Die Wut der Mazedonier
22. April 2016Zwei Protestveranstaltungen haben in der mazedonischen Hauptstadt stattgefunden: Eine Anti-Regierungs-Demonstration forderte Präsident Gjorge Ivanov auf, die Amnestie führender Politiker rückgängig zu machen, die in einen Korruptions- und Abhörskandal verwickelt sind. Ivanov solle seinerseits zurückzutreten. Die Demonstranten drängen außerdem darauf, die vorgezogenen Neuwahlen Anfang Juni zu verschieben und eine Übergangsregierung einzusetzen, um eine gerechte Abstimmung zu gewährleisten.
Vor dem Parlamentsgebäude in Skopje protestierten zudem Zehntausende Regierungsanhänger. Sie setzen sich dafür ein, dass die Wahlen wie geplant am 5. Juni abgehalten werden. Proteste fanden auch in fünf weiteren mazedonischen Städten statt. Alle Versammlungen verliefen friedlich.
Gescheiterte EU-Bemühungen
Zuvor hatte die Europäische Union ein Vermittlungstreffen zur Überwindung der politischen Krise in Mazedonien kurzfristig abgesagt. Die vier wichtigsten politischen Kräfte seien zu den Wiener Gesprächen am Freitag eingeladen gewesen, erklärte die außenpolitische Sprecherin der EU, Maja Kocijancic. Die Opposition habe jedoch mitgeteilt, dass sie die Veranstaltung boykottieren werde, sofern die Regierung in Skopje nicht die für Anfang Juni angesetzte Parlamentswahl verschiebe und auf die Amnestie verzichte.
Sowohl die EU als auch die USA hatten erklärt, dass derzeit in Mazedonien nicht die geeigneten Bedingungen herrschten, um im Juni Wahlen bereits abzuhalten.
Korruption und Misswirtschaft
Der Konflikt war durch illegal abgehörte Telefonate des damaligen Regierungschefs Nikola Gruevski mit seinen engsten Mitarbeitern ausgelöst worden. Die Mitschnitte sollten groß angelegte Korruption, Misswirtschaft, Drangsalierung der Justiz und der Medien sowie die Kriminalisierung politischer Gegner beweisen. Ivanov hatte jedoch vergangene Woche alle Politiker begnadigt, die in den Korruptions- und Abhörskandal verwickelt waren. Obwohl Gruevski im Januar zurücktrat, gehen Beobachter davon aus, dass er im Hintergrund noch immer die Strippen zieht.
Mazedonien ist seit 2005 Kandidat für die Aufnahme in die EU und seit 2009 für die NATO. Negative innenpolitische Entwicklungen könnten die Chancen Mazedoniens auf einen Beitritt zur EU "weiter schmälern", betonte Kocijancic. Der kleine Balkanstaat mit seinen 2,1 Millionen Einwohnern steckt seit der Wahl im Jahr 2014 in einer politischen Krise. Damals gewann die konservative Partei mit Ivanov an der Spitze. Die Oppositionspartei Sozialdemokratische Liga Mazedoniens hatte dagegen behauptet, es habe Wahlfälschung gegeben.
nin/cr (afp, ape, dpa)