Dinosaurierzähne als Thermometer
9. August 2011Ein einzelner Dinosaurierzahn kann viele Geheimnisse enthüllen. Dem Forscher Thomas Tütken von der Universität Bonn ist es zusammen mit amerikanischen Kollegen gelungen, anhand der chemischen Zusammensetzung des Zahnschmelzes die Körpertemperatur zu bestimmen.
"Zähne deshalb, weil Zahnschmelz im Vergleich zu Knochen einen viel höheren Mineralanteil hat", sagt Thomas Tütken, Geochemiker an der Universität Bonn. "Der Zahnschmelz hat quasi keine Porenräume und die Kristalle des Minerals, aus dem er besteht sind auch größer", erklärt der Forscher. Damit sei Zahnschmelz sehr stabil.
Seltene Isotope sind der Schlüssel
Tütken erhielt die Zähne von Museen, fräste davon etwa 0,15g ab, etwa soviel wie zwei Prisen Salz. Dann löste er den Zahnschmelz in hundertprozentiger Phosphorsäure auf, und aus dem Carbonatanteil des Zahnschmelzes wurde Kohlenstoffdioxid freigesetzt.
Dieses CO2 untersuchten die Wissenschaftler dann auf seine genaue Kohlen- und Sauerstoffisotopenzusammensetzung. Dabei suchten sie gezielt nach den seltenen, schweren Isotopen 13C und 18O.
"Uns interessiert, wie oft ein schweres Kohlenstoffisotop mit einem schweren Sauerstoffisotop eine Bindung eingeht", betont Tütken. Diese Häufigkeit sei nämlich das Maß der Temperatur und wird über eine massenspektrometrische Analyse bestimmt.
Durch einen Vergleich mit heute lebenden Tieren konnten die Forscher das Rätsel lösen: Der Camarasaurus, ein großer pflanzenfressender Dinosaurier, der vor etwa 150 Millionen Jahren auf dem Gebiet des heutigen Nordamerika lebte, hatte eine Körpertemperatur von etwa 36 °C. Der zur etwa gleichen Zeit lebende größere Brachiosaurus kam sogar auf 38 °C.
Größe Körper bleiben länger warm
Deshalb müssen die Dinosaurier aber noch nicht unbedingt Warmblüter gewesen sein. "Diese Tiere hatten eine sehr große Körpermasse von 20 bis 40 Tonnen", erklärt der Forscher. Auch das könnte die hohe Körpertemperatur erklären. "Auch ein Krokodil wird nicht sofort abkühlen, wenn es draußen kühl wird," so Tütken.
Als nächstes wollen die Forscher deshalb kleinere Dinosaurier untersuchen, die schneller auskühlen. Würden sie ähnlich hohe Körpertemperaturen messen, würde dies bedeuten, dass die Dinosaurier diese Wärme durch aktiven Stoffwechsel, also aus Nahrung, erzeugt haben. Dann wären sie warmblütig gewesen. Die Forscher interessieren sich auch für die Vorfahren der Dinosaurier, um herauszufinden, wo in der Evolution die Warmblütigkeit der Wirbeltiere begonnen hat. Heutige Krokodile jedenfalls sind definitiv kaltblütig. Ihre Temperatur kann saisonal mit der Umgebungstemperatur schwanken. Bei einem Alligator aus Louisiana wurden zum Beispiel Temperaturen zwischen 15°C und 28 °C gemessen.
Ein Krokodil kann nämlich durch sein Verhalten die Wärme regulieren. "Abends geht's ins warme Wasser und tagsüber in die Sonne ans Land", erläutert der Forscher den Lebensrhythmus der Reptilien. "Also kann man nicht sagen, wie warm ein Krokodil ist. Es ist je nach Jahreszeit und Tageszeit unterschiedlich."
Reptil oder Vogel?
Anders als heute lebende Reptilien besaßen Dinosaurier zudem gut durchblutete und schnell wachsende Knochen - so wie heutige Säugetiere und Vögel. Reptilien haben solche Knochen nicht. Dies zeigt, dass Dinosaurier eine höhere Stoffwechselrate hatten und schneller wuchsen als andere Reptilien. An einigen Dinosauriern fand man zudem Federn oder Federreste, die vermutlich zur Regulierung der Körpertemperatur dienten.
Das chemische Thermometer der 13C-18O Isotopenanalyse funktioniert nicht nur für Zahnschmelz von Dinosauriern. Analysiert man zum Beispiel Sedimentkerne oder Muschelschalen, kann man auch Rückschlüsse auf die Umgebungstemperatur ziehen. Aber noch viele andere Geheimnisse kann die Isotopenzusammensetzung des Zahnschmelzes offenbaren.
Isotope als historisches Archiv
Forscher können Aussagen über die Ernährung von Tieren oder Menschen treffen, über ihre Mobilität - also an welchem Ort und auf welchem Untergrund sie sich aufgehalten haben - und ob sie gewandert sind. Sie können auch das Klima rekonstruieren und die Trinkwasserressourcen, die Menschen und Tiere genutzt haben. Auch können die Wissenschaftler herausfinden, ob es Fleisch- oder Pflanzenfresser waren und in welcher Position in der Nahrungskette sie sich befunden haben.
Autorin: Nina Odenius
Redaktion: Fabian Schmidt