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Literatur

Don DeLillo zum 85. Geburtstag

Sven Töniges
20. November 2021

Seit gut 50 Jahren konfrontiert der Schriftsteller Don DeLillo seine Leserschaft mit seinem kritischen Blick auf die US-amerikanische Gesellschaft.

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Porträtfoto Don DeLillo
"Die Stille" von Don DeLillo, 85, erschien im Oktober 2020Bild: Sebastien Nogier/dpa/picture alliance

Seine Eltern waren Einwanderer aus Italien. Einfache Leute, wie er einst in einem Interview sagte, die in die USA gekommen seien, weil sie Arbeit suchten. Dort wurde am 20. November 1936 Don DeLillo geboren, in der New Yorker Bronx. Hier wuchs er auf, hier machte er seine ersten Erfahrungen. Genug Stoff, um damit Bücher zu füllen, er aber zog den Fokus ganz bewusst weiter, wie er sagt. Es sei der gleiche Impuls gewesen, dem auch seine Eltern gefolgt waren: Er wollte sich mit der gesamten neuen Gesellschaft auseinandersetzen. Und nicht nur mit den drei Straßen von Little Italy, in denen er aufwuchs.

Und diesen Anspruch hat der Autor zweifellos eingelöst - in 18 Romanen, die ihn zu einer prägenden Gestalt jenes postmodernen Aufbruchs in der Literatur nach den 1960er-Jahren und zum seit Jahrzehnten gehandelten Kandidaten für den Literaturnobelpreismachten. Wohingegen sich DeLillo selbst lieber schlicht als "amerikanischen Roman-Autor" bezeichnet.

Auszeichnung für sein Lebenswerk

Bei DeLillo zu Hause wurde ein wilder Mix aus Italienisch und Englisch gesprochen. Seine Großmutter sprach auch nach 50 Jahren in den Vereinigten Staaten kein Englisch. Enkel Don aber avancierte zur global gehörten Stimme der US-Literatur.

Buchcover I Don DeLillo I Weißes Rauschen
Der Roman "White Noise" erhielt 2015 den National Book AwardBild: KiWi Verlag

1985 erhielt er für seinen Bestseller-Roman "Weißes Rauschen" (Original: "White Noise") den National Book Award- eine der wichtigsten Literaturauszeichnungen in den USA. 2015 erkannte ihm die Jury schließlich den Ehrenpreis für sein Lebenswerk zu. Für dieses hatte er bereits 2013 den renommierten "Library of Congress Prize for American Fiction" erhalten. 

Aus diesem Lebenswerk ragt DeLillos buchstäbliches Opus magnum, "Unterwelt" ("Underworld") von 1997, heraus. Der 1000-Seiten-Roman schließt verschiedene Ereignisse der US-Nachkriegsgeschichte kurz. Etwa einen legendären Baseball-Home-Run der New York Giants der zum Sieg im Derby gegen die Brooklyn Dodgers führte - just in dem Moment, als FBI-Chef J. Edgar Hoover von der Zündung der ersten sowjetischen Wasserstoffbombe erfährt.

400 Seiten über "Sieben Sekunden"

Seinen eigenen scharfen Blick auf die jüngere US-Zeitgeschichte warf DeLillo 1988 mit "Libra". Die deutsche Übersetzung des halb-dokumentarischen Romans trägt den Titel "Sieben Sekunden". Der Roman begleitet über gut 400 Seiten den Kennedy-Attentäter Lee Harvey Oswald, bis zu den sieben Sekunden, die der ungeübte Schütze angeblich brauchte, um den Abzug des Gewehrs zu betätigen, mit dem er auf den US-Präsidenten zielte. "Die sieben Sekunden, die das Genick des amerikanischen Jahrhunderts brachen", heißt es im Roman.

"Die Stille" nach der digitalen Apokalypse

Buchcover I Don DeLillo I Die Stille
Literarischer Meilenstein: Don DeLillos "Die Stille" von 2020Bild: KiWi Verlag

Inzwischen ist der Zeitdiagnostiker Don DeLillo in der Zukunft angelangt - in einem post-pandemischen New York des Jahres 2022. In seinem Roman "Die Stille" (Original "The Silence", erschienen im Oktober 2020) haben sich fünf Menschen in einem Apartment in Manhattan verabredet, um das Finale der American Football League zu sehen. Doch plötzlich werden alle Bildschirme und die ganze Lower Eastside schwarz - ein Stromausfall offenbart die ganze Verletzlichkeit unserer durch-digitalisierten Welt. Der Roman umkreist die Frage, "was dann wirklich geschehe, mit den Menschen, die in ihren Telefonen leben?"

Und so ist Don DeLillo mit seinen Kernthemen Katastrophe und Medienkritik vor seinem 85. Geburtstag auch literarisch wieder in New York angekommen, der Stadt, in der weiterhin lebt.