Die Welt reagiert
10. August 2008"Alle denken nur an die Olympischen Spiele, wie sie Gold, Silber oder Bronze gewinnen können. Kriege oder Tsunamis interessieren uns in den kommenden zwei Wochen nicht". So der Kommentar des Sprechers der russischen Olympia-Delegation, Gennadi Schewts, auf die Frage, welchen Einfluss der Krieg im Kaukasus auf die Olympischen Spiele in Peking hat.
Die Politiker sehen das anders. Kurz nach Ausbruch der Kämpfe am Freitag (08.08.2008) und vor der offiziellen Eröffnungsfeier in Peking kamen die ersten Warnungen. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) sah bereits einen Krieg, der verheerende Auswirkungen auf die ganze Region habe. OSZE-Chef, Finnlands Außenminister Alexander Stubb: "Wir müssen uns vom Rande eines vollständigen Krieges zurückziehen. Die internationale Gemeinschaft muss gemeinsam handeln, um das zu verhindern."
Deutschland aktiv um Entschärfung bemüht
Auch der Europarat reagierte umgehend. Generalsekretär Terry Davis sah "entsetzliche Folgen für die Menschen in der Region". Ähnlich sah dies das politische Berlin. Kanzlerin Angela Merkel rief zu "größter Besonnenheit und Zurückhaltung" auf und verlangte den sofortigen Stopp jeglicher Gewalt. Vizekanzler und Außenminister Frank-Walter Steinmeier unterbrach seinen Urlaub.
Er bemüht sich seit Freitag um eine Entschärfung des Konflikts. Am Sonntag (10.08.2008) warb Steinmeier in Telefonaten mit den Außenministern Russlands und Georgiens dafür, direkt miteinander zu sprechen, um so den Einstieg in eine politische Lösung des Konflikts um die Unruhe-Region zu finden. Weitere Telefonate führte er nach Angaben des Auswärtigen Amtes mit seinen Amtskollegen aus den USA, Frankreich, Polen und Finnland sowie mit EU-Chefdiplomat Javier Solana. In der "Bild am Sonntag" warnte Steinmeier davor, der Konflikt könne sich wie ein Buschfeuer im Kaukasus ausbreiten.
Die Bundeskanzlerin sprach sich am Sonntag in einem Telefonat mit dem amtierenden EU-Ratsvorsitzenden, Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy, für eine "sofortige, bedingungslose Waffenruhe" aus. Zudem müssten sich alle Truppen auf ihre Positionen vor Ausbruch der Kämpfe zurückziehen, russische Luftangriffe auf georgische Stellungen umgehend beendet werden. Die Kanzlerin will ungeachtet der Lage an ihrem für Freitag (15.08.2008) geplanten Treffen mit dem russischen Präsidenten Dmitri Medwedew in Sotschi festhalten.
EU als Vermittler?
Frankreichs Außenminister Bernard Kouchner warnte in einem Interview der Tageszeitung "Le Parisien" vor einer "Spirale der Gewalt" ähnlich wie in den neunziger Jahren auf dem Balkan. Er könne verstehen, dass sich Russland isoliert, ja sogar umzingelt fühle, angesichts der politischen Veränderungen in den pro-westlichen Nachbarländern Georgien und der Ukraine. Dennoch, so Kouchner, müsse, wenn sich einer der Protagonisten (Georgien) an eine Waffenruhe halte, der andere dasselbe tun.
Die Präsidenten Polens, Litauens, Lettlands und Estlands hatten am Samstag in einer gemeinsamen Erklärung das Vorgehen der russischen Streitkräfte gegen Georgien verurteilt. Polens Präsident Lech Kaczynski nannte die russische Intervention einen "Akt der Aggression". Sie sei mit dem Völkerrecht unvereinbar, da Abchasien und Süd-Ossetien Teile der Republik Georgien seien. Die vier Präsidenten forderten die Nato und die EU auf, die Initiative zu ergreifen und sich der "imperialistischen und revisionistischen Politik im Osten Europas" zu widersetzen.
Weniger martialisch äußerte sich am Sonntag der polnische Außenminister Radoslaw Sikorski. In einem Interview des Warschauer Fernsehsenders TVN24 schlug er eine prominente Vermittlerrolle der EU in dem Konflikt vor. Diese genieße mehr Glaubwürdigkeit in den Augen beider Konfliktparteien als die NATO und sei in ihrer Arbeit effektiver als die Vereinten Nationen.
Weltsicherheitsrat handlungsunfähig
Der UN-Sicherheitsrat präsentiert sich derweil handlungsunfähig. Bei drei Sitzungsrunden konnten sich die 15 Ratsmitglieder nicht auf eine Resolution für einen sofortigen Waffenstillstand einigen. Russlands UN-Botschafter Witali Tschurkin verlangte den sofortigen Rückzug georgischer Truppen aus Süd-Ossetien. "Ein Waffenstillstand wäre keine Lösung. Die georgischen Truppen sind weiter auf süd-ossetischem Territorium. All dies ist einem Waffenstillstand nicht zuträglich".
USA warnen Russland
Die US-Regierung warnte Russland am Sonntag vor "bedeutenden, langfristigen" Auswirkungen auf die bilateralen Beziehungen. Der stellvertretende nationale Sicherheitsberater von Präsident George W. Bush, James Jeffrey, sagte, die USA bedauerten die "gefährlichen und unverhältnismäßigen Aktionen der russischen Truppen". Sollten diese trotz eines georgischen Rückzugs fortgeführt werden, habe das entsprechende Auswirkungen auf das amerikanisch-russische Verhältnis.
Auch Papst Benedikt XVI. meldete sich zu Wort. Nach dem Angelus-Gebet auf dem Domplatz seines Südtiroler Urlaubsortes Brixen appellierte er an alle Beteiligten, auch im Namen ihres gemeinsamen christlichen Erbes von weiterer Gewalt abzusehen. Er bete zusammen mit den orthodoxen Brüdern für eine friedliche und dauerhafte Lösung, für ein offenes und respektvolles Zusammenleben.
Und dies wäre auch im Sinne von Baron Pierre de Coubertin, des Erfinders des Olympischen Gedankens: "Die Jugend der Welt soll sich bei sportlichen Wettkämpfen messen und nicht auf dem Schlachtfeld bekämpfen." (hy)