Die Welt in Farbe
Zeitenwende: Anfang des 20. Jahrhunderts brachten die Gebrüder Lumière eine revolutionäre Erfindung auf den Markt - Fotografien in Farbe. Begeistert startete der Bankier Albert Kahn sein "Archiv des Planeten".
Umtriebiger Erfindergeist
Lange hatten die beiden Franzosen Auguste und Louis Lumière daran herumgetüftelt. Bereits 1895 war ihre Erfindung des ersten Filmvorführgerätes, des Cinématografen, patentiert worden und hatte sie weltberühmt gemacht. 1907 präsentierten sie dann die ersten Farbfotografien. In Deutschland gab es kleine Sammelbildchen in Farbe, gedruckt für den Kölner Schokoladenfabrikanten Stollwerck.
Neue Bilderwelten
1907 kamen die Gebrüder Lumière in Frankreich mit einer revolutionären Erfindung auf den Markt: Fotografien in Farbe. Begeistert gab der Bankier Albert Kahn sein "Archiv des Planeten" in Auftrag. Das Autochromverfahren filterte das Licht mithilfe winziger Partikel eingefärbter Kartoffelstärke, wie die Pixel der Digitalfotografie. Im Bild ist der Eiffelturm im Jahre 1911 zu sehen.
Geniale Werbestrategie
Die Brüder Lumière waren nicht nur erfindungsreich, sondern auch meisterhafte Werbestrategen. Um ihr neuartiges Verfahren bekannt zu machen, schickten sie allen wichtigen Kunstfotografen in Europa und Amerika ein Probepäckchen mit beschichteten Glasplatten - mit der Bitte, diese auszuprobieren. Hier sitzt ein frisch verheiratetes Paar in einem Fotoatelier in Schweden Modell (1910).
Archiv des Planeten
Der französische Bankier Albert Kahn - einer der reichsten Männer der Welt - ließ auf einer Geschäftsreise seinen Chauffeur erste Versuche mit den neuen Farbbildplatten machen. Begeistert von dem Ergebnis schickte Kahn 1908 die besten Fotografen in die Welt, um die unterschiedlichen Kulturen der Nationen zu dokumentieren: hier Frauen in traditioneller Tracht auf Korfu/Griechenland (1913).
Völkerverständigung durch Kultur
Was Albert Kahns ambitioniertes "Archiv des Planeten" von der damaligen Reisefotografie unterschied, war der dokumentarische Blick: in die Gesichter und auf die unterschiedlichen Alltagswelten, hier der Brotmarkt in Sarajewo (1912). Während die Großmächte für den Weltkrieg rüsteten, wollte der Kosmopolit das Wissen um fremde Kulturen nach Europa holen - als weltumspannende Völkerverständigung.
Diavorträge als Volksbildung
Gezeigt wurden die Farbfotografien kulturell interessierten Bürgern. "Albert Kahn betrieb in seinem Haus einen Salon für die Pariser Gesellschaft und hatte dort ein Kino eingerichtet", erzählt der Fotohistoriker Professor Rolf Sachsse. Mit einem Kuratorenteam hat er die Ausstellung "1914 - Welt in Farbe" zusammengetragen. Mit dabei: die berühmte Brücke von Mostar/Bosnien-Herzegowina (1913).
Respekt für Minderheiten
Die Fotografen, die quer durch Europa bis nach Asien reisten, hatten den Auftrag, auch ganz Alltägliches und die Minderheiten in den Ländern zu fotografieren. "In Serbien wurden die Albaner fotografiert, in Istanbul die Armenier und in Bosnien die Christen", ergänzt Rolf Sachsse. Wer bei den langen Belichtungszeiten nicht stillhielt, kam nur verwischt aufs Bild.
Abenteuer Fotoexpedition
Die schwere Fotoausrüstung musste auf Karren transportiert werden. Die Bildplatten aus Glas - 300 bis 400 Stück pro Reise - waren in gepolsterten Lederkoffern verstaut, Stative und Kameraapparate kamen noch dazu. Die belichteten Platten wurden nachts im Labor-Zelt schnell entwickelt, damit kein Licht dran kam. Hier ist die Expedition gerade an der chinesischen Grenze zur Mongolei angekommen.
Mission für den Weltfrieden
Die Fotografen hatten auch den Auftrag, die religiösen Führer abzulichten. In der Nähe von Ulan Bator posiert hier die achte Inkarnation des mongolischen Jalkhanz Kuthugtu vor der Kamera (1913). Die Autochrome wurden später in Paris für Vorlesungen am Lehrstuhl für "Human-Geographie" verwendet. Albert Kahn hatte die Professur finanziert, um die aufkommenden Sozialwissenschaften zu unterstützen.
Faszination der Technik
Die Einheimischen – hier Sadhus und Brahmanen in Indien - die die französischen Foto-Pioniere vor die Kamera holten, hatten meistens noch nie einen Fotografen gesehen. "Fotografieren war ein Verfahren, das immer noch den höheren Schichten vorbehalten war", erklärt Professor Rolf Sachsse. Aber die technische Faszination der Kamera-Ausrüstung besiegte schnell die Scheu vor den Fremden aus Europa.
Ikonen der Farbfotografie
Auch Touristen-Motive, vom indischen Taj Mahal bis zu den Pyramiden von Gizeh, gehörten zum Auftrag der Fotografen. Naturgetreu hatte man sie noch nicht gesehen, bis dahin gab es nur kolorierte Postkarten. Als Anziehungspunkt für öffentliche Diavorträge lockten sie in Paris ein großes Publikum an. 70.000 Diapositive hat Albert Kahn weltweit gesammelt, dazu mehr als 200 Stunden Filmmaterial.
Ende eines visionären Projektes
Eines der letzten Bilder: eine Familie in Paris (1914). Kahns Friedens-Projekt, ein fotografisches Archiv des Planeten Erde anzulegen, fand in diesem Jahr mit dem Beginn des Ersten Weltkrieges ein jähes Ende. 1929 verlor der Bankier Albert Kahn durch den Börsensturz sein gesamtes Vermögen. Er starb 1940 völlig verarmt, kurz nachdem Nazi-Deutschland seine Heimat Frankreich besetzt hatte.