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Dinosaurierzähne als Thermometer

9. August 2011

Waren Dinosaurier Reptilien? Ein Bonner Forscher hat da seine Zweifel. Seine Analyse von Dinosaurierzahnschmelz könnte die seit langem kontrovers diskutierte Frage beantworten: Waren Dinos Warmblüter oder wechselwarm?

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Versteinerter Dinosaurierzahn (Foto: Fabian Schmidt/ DW)
Dieser Zahn birgt Informationen zur KörpertemperaturBild: DW/F. Schmidt

Ein einzelner Dinosaurierzahn kann viele Geheimnisse enthüllen. Dem Forscher Thomas Tütken von der Universität Bonn ist es zusammen mit amerikanischen Kollegen gelungen, anhand der chemischen Zusammensetzung des Zahnschmelzes die Körpertemperatur zu bestimmen.

Porträt des Bonner Geochemikers Thomas Tütken (Foto: Fabian Schmidt/DW)
Thomas Tütken kann Zahnschmelz viele Informationen entlockenBild: DW/F. Schmidt

"Zähne deshalb, weil Zahnschmelz im Vergleich zu Knochen einen viel höheren Mineralanteil hat", sagt Thomas Tütken, Geochemiker an der Universität Bonn. "Der Zahnschmelz hat quasi keine Porenräume und die Kristalle des Minerals, aus dem er besteht sind auch größer", erklärt der Forscher. Damit sei Zahnschmelz sehr stabil.

Seltene Isotope sind der Schlüssel

Tütken erhielt die Zähne von Museen, fräste davon etwa 0,15g ab, etwa soviel wie zwei Prisen Salz. Dann löste er den Zahnschmelz in hundertprozentiger Phosphorsäure auf, und aus dem Carbonatanteil des Zahnschmelzes wurde Kohlenstoffdioxid freigesetzt.

Ein Gasmassenspektrometer an der Universität Frankfurt. Dieses Analysegerät wird zur Bestimmung von Isotopen genutzt. Es kam bei der Bestimmung der Körpertemperatur von Dinosauriern (Foto: Jens Fiebig)
Mit dem Gasmassenspektrometer können die Wissenschaftler die Isotope genau bestimmenBild: J. Fiebig

Dieses CO2 untersuchten die Wissenschaftler dann auf seine genaue Kohlen- und Sauerstoffisotopenzusammensetzung. Dabei suchten sie gezielt nach den seltenen, schweren Isotopen 13C und 18O.

Funktionsschema eines Gasmassenspektrometers. Diese Analysemethodik wird zur Bestimmung von Isotopen genutzt (Grafik: Thomas Tütken)
Ein Massenspektrometer leitet Atome je nach Masse auf unterschiedliche BahnenBild: Thomas Tütken

"Uns interessiert, wie oft ein schweres Kohlenstoffisotop mit einem schweren Sauerstoffisotop eine Bindung eingeht", betont Tütken. Diese Häufigkeit sei nämlich das Maß der Temperatur und wird über eine massenspektrometrische Analyse bestimmt.

Durch einen Vergleich mit heute lebenden Tieren konnten die Forscher das Rätsel lösen: Der Camarasaurus, ein großer pflanzenfressender Dinosaurier, der vor etwa 150 Millionen Jahren auf dem Gebiet des heutigen Nordamerika lebte, hatte eine Körpertemperatur von etwa 36 °C. Der zur etwa gleichen Zeit lebende größere Brachiosaurus kam sogar auf 38 °C.

Größe Körper bleiben länger warm

Deshalb müssen die Dinosaurier aber noch nicht unbedingt Warmblüter gewesen sein. "Diese Tiere hatten eine sehr große Körpermasse von 20 bis 40 Tonnen", erklärt der Forscher. Auch das könnte die hohe Körpertemperatur erklären. "Auch ein Krokodil wird nicht sofort abkühlen, wenn es draußen kühl wird," so Tütken.

Kleine, versteinerte Dinosaurierzähne (Foto: Fabian Schmidt/ DW)
Zähne kleinerer Dinosaurier müssen als nächstes untersucht werdenBild: DW/F. Schmidt

Als nächstes wollen die Forscher deshalb kleinere Dinosaurier untersuchen, die schneller auskühlen. Würden sie ähnlich hohe Körpertemperaturen messen, würde dies bedeuten, dass die Dinosaurier diese Wärme durch aktiven Stoffwechsel, also aus Nahrung, erzeugt haben. Dann wären sie warmblütig gewesen. Die Forscher interessieren sich auch für die Vorfahren der Dinosaurier, um herauszufinden, wo in der Evolution die Warmblütigkeit der Wirbeltiere begonnen hat. Heutige Krokodile jedenfalls sind definitiv kaltblütig. Ihre Temperatur kann saisonal mit der Umgebungstemperatur schwanken. Bei einem Alligator aus Louisiana wurden zum Beispiel Temperaturen zwischen 15°C und 28 °C gemessen.

Ein Krokodil kann nämlich durch sein Verhalten die Wärme regulieren. "Abends geht's ins warme Wasser und tagsüber in die Sonne ans Land", erläutert der Forscher den Lebensrhythmus der Reptilien. "Also kann man nicht sagen, wie warm ein Krokodil ist. Es ist je nach Jahreszeit und Tageszeit unterschiedlich."

Reptil oder Vogel?

Anders als heute lebende Reptilien besaßen Dinosaurier zudem gut durchblutete und schnell wachsende Knochen - so wie heutige Säugetiere und Vögel. Reptilien haben solche Knochen nicht. Dies zeigt, dass Dinosaurier eine höhere Stoffwechselrate hatten und schneller wuchsen als andere Reptilien. An einigen Dinosauriern fand man zudem Federn oder Federreste, die vermutlich zur Regulierung der Körpertemperatur dienten.

Grafik über die Funktionsweise eines Isotopenthermometers. Aus dem Carbonatanteil im Zahnschmelz von Dinosaurierzähnen wird nach Lösung in Phosphorsäure Kohlenstoffdioxid frei. Die Körpertemperatur von Dinosauriern läßt sich dann durch das Verhältnis der seltenen schweren Kohlenstoffisotope 13 C und Sauerstoffisotope 18 O bestimmen (Grafik: Thomas Tütken)
Aus dem Carbonatanteil (Calciumcarbonat CaCO3) im Zahnschmelz wird nach Lösung in Phosphorsäure Kohlenstoffdioxid frei. Der Anteil an schweren Isotopen 13C und 18O, weist auf die Temperatur bei der Entstehung des Zahnschmelzes hin. (ppm = Anzahl der Teile pro Million Teilchen)Bild: Thomas Tütken

Das chemische Thermometer der 13C-18O Isotopenanalyse funktioniert nicht nur für Zahnschmelz von Dinosauriern. Analysiert man zum Beispiel Sedimentkerne oder Muschelschalen, kann man auch Rückschlüsse auf die Umgebungstemperatur ziehen. Aber noch viele andere Geheimnisse kann die Isotopenzusammensetzung des Zahnschmelzes offenbaren.

Ein versteinerter Dinosaurierzahn im Besitz des Bonner Geochemikers Dr. Thomas Tütken (Foto: Fabian Schmidt/ DW)
Die Isotope in den Zähnen bleiben bei Versteinerungen erhaltenBild: DW/F. Schmidt

Isotope als historisches Archiv

Forscher können Aussagen über die Ernährung von Tieren oder Menschen treffen, über ihre Mobilität - also an welchem Ort und auf welchem Untergrund sie sich aufgehalten haben - und ob sie gewandert sind. Sie können auch das Klima rekonstruieren und die Trinkwasserressourcen, die Menschen und Tiere genutzt haben. Auch können die Wissenschaftler herausfinden, ob es Fleisch- oder Pflanzenfresser waren und in welcher Position in der Nahrungskette sie sich befunden haben.

Autorin: Nina Odenius
Redaktion: Fabian Schmidt