Folgen des Klimawandels
27. November 2012"Zehn Tage am Stück hat es einmal geregnet", erinnert sich Antonio Cañas Calderón, "und insgesamt war der Niederschlag im Jahr 2011 um 41 Prozent höher als im Jahresdurchschnitt der letzten vier Jahrzehnte." Infolge dieser Regenfälle habe El Salvador über ein Drittel seines 2011 erwirtschafteten Bruttoinlandprodukts verloren, erzählt Cañas, der zur Delegation des mittelamerikanischen Landes bei der Klimakonferenz in Doha gehört.
Es sind diese Regenfälle, die El Salvador einen vierten Platz eingebracht haben: den vierten Platz im Klima-Risiko-Index, den die Umweltorganisation Germanwatch am Dienstag (27.11.2012) in Doha veröffentlicht hat. Anhand der Angaben über Schäden aus Naturkatastrophen, die beim Rückversicherer Munich Re (vormals Münchener Rück) in einer Datenbank gesammelt werden, untersucht Germanwatch zum Beispiel die Zahl der Todesopfer und Daten über wirtschaftliche Schäden, und ermittelt schließlich daraus einen Wert für seinen Index.
An der Spitze dieses Indexes für das Jahr 2011 steht Thailand. Bei Überschwemmungen waren laut der Statistik im letzten Jahr fast 900 Menschen gestorben und Schäden von mehr als 75 Milliarden US-Dollar entstanden.
Extremes Wetter infolge des Klimawandels?
Einzelne Wetterereignisse wie die Flut in Thailand oder die starken Regenfälle in El Salvador können nicht ursächlich auf den menschengemachten Klimawandel zurückgeführt werden, darauf weist Germanwatch in dem Bericht hin. Und dennoch, meint der Teamleiter für internationale Klimapolitik, Sven Harmeling, seien manche Wetterereignisse ohne den Klimawandel nicht zu erklären. Christoph Bals, politischer Geschäftsführer von Germanwatch, ergänzt: "Wenn extreme Wetterereignisse auftreten, die eigentlich nur alle 4000 Jahre oder so auftreten, dann sind sie mit großer Wahrscheinlichkeit auf den Klimawandel zurückzuführen." Ein Beispiel sei die Rekord-Hitze in Europa im Sommer 2003.
Bei Hitzewellen sei es einfacher als bei starken Regenfällen, eine Verbindung zum Klimawandel herzustellen, meint Bals. Schließlich steige durch den Klimawandel erwiesenermaßen die globale Durchschnittstemperatur. Insofern seien sich die Wissenschaftler auch ziemlich sicher, dass die Hitze- und Dürreperiode, die die US-amerikanischen Bundesstaaten Texas, Oklahoma, Louisiana und Neu-Mexiko im Jahr 2011 erlebt hätten, auf den Klimawandel zurückzuführen sei.
Auch USA in den "Top Ten"
Es ist allerdings nicht die Hitzewelle von 2011 allein, die den USA einen Platz in den "Top Ten" des Klima-Risiko-Indexes eingebracht hat. Tornados und Hurrikan Irene haben dazu ebenfalls beigetragen. Diese Wetterextreme, und jetzt im Jahr 2012 die Dürre sowie Hurrikan Sandy veränderten "das Bewusstsein der amerikanischen Bevölkerung", meinte der Unterhändler der USA in Doha, Jonathan Pershing, bei einer Pressekonferenz am Montag (26.11.2012).
"Die Medien berichten mehr über den Zusammenhang zwischen diesen Wetterextremen und dem Klimawandel, und die Menschen erkennen, dass der Klimawandel ein Problem ist", beobachtet auch Jennifer Morgan von der US-amerikanischen Umweltorganisation World Resources Institute. Doch inwieweit diese Erkenntnis die US-amerikanischen Umwelt- und Klimapolitik verändern wird, ist eine andere Frage.
Es gebe nach der Wiederwahl Barack Obamas und infolge des Hurrikans Sandy "viel Hoffnung, dass Obama das Thema Klima wirklich ernst nehmen wird in seiner zweiten Amtszeit", meint Jennifer Morgan. Konkrete Maßnahmen seien aber noch nicht in Sicht und etwaige weitere Zusagen über die Reduzierung von Treibhausgasemissionen seien in Doha auch nicht zu erwarten.
Vor allem Entwicklungsländer betroffen
Repräsentativ für die Länder, die am meisten von extremen Wetterereignissen betroffen sind, sind die USA ohnehin nicht. Unter den zehn Ländern, die zwischen 1992 und 2011 am stärksten betroffen waren, ist kein einziges Industrieland. Vielmehr sind es arme Länder wie Honduras, Myanmar, Nicaragua und Bangladesch.
Gerade Bangladesch ist durch seine geografische Lage im niedrig-gelegenen Ganges Delta sehr ungeschützt. Dennoch ist es im langfristigen Klima-Risiko-Index der Jahre 1992 bis 2011 vom ersten auf den vierten Platz gerutscht. Das liege daran, sagt Saleemul Huq vom International Centre for Climate Change and Development an der Unabhängigen Universität in Bangladesch, dass zwar die Zahl der Zyklone in den letzten Jahren gestiegen, es aber trotzdem gelungen sei, die daraus resultierenden Todesfälle zu reduzieren. Bei den letzten beiden Zyklonen hätten zwei Millionen Menschen erfolgreich evakuiert werden können.
Dies sei einem Frühwarnsystem zu verdanken - und der Aufklärung an der Schule. "Früher haben die Leute die Signale nicht verstanden und wussten nicht, wann sie die Schutzräume aufsuchen müssen", erzählt Huq. "Jetzt wird es den Kindern an der Schule beigebracht. Und die Kinder sagen dann zu Hause ihren Eltern und Großeltern, was bei einer Warnung zu tun ist."
Auch eine Frage des Geldes
Die Frühwarnsysteme zu verbessern, meint Huq, sei nicht in erster Linie eine Frage von finanzieller Unterstützung durch die Industrieländer. Wenn die Gruppe der am wenigsten entwickelten Länder (least developed countries, LDC) auf Klimakonferenzen wie der in Doha Geld fordere, um Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel zu finanzieren, sei das aber eine Frage von Verantwortlichkeit: "Das sind ja keine gottgegebenen Wetterereignisse."
So sieht es auch Mónica López Baltodano von der Umweltorganisation Centro Humboldt in Nicaragua. "Die Industrieländer sorgen mit ihren übermäßigen Emissionen von Treibhausgasen dafür, dass sich die Erde erwärmt und lassen uns arme Länder mit den Katastrophen und deren Folgen allein", meint sie. "Deshalb fordern wir einen Technologietransfer und einen finanziellen Ausgleich für die Schäden, die wir erleiden."