historischen Verbündeten in Europa erhalten. Und er würde es prinzipiell befürworten, wenn Deutschland wie auch Großbritannien und Frankreich und andere, eine stärkere Rolle bei der Einigung Europas und bei ihren eigenen Ausgaben bei den NATO-Einsätzen, wie derzeit beispielsweise in Afghanistan, spielen würden.
Im Hinblick auf Russland würde er sich mit den Führern von Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien und anderer NATO-Staaten treffen, um einen neue gemeinsame Strategie zu entwerfen. Ich kann aber nicht von heute bis Februar nächsten Jahres vorhersagen, wie die Position einer Trump-Administration dann aussehen wird.
Im Kampf gegen Terrorismus hat Donald Trump sich für die Wiedereinführung von Foltermethoden wie dem sogenannten Waterboarding ebenso ausgesprochen wie auch dafür, Familien von mutmaßlichen ISIS-Extremisten ins Visier zu nehmen. Beides verstößt gegen internationales Recht. Sind Sie der Ansicht, dass diese Maßnahmen die USA besser vor Terrorismus schützen würden und wie würde sich dies auf das internationale Ansehen der USA auswirken?
Da diese Aussagen während der Vorwahl gemacht wurden, sollten diese Fragen, wenn möglich, an ihn gerichtet werden. In Bezug auf jede Art von Strategie, die er verkündet oder angedeutet hat - nochmals, er hat diese Aussagen während Wahlkampfauftritten in den Vorwahlen getätigt – war aus unserer Sicht das psychologische Ziel klarzustellen, dass er alles nur irgend mögliche machen würde, um das amerikanische Volk zu schützen.
Was die Details angeht, und dies hat er auch vergangene Woche gesagt, wird er die Behörden konsultieren um festzustellen, was möglich ist und was nicht, was notwendig ist und was nicht, was legal ist und was nicht. Er hat in seinen anderen Bemerkungen sehr deutlich gemacht, dass er diese Ankündigungen überprüfen wird im Hinblick auf amerikanisches und internationales Recht. Dies ist Teil eines möglichen Übergangsprozesses hin zu einer Regierung und er wird darüber nicht nur mit seinem wachsenden Beraterstab, sondern auch mit den Behörden sprechen, die ihn über die Auslegung dieser Strategie beraten werden. Er unterscheidet zwischen einer Aussage um eine Richtung im Kampf gegen den Terrorismus zu unterstützen und wie es später in Wirklichkeit aussieht.
Bedeutet das, dass wir die Dinge, die er auf Wahlkampfveranstaltungen zu außenpolitischen Themen sagt, nicht ernst nehmen sollten?
Nein, dass wäre die typische Reaktion der Medien, wenn wir versuchen zu erklären, dass wenn er eine Bemerkung macht, dann meint er es auch so in dem Moment in dem er die Bemerkung macht. Aber er selbst hat später weitere Bemerkungen gemacht und gesagt, dass er darüber mit Beratern sprechen will. Als Präsident will man die offizielle Beziehung zwischen dem Präsidenten und dem Kongress nutzen, um die Legalität von Dingen einzuschätzen. Wenn er eine Aussage tätigt, dann meint er es auf jeden Fall so. Aber wenn er dies politisch umsetzen will, dann muss er dafür die notwendigen Behörden und Einrichtungen konsultieren. Und zu dieser Zeit könnte man ihm die Frage stellen, ob er immer noch überzeugt ist, dass so etwas die nationale Sicherheit fördert oder nicht.
Walid Phares ist ein außenpolitischer Berater von Donald Trump. In gleicher Funktion war er zuvor für den früheren republikanischen Präsidentschaftskandidaten Mitt Romney tätig.
Das Interview führte Michael Knigge.