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"Die Währungsunion kann scheitern"

27. Dezember 2012

Die Länder der Eurozone sind noch nicht bereit für einen großen Schritt der Integration. Für den Ökonomen Wim Kösters ist es entscheidend, sich zuerst auf eine Regelbindung zu einigen.

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Prof. Wim Kösters, Vorstandsmitglied des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) in Essen (Foto: DW)
Prof. Wim Kösters auf der Ringvorlesung an der Universität KölnBild: DW/Zhang

DW: Herr Professor Kösters, als ein Geburtsfehler des Euro wurde oft das Fehlen einer politischen Union angeführt. Monatelang wurde an einem Konzept gearbeitet, um diesen Fehler im Nachhinein zu beheben. An Ideen hatte es nicht gemangelt, von einem gemeinsamen Finanzminister der Währungsunion bis hin zu einem Eurozonen-Budget. Auf dem Gipfel Mitte Dezember ist davon aber nichts übrig geblieben. Ist die Idee einer politischen Union gescheitert?

Kösters: Es ist sehr schwer, jetzt eine politische Union zu vereinbaren, wo wichtige Regeln in der Vergangenheit gebrochen worden sind, die eine rudimentäre politische Union bildeten wie zum Beispiel die No-bailout-Klausel oder der Stabilitäts- und Wachstumspakt. Damit zeigte man, dass man gar keine Verfassung für die EU haben will. Und insofern ist es schwierig, gegenwärtig eine politische Union in Europa zu vereinbaren. Das findet gegenwärtig keine Mehrheit unter den Menschen. Insofern muss man das erst mal als gescheitert betrachten. Und ein europäischer Finanzminister - ist das eine Lösung für die Krise? Ich glaube nicht. Man muss sich vorher einigen, was dieser europäische Finanzminister tun soll. Ob er regelorientiert handeln soll oder ob er nur von Fall zu Fall entscheiden soll, wie zum Beispiel Frankreich das möchte. Bevor man diese Einigung herbeigeführt hat, ist es sinnlos, eine solche Institution einzuführen.

Vor dem EU-Gipfel hatten sich die Euro-Finanzminister immerhin auf eine europäische Bankenaufsicht geeinigt. Ist die Eurozone dadurch krisenfester geworden?

Ich glaube grundsätzlich schon. Wenn wir eine europäische Bankenunion bekommen, die in erster Linie eine gemeinsame Bankenaufsicht beinhaltet, so vermeidet man Fehler, die daraus resultieren, dass einzelne Länder zu lax sind bei der Bankenaufsicht. Wenn dann die europäische Bankenaufsicht kommt, gelten überall die gleichen Standards und das würde Europa ein Stück weiterhelfen. Zudem ist auch vereinbart worden, einen Bankenrestrukturierungsfonds zu gründen, so dass mit der Bankenaufsicht auch die Handlungsfähigkeit gegeben ist, Banken zum Beispiel zu schließen oder Banken umzustrukturieren. Die konkrete Form und Ausgestaltung der möglichen Bankenaufsicht birgt jedoch viele Probleme.

Dass eine europäische Bankenaufsicht sinnvoll ist, ist unumstritten. Problematisch finden einige hierzulande, dass die Europäische Zentralbank diese Aufsicht übernehmen soll. Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn kommentiert diesen Plan mit folgender Aussage: "Das ist so, also ob man dem Verkäufer einer Schrottkarre das Recht gibt, seinem Auto selbst die TÜV-Plakette zu erteilen." Besteht tatsächlich die Gefahr, dass die EZB zu einem Schrottwagenhändler verkommt?

Es ist sehr problematisch, der Europäischen Zentralbank neben ihrer Aufgabe, den Geldwert zu sichern, auch noch die Verantwortung für die Bankenaufsicht zu geben. Denn dann muss sie zwei Herren dienen. Wenn die Banken in Schieflage geraten, dann muss die EZB überlegen: Kann ich jetzt den Zins erhöhen, was ich tun müsste, um die Preisniveaustabilität zu sichern? Dann würde aber die Bank pleite gehen. Insofern unterstreiche ich das, was Hans-Werner Sinn gesagt hat. Deswegen muss eine Lösung gefunden werden, dass die Aufsichtsfunktion der EZB von ihrer Funktion in der Geldpolitik strikt getrennt wird. Firewalls müssen dazwischen aufgerichtet werden. Ob das gelingt, ist allerdings sehr fraglich.

Als Ökonom sind Sie dafür bekannt, darauf zu pochen, dass Regeln eingehalten werden. Bei den Regeln für Unternehmen war das auch der Fall. Wenn es aber darum ging, Regierungen zum Maßhalten zu bringen, war jeder Versuch einer Regelbindung gescheitert. Ist das aus politischer Sicht ein ganz unmögliches Unterfangen?

In Deutschland ist diese Regelbindung großenteils gelungen. Die Unabhängigkeit der Bundesbank ist eine solche Regel, die in Deutschland eingehalten worden ist. Aber, wenn mehrere Länder beteiligt sind, wird es schwieriger. Wenn sie unterschiedliche Auffassungen von der Wirtschaftpolitik haben, dann wird es sehr schwer, Regeln zu vereinbaren, die man auch gemeinsam einhält. Das ist das Problem, das wir in Europa haben. Ohne effiziente Regelbindung muss aber die Währungsunion scheitern. Auch der Euro wird dann irgendwann nicht mehr existieren können.

In der Vergangenheit wurden die Regeln andauernd verletzt. Das ist ein Grund für unsere heutige Situation. Sie sagen, dass wir eine Chance hätten, das Vertrauen zurückzugewinnen, wenn wenigstens die Regeln zur Eurorettung eingehalten würden. Das ist aber auch nicht der Fall. Die Zinssätze für Notkredite werden gesenkt, die Fristen werden verlängert. Die roten Linien halten nur ein paar Wochen, oder Tage. Es sieht doch ziemlich düster aus, was die Regelbindung anbetrifft.

In der Tat. Da muss ich Ihnen Recht geben, dass das bisher mit der Regelbindung nicht geklappt hat. Nun lernt man ja vielleicht aus Krisen. Meine Hoffnung ist, dass die europäischen Länder sehen, dass die Krise ganz wesentlich dadurch zustande gekommen ist, dass die Regeln nicht eingehalten worden sind. Und dass sie sich jetzt besinnen und sagen, wir müssen diese Regeln einhalten, sonst wird die Währungsunion auseinanderbrechen. Diese Gefahr ist ganz real.

Glauben Sie, dass die Politiker das auch so begriffen haben?

Da habe ich meine Zweifel. Und deswegen kann man nicht sicher sein, dass es die Währungsunion weiter geben wird. Deswegen besteht die Gefahr, dass die Währungsunion endgültig scheitert.

Wim Kösters ist emeritierter Professor an der Ruhr-Universität Bochum und Mitglied des Vorstands des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) in Essen.

Das Interview führte Zhang Danhong.