Auto der Zukunft
1. Mai 2011Dieter Zetsche ist eine Autorität: Wenn der Vorstandsvorsitzende der Daimler AG auf einem Kongress zum Thema "Mobilität der Zukunft" redet, dann hat sein Wort Gewicht. Während viele der geladenen Experten über künftige Veränderungen der Automobilbranche spekulieren, will Zetsche zunächst schlicht und einfach darüber sprechen, was bleibt. So ist er sich sicher, dass die Märkte volatil bleiben: Sie werden weiterhin großen Schwankungen unterworfen sein.
Wandel als Konstante
"Nehmen Sie das Nutzfahrzeuggeschäft. Da sind Schwankungen von 30 Prozent plus und minus mehr oder weniger normal", so Zetsche, "und in weniger drastischer Form wird das auch auf der Seite der Personenwagen immer so sein." Der Wandel als Konstante – verursacht durch die üblichen Konjunkturzyklen oder durch unerwartete Schocks wie Finanzkrisen und Naturkatastrophen, Terroranschläge oder politische Unruhen, wie jüngst in der arabischen Welt und deren Folgen für den Ölpreis.
Zetsche schließt daraus: Die Autohersteller brauchen eine ausgewogene, diversifizierte Strategie. "Wir müssen uns global so aufstellen, dass wir Einbrüche in einer Region durch Stärke in einer anderen Region ausgleichen können", betont der Daimler-Chef. Man müsse sich auch technologisch für unterschiedliche Szenarien rüsten, vor allem im Bereich der Antriebstechnologien. "Platt formuliert lautet die Devise also: China: ja - aber nicht nur. Elektro-Auto: ja - aber nicht ausschließlich."
Autoindustrie bleibt auf Wachstumskurs
Die Automobilindustrie bleibt eine Wachstumsbranche – auch davon ist Zetsche überzeugt. In Deutschland sei heute etwa jeder zweite Mensch "auto"-mobil, weltweit wurden seit der Erfindung des Automobils durch den Konstrukteur Carl Benz im Jahr 1886 rund 2,4 Milliarden PKW verkauft. Für 2011 rechnet der deutsche Branchenverband VDA mit rund 66 Millionen verkauften Autos weltweit.
Trotzdem gebe es allein in China, Indien und Russland noch rund zweieinhalb Milliarden Menschen ohne Auto. Deshalb würden die Schwellenländer in Zukunft zum Wachstumsmotor der gesamten Branche – "The rest of the world" werde zum "Center of the world".
Ökologische Verantwortung
Wachstum auch in der Zukunft: Ökologisch verantwortbar sei das nur, wenn Autos immer sauberer und effizienter gemacht würden. Dabei bliebe der innovative Verbrennungsmotor noch für lange Zeit der größte Hebel zur Senkung von Verbrauch und Emissionen.
Die Zukunft gehöre allerdings dem Elektro-Auto – auch wenn es heute noch sehr teuer sei. "Benzin wird nicht billiger, Batterien schon." Heute laufe der Verkauf von Elektro-Autos mit Batterie und Brennstoffzelle noch in sehr "homöopathischen Dosen", schränkt Zetsche ein. Der Smart 'Electric Drive' war 2010 Marktführer bei Elektro-Autos in Deutschland - "und das mit einem Absatz von 150 Einheiten. Aber Carl Benz hatte ganze zwei Jahre nach der Erfindung des Automobils noch kein einziges Auto verkauft. Wir brauchen also Pioniergeist und einen langen Atem."
Regenerative Energien fördern
Strom und Wasserstoff für Elektro- beziehungsweise Brennstoffzellen-Fahrzeuge müssten aus regenerativen Quellen gewonnen werden, damit diese Antriebe herkömmliche Verbrennungsmotoren ökologisch-sinnvoll ersetzen könnten.
Die wichtigsten Aufgaben der Zukunft sieht Zetsche so: Die Kosten für Elektro-Fahrzeuge müssten gesenkt, die Reichweite gesteigert werden. Die nötige Infrastruktur – also das Tankstellen- und Versorgungsnetz – für Strom und für Wasserstoff sei immer noch zu dünn. Schließlich schafften mit Brennstoffzellen betriebene Fahrzeuge schon heute Reichweiten von rund 400 Kilometern, in ganz Deutschland seien aber erst 30 Wasserstoff-Tankstellen in Betrieb.
Teil 2: Technik und Design
Brennstoffzelle mit Platin-Problem
Auf ein weiteres Problem im Zusammenhang mit der Brennstoffzelle weist Professor Markus Lienkamp von der Technischen Universität München hin: "Die große Herausforderung wird es sein, das Ganze wirtschaftlich darzustellen." Im Moment arbeiteten die Brennstoffzellen noch mit einer "Platinbeladung", die mehrere tausend Euro pro Fahrzeug ausmache, weiß der Wissenschaftler und betont deshalb: "Wenn wir mit der heutigen Technologie alles auf Brennstoffzellen umstellen würden, dann würden die Platinpreise explodieren und es wäre gar nicht so viel Platin da, wie wir bräuchten."
Markus Lienkamp ist der Leiter des Lehrstuhls für Fahrzeugtechnik an der TU München. In seinem Institut arbeitet er mit einem großen Stab von Wissenschaftlern an einem neuen kostengünstigen Elektroauto. Unter der Bezeichnung "Mute" soll es im Herbst bei der Internationalen Automobilausstellung in Frankfurt (IAA) Premiere feiern.
Forschungs-Projekt der TU München
Die Eckdaten des Mute: Es wird Platz für zwei Personen und Gepäck haben. Kosten soll der Mute nicht mehr als ein vergleichbarer Kleinwagen mit Verbrennungsmotor. Seine Reichweite soll rund 100 Kilometer betragen. Höchstgeschwindigkeit 120 km/h. Motorleistung 16,5 Kilowatt. Energiespeicher: Ein Elektro-Akku für den normalen Fahrbetrieb und - als eine Art "Reservetank" – eine Batterie, die aushilft, wenn der Akku Probleme machen sollte. Die Fachleute sprechen im Zusammenhang mit solch einer Batterie auch von einem "Reichweiten-Verlängerer", der englische Fachbegriff lautet "Range Extender".
Design lockt Käufer
Sollte der Mute in absehbarer Zeit die Marktreife erlangen, so wird sicher auch sein schnittiges Erscheinungsbild die Kundschaft erfreuen. Und gerade dies sei ein entscheidender Faktor beim Kampf um die Gunst der Käufer, meint der dänische Star-Designer Henrik Fisker. Bekannte Arbeiten von ihm sind die Luxussportwagen BMW Z8 und Aston Martin DB9.
"Ich glaube nicht, dass Elektro-Autos einfach nur 'anders' aussehen müssen", sagt Fisker. Er betont, dass sie auf jeden Fall besser aussehen müssten – nur so könnten sie sich durchsetzen. Bestes Beispiel sei das iPhone: "Als es auf den Markt kam, waren sich alle einig: Das Ding sieht besser aus, als die alten Handys. Und ich glaube, darin lag genau das Handicap der ersten Elektro-Autos: Die sahen aus wie selbstgebaut, als kämen sie aus irgendeiner Garagen-Werkstatt." Und genau deshalb hätten viele Leute bis heute eine negative Einstellung gegenüber Elektro-Fahrzeugen, ist sich der Star-Designer sicher.
Elektrischer Luxus
Der 46jährige Fisker leitet mittlerweile auch eine eigene Autofirma. Schon im Mai 2011 soll mit dem Modell Fisker Karma die erste rein elektrisch betriebene Luxus-Limousine mir Sportcharakter bei den Händlern stehen. Kostenpunkt: Rund 100.000 Euro.
Der Fisker Karma wird angetrieben von zwei akku-gespeisten Elektromotoren, die mit einer Strom-Ladung rund 80 Kilometer Reichweite gewährleisten. Sollen größeren Entfernungen zurückgelegt werden, erhöht ein Verbrennungsmotor als Range Extender die Reichweite um weitere 400 Kilometer. Insgesamt verfügt der Fisker Karma über eine Systemleitung von mehr als 600 PS.
Ökologie und Ökonomie
Autofahren mit Hilfe umweltfreundlicher Technologien – der Wettlauf um neue Antriebskonzepte ist längst in vollem Gange. Das Ziel ist klar: Ökologische und ökonomische Ansprüche müssen in ein sinnvolles Verhältnis gebracht werden, wenn der Individualverkehr eine Zukunft haben soll.
Und genau das will Daimler-Chef Zetsche ausdrücken mit seiner These: "Wenn das Auto ein Problem hat, dann ist es sein Erfolg. Immer mehr Menschen wollen individuell mobil sein und immer mehr können sich den Traum vom Auto auch leisten."
Autor: Klaus Ulrich
Redaktion: Henrik Böhme