Die Welt besinnt sich auf den Artenschutz
5. Mai 2019Fast 400 Tier- und Pflanzenarten hat die Welt gestern verloren. Heute werden es noch einmal so viele sein. Im Vergleich zu den 1970er Jahren gibt es mittlerweile nur noch halb so viele Säugetiere, Vögel, Reptilien und Fische. Diese Zahlen stammen vom World Wide Fund For Nature (WWF), und sind schon einige Jahre alt. Ab Montag werden wir ein genaueres Bild von der Lage bekommen, wenn der Weltbiodiversitätsrat (IPBES) seinen Artenvielfalt-Bericht vorlegt.
Einvernehmlich haben alle 132 Mitgliedsstaaten der UN-Organisation das Papier auf einer Weltkonferenz in Paris unterzeichnet. 150 Experten aus 50 Ländern hatten dafür wissenschaftliche Erkenntnisse aus drei Jahren Forschung und Tausenden Studien zusammengetragen. Dabei ging es nicht allein um einen alarmierenden Bericht zur weltweiten Zerstörung der Artenvielfalt. Die Wissenschaftler prüften auch, ob die Welt bereits vereinbarten Artenschutz-Zielen näher gekommen ist. Ein solcher globaler Check war zuletzt vor 14 Jahren präsentiert worden.
Ziel des Artenvielfalt-Berichts ist ein weltweit akzeptierter gemeinsamer Sachstand zu Lage, Problemen und möglichen Lösungen - ähnlich den Papieren des Weltklimarats IPCC für den Klimawandel.
"So schwerwiegend wie der Klimawandel"
Bei der IPBES-Konferenz debattierten Regierungsvertreter und Wissenschaftler über die Ergebnisse. Die abgestimmten Kernaussagen sollen als Handlungsgrundlage auch für die Politik dienen. Die Zerstörung der Artenvielfalt sei ebenso schwerwiegend wie der Klimawandel, hatte IPBES-Präsident Robert Watson zum Auftakt der Konferenz gesagt. Beide müssten gemeinsam bekämpft werden.
Wie unsere Welt in Zukunft aussehen könnte, stellen die IPBES-Autoren in sechs Szenarien dar - etwa unter der Annahme, dass die Menschheit weiter macht wie bisher oder lernt, global oder regional nachhaltig zu wirtschaften. Der Bericht soll unter anderem eine Grundlage für die nächste Vertragsstaatenkonferenz der Biodiversitätskonvention (CBD) 2020 im chinesischen Kunming sein.
Pestizide und Monokultur
Umwelt- und Naturschutzorganisationen sehen die biologische Vielfalt vor allem durch Landwirtschaft und Landnutzung in Gefahr. So zählten der übermäßige Einsatz von Dünger und Pestiziden sowie Monokulturen wie Maisanbau zu den Hauptverursachern des Artensterbens, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung von Naturschutzbund, Greenpeace, WWF, Campaign for Nature und Zoologischer Gesellschaft Frankfurt (ZGF). Hinzu kämen massive Emissionen durch Massentierhaltung sowie die Abholzung von Wäldern für den Soja- und Palmölanbau.
Schuld sei aber auch der Lebensstil der Menschen im globalen Norden mit Fernreisen oder Ernährungsgewohnheiten wie dem übermäßigen Fleischkonsum. Derzeit habe die Menschheit einen Ressourcenverbrauch von 1,7 Planeten, sagte WWF-Geschäftsleiter Jörg-Andreas Krüger in Berlin. "Wenn alle wie die Deutschen leben würden, wären es ungefähr fünf." Der Leiter globale und EU-Naturschutzpolitik beim Naturschutzbund, Konstantin Kreiser, sagte, deshalb brauche es weltweit gültige Regeln und Anreize, die für alle gelten.
Naturverträgliche Landwirtschaft
Von der EU forderten die Verbände eine Umkehr der Agrarpolitik weg von Flächenprämien hin zur Förderung von naturverträglicher Landwirtschaft. Nötig seien auch die Einführung von Mindeststandards für Importe von Palmöl, Soja und mineralischen Rohstoffen sowie Regeln für den Finanzmarkt, um umweltschädliche Investitionen zu unterbinden. Zudem müsse der globale Norden die Länder des globalen Südens bei der Wiederbewaldung von Flächen finanziell unterstützen.
cgn/rb (afp, dpa, epd)