"Die wahre Natur der Feinde der Freiheit"
12. Mai 2004
"Nick Berg war amerikanischer Geschäftsmann, der vertraglich nichts mit dem Militär zu tun hatte", erklärte ein Vertreter des US-Außenministeriums. Er wurde bereits seit Wochen im Irak vermisst. Die Leiche des Amerikaners wurde nach Angaben des US-Außenministeriums in Bagdad gefunden. Der Tote war noch gefesselt.
Die Enthauptung des Geschäftsmanns sei die Antwort auf die Misshandlung irakischer Gefangener durch die Besatzungstruppen, so die radikal-islamische Organisation Muntada el Ansar. Die Gruppe droht mit weiteren Morden. In Washington verurteilte der Sprecher von Präsident George W. Bush, Scott McClellan, die Tat scharf und kündigte die unnachsichtige Bestrafung der Täter an. Diese Tat zeige die "wahre Natur der Feinde der Freiheit", sagte er.
Topterrorist als Verantwortlicher?
Bei Terroranschlägen fällt sein Name regelmäßig: Abu Mussab el Sarkawi gilt dem US-Geheimdienst als der strategische Kopf hinter den schlimmsten Attentaten in Irak. Nun soll Sarkawi auch für die Enthauptung der US-Geisel Nicholas Berg verantwortlich sein. Der arabische Fernsehsender El Arabija behauptet sogar, der Jordanier habe den US-Geschäftsmann persönlich hingerichtet. Fest steht bislang nur der Titel des Videos, auf dem die grauenvolle Tat festgehalten ist: "Abu Mussab el Sarkawi schlachtet einen Amerikaner ab", heißt es laut der islamischen Website, die das Band ins Internet stellte.
Den USA gilt Sarkawi ohnehin als einer der meistgesuchten Terroristen der Welt. Schon im Oktober 2003 hatte die US-Armee ein Kopfgeld von fünf Millionen Dollar auf ihn ausgesetzt. Nach einer Bombenserie mit mehr als hundert Todesopfern im Februar in Bagdad und Iskandarija verdoppelte sie die Summe auf zehn Millionen Dollar. Auch die Anschläge am 2. März in Bagdad und Kerbela mit mehr als 170 Toten sollen auf Sarkawis Konto gehen. Der US-Geheimdienst glaubt, dass der 37-Jährige aus Jordanien in Irak einen Bürgerkrieg anzetteln will. Anfang Februar veröffentlichte die US-geführte Koalition ein 17-Seiten-Papier, das von Sarkawi stammen soll, in dem dieser radikalislamische Kämpfer in Irak dazu aufruft, Angehörige der schiitischen und sunnitischen Konfessionen gegeneinander aufzustacheln.
Die Breite des Netzwerks
Schon seit Jahren steht Sarkawi auf der Fahndungsliste Jordaniens und der USA. Seine Spur führt aber auch nach Deutschland: Der militante Islamist gilt nicht nur als ausgezeichneter Chemie- und Biowaffenexperte im Auftrag des El-Kaida-Terrornetzwerkes, sondern führte vermutlich auch eine Zelle der islamistischen El-Tawhid-Bewegung in Deutschland. Seine Extremistenlaufbahn startete der Jordanier schon früh. Bereits in jungen Jahren verließ er seine Familie und ging nach Afghanistan, wo er in den Trainingslagern der Mudschahedin ausgebildet wurde und in den 1980er Jahren gegen die sowjetische Besatzung kämpfte.
Immer wieder kehrte Sarkawi in seine Heimat zurück, bevor er 1999 endgültig nach Afghanistan floh - nur kurze Zeit, bevor die Behörden in Amman eine mit dem Terrornetzwerk El Kaida verbundene Terrorzelle aufdeckten. Im Prozess gegen die 28 Mitglieder dieser Zelle wurde Sarkawi im Oktober 2000 in Abwesenheit zu 15 Jahren Haft verurteilt; Anfang April wurde er wegen Mordes an dem US-Diplomaten Laurence Foley in Abwesenheit zum Tode verurteilt.
In der Zwischenzeit stieg Sarkawi im El-Kaida-Netzwerk von Osama bin Laden auf. Nach Erkenntnissen der US-Ermittler führt er mittlerweile die in Nordirak ansässige radikale Gruppe Ansar el Islam. Nach Irak soll er geflohen sein, nachdem er im Kampf gegen US-Truppen in Afghanistan Ende 2001 schwer verletzt wurde und ihm womöglich ein Bein amputiert werden musste. Zuletzt vermutete die US-Armee ihn in der schwer umkämpften Region der sunnitischen Widerstandshochburg Falludscha. (arn)