Die "Sibylle" war die Vogue der DDR
Dass die Mode der DDR auch von der Politik geprägt wurde, zeigt eine Ausstellung in Berlin über die Frauenzeitschrift "Sibylle". Mit ihren besonderen Modefotos spiegelt sie auch ein Stück DDR-Geschichte.
Mode für die werktätige Frau
Die "Vogue des Ostens" wurde sie genannt, die DDR-Modezeitschrift "Sibylle". Ihre Markenzeichen waren anfangs die künstlich schillernden Farben der Titelbilder. Westliche Zeitschriften wie "Elle" und "Vogue" galten als Vorbilder. Gefragt war eine weibliche Eleganz, ohne politische Beziehung. Doch gerade in den späten 1960er und 1980er Jahren war die Zeitschrift keineswegs systemkonform.
Mode zum Nachschneidern
Die Mannequins wurden Anfang der 1960er Jahre hauptsächlich in Studios, in statischen Posen, fotografiert. Die Kleidung sollte optimal zur Geltung kommen. Kaufen konnte man die Blusen und Röcke in der DDR nicht. Mit entsprechenden Maß- und Stoff-Angaben wurde alles zu Hause selbst geschneidert. In Westdeutschland hatte die Zeitschrift "Burda" seit den 1950er Jahren mit diesem Modell Erfolg.
Raus aus dem Studio
Die Bildvorgaben änderten sich 1962 mit dem Fotografen Arno Fischer. Er war Lehrer an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee und ein Vertreter der "straight photography". Die Mode wurde fotografisch alltagsnah und dynamisch inszeniert. Die Models zeigten sich auf den Straßen Berlins in lebendiger Bewegung - oder eben sitzend in Berliner U-Bahn-Stationen.
Modeaufnahmen aus dem Osten
Die Verbindung von Modeaufnahmen und fotografischen Alltagsbeobachtungen wurde verstärkt und weiterentwickelt durch regelmäßige Berichte aus dem osteuropäischen Ausland. Dabei spielte Moskau als "Modemetropole" immer wieder eine große Rolle.
"Frauen von heute"
In den 1970er Jahren veränderte sich das Klima in der DDR, weil der ökonomische Erfolg ausblieb. Die Zeitschrift wurde dem Arbeitsalltag der DDR angepasst. Westliche Modezeitschriften dienten nicht mehr als Vorbild. Die anmutigen Models der Anfangsjahre wurden durch werktätige Frauen ersetzt, die am Aufbau einer neuen Gesellschaft mitwirkten.
Arbeitskleidung wird Mode
"Als unkomplizierte Freizeitbekleidung sind diese beiden Overalls gedacht. Sportliche Details wie aufgesteppte Taschen mit eingelegter Falte. Achselklappen und Tunnelgürtel [...] kennzeichnen das linke Modell." So steht's in der "Sibylle" von 1977. Das Model auf der rechten Seite trägt übrigens einen Overall, der am Modeinstitut der DDR entworfen wurde.
Die Ästhetik des Schönen
Die frühen 1980er Jahre gingen in der DDR als "bleierne Zeit" in die Geschichte ein. Die Wirtschaft nahm keinen Aufschwung. Dennoch war diese Zeit für die "Sibylle" eine gute Phase, da sie Trost und einen Kontrapunkt mit ästhetischen Bildern bot. Gerade in den Fotos von Ute Mahler zeigte sich eine stilistische Individualisierung, die keine allzu enge Bindung zum Thema Mode suchte.
Cool bleiben
Die Bildsprache in den Heften änderte sich in den 1980er Jahren merklich. Die Models präsentierten sich dem Betrachter zunehmend distanzierter. Internationale Trends gewannen wieder an Einfluss, etwa in Anspielungen auf den Typus des englischen Models Twiggy. Hippie-Outfits fanden sich ebenso in der "Sibylle" wie die Popper-Mode. Zudem strahlten die Models oft eine provozierende Coolness aus.
Das Aus nach der Wende
1986 ging es modisch um neue Farben und Formen - im Herbst 1989 suchte die Politik nach neuen Formen. Im Zuge des Falls der Berliner Mauer kamen auch in der Redaktion politisch motivierte Konflikte zum Ausbruch. Die amtierende Chefredakteurin wurde von der Belegschaft abgewählt. Nach dem Ende der DDR verlor die "Sybille" ihren exotischen Status. 1995 musste die Zeitschrift Insolvenz anmelden.