Diskussion um infektiöses Segelrevier in Rio
1. September 2015Die Bilder seiner entzündeten Beine gingen um die Welt, und das Telefon stand nicht mehr still. Segler Erik Heil hatte sich bei den Testregatten im olympischen Segelrevier vor Rio de Janeiro, in der verdreckten Guanabara-Bucht, schmerzhafte Infektionen eingefangen. So wurde der Deutsche unfreiwillig zum Sinnbild für die großen Sorgen vor den Olympischen Spielen 2016.
Die Infektionen schwächten den Körper des 26-Jährigen, verursachten starke Schmerzen und machten eine Operation unumgänglich. "Mein Immunsystem hat einfach schlapp gemacht", sagte Heil dem Sport-Informations-Dienst (SID). Heil hatte Glück: Obwohl die auslösenden Bakterien als MRSA, also als multiresistente Keime, die sogenannten Krankenhausbakterien, identifiziert wurden, schlug die Behandlung mit Infusionen und die Einnahme eines Breitband-Antibiotikums an. "Nachdem ich die letzten Tage komplett flach gelegen habe, geht es mir jetzt schon besser", sagte Heil und appellierte an die Olympia-Organisatoren: "Sie sollten alles in ihrer Macht Stehende für eine Säuberung der Gewässer unternehmen." Eine Verlegung der olympischen Regatta 2016 fordert der Steuermann nicht. Das anspruchsvolle Revier, in dem er vor zwei Wochen Dritter bei der olympischen Generalprobe wurde, liegt ihm undseinem Vorschoter Thomas Plößel.
Lochbrunner: "Gesundheit wichtiger als Spiele"
Andreas Lochbrunner, Präsident des Deutschen Segler-Verbands (DSV) forderte eine medizinische Auswertung des Testevents im Olympia-Revier an. "Die Olympischen Spiele sind wichtig, aber wenn man sich dabei einer Gesundheitsgefährdung aussetzt, dann sage ich: Das kann es nicht sein. Das ist unser klares Statement", sagte Lochbrunner. Noch wartet er auf ein Ergebnis der Analyse.
Wenn die Causa Heil kein Einzelfall sei, dann "müsse sich etwas tun", sagte Lochbrunner, der im engen Austausch mit anderen Nationalverbänden und der Weltsegel-Föderation ISAF steht. Und der auch den Fall des koreanischen Surfers Wonwoo Cho mit Sorge verfolgte, der beim Testevent wegen Kreislaufschwierigkeiten und Erbrechen zwischenzeitlich in ein Krankenhaus eingeliefert werden musste.
Rio läuft die Zeit weg
Schon vor Monaten hatte der DSV eigene Proben aus der Bucht mit alarmierenden Resultaten an die ISAF weitergeleitet, auch dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) und Rios Olympia-Machern ist der Grad der Verschmutzung ein Jahr vor den Sommerspielen sehr präsent. "Es ist gut, dass ein Großevent dafür sorgt, dass das Thema angegangen wird", sagte Segel-Ikone Jochen Schümann und verwies auf die Entwicklung in Barcelona. Auch dort hätten die Gewässer vor Olympia 1992 einem "Drecksloch" geglichen. Mit dem Großevent habe sich die Situation vor der Küste Kataloniens dann nachhaltig verbessert.
Doch den Olympiaplanern rennt die Zeit davon. Und wenn sich die Situation in den kommenden Monaten nicht entscheidend verbessert, dürften die Segel-Verbände darauf drängen, die drei geplanten Strecken in der Bucht zu streichen. Und stattdessen nur Reviere zu nutzen, die weiter draußen auf dem Meer liegen. Dort, wo die Wasserqualität besser ist. Zum Schutz der Sportler.
Man bleibe optimistisch, dass alle nötige Arbeit rechtzeitig erledigt werde, teilte die ISAF in einer Reaktion auf Heils Erkrankung mit. Darauf wird sich der Athlet allerdings nicht mehr verlassen. Nachdem ihm unter anderem ein acht Zentimeter langer Entzündungsherd in einer qualvollen Prozedur entfernt wurde, plant er künftig, sich in der Guanabara-Bucht unter anderem mit Plastiküberzügen gegen Keime und den herumschwimmenden Müll zu schützen.
asz/ck (sid)