Die schönste Party der Stadt
3. Februar 2017Der Kater vor der Feier
Köln – seit Silvester 2015 steht die Stadt nicht nur für den beeindruckenden Dom oder den rheinischen Karneval. Sondern auch für sexuelle Angriffe bei großen Feiern. International wurde darüber berichtet. Und die Silvesterfeiern vor ein paar Wochen wurden schon im Vorfeld davon überschattet. All das sollte sich Silvester 2016 nicht mehr wiederholen.
Dann kam das schreckliche Attentat am Berliner Breitscheidplatz. Zwölf Menschen wurden getötet. Vielen Fragen wurden aufgeworfen: Wie gut ist die Sicherheit auf den Partymeilen? Sind die Menschen dort schutzlos und hilflos? Sind die Sicherheitskräfte überfordert? Die Antwort darauf eint viele: Das soll sich nie mehr wiederholen.
Feiern im Hochsicherheitstrakt
Überall wurde aufgerüstet. Auch in Frankfurt am Main, wo ich lebe. Das Ufer des Flusses war nur über wenige und stark gesicherte Zugänge zu erreichen. Wer feiern wollte, musste so lange warten, wie bei einer Kontrolle am Flughafen. Polizisten mit Maschinenpistolen und private Sicherheitskräfte ließen die Straße wie einen Hochsicherheitstrakt wirken. Unzählige große Betonsperren sollten jeden Versuch verhindern mit einem Fahrzeug auf die Feiermeile zu gelangen.
Die Bemühungen hatten Erfolg – Köln hat sich nicht wiederholt, der Breitscheidplatz auch nicht. Nicht bei uns und auch nicht bei einer anderen großen Feier.
Aufatmen
Ich war nicht dort. Denn ich habe mich für einen anderen Weg entschieden. Obwohl ich gerne bei großen Feiern dabei bin, habe ich mit Freunden in einem kleinen Kreis und im eigenen Stadtteil gefeiert. So ging es vielen anderen Menschen auch. Aus Angst? – Wahrscheinlich. Vielleicht aber auch, weil das Gefühl einer ausgelassenen und unbeschwerten Mega-Party sich angesichts der enormen Sicherheitsvorkehrungen nicht einstellen wollte. Wer feiert schon gern, wenn er beim Anblick auf bewaffnete Sicherheitskräfte und Panzersperren an eine – reale – Gefahr erinnert wird?
Schon weit vor Mitternacht füllt sich der kleine Platz am Ende der Straße in der ich lebe. Junge und alte Menschen, Familien mit Kindern, kommen zusammen. Die bunte Vielfalt der Menschen aus der Nachbarschaft. Unterschiedliche Sprachen sind zu hören. Luftschlangen werden in die Höhe geblasen. Die Kinder spielen vergnügt auf dem kleinen Spielplatz am Rand. Und ab und an wird schon vor der Zeit ein Böller abgeschossen. Von Angst und Lähmung keine Spur. Niemand kontrolliert den Zutritt. Und es ist auch nicht nötig. Und so entwickelt sich ein stetiges Kommen und auch Gehen. Spontane Gespräche, Essen und Trinken werden geteilt. Dabei sind sich alle einig wie schön das ist. Alle genießen diese Gemeinschaft. So soll Feiern sein. Unverkrampft, ein bisschen spontan, ganz frei nach Herzenslust. Die Freude über den Beginn eines neuen Jahres bricht sich dann sehr ausgelassen Bahn. Die letzten Sekunden vor Mitternacht wird gemeinsam ein Countdown heruntergezählt. Drei, zwei eins… der Lärm ist Ohrenbetäubend. Auf den wenigen freien Flächen werden Raketen abgeschossen. Eine nach der anderen. Die kleinen Feuerwerke nehmen schier kein Ende. In allen grellen und bunten Farben des Spektrums leuchtet der nächtliche Himmel. Begleitet von staunenden Ohs fallen sich die Menschen in die Arme. Freunde, Familie, Bekannte. Ich komme ins Gespräch mit Nachbarn, die ich nur vom Sehen kenne. Jetzt kenne ich die Namen zu den Gesichtern. Und alle wünschen sich ein gutes neues und ganz besonders auch ein friedliches Jahr.
Unbeschwerte Gemeinschaft
Noch lange stehen wir dicht gedrängt. Vergnügt und unbeschwert. Mir scheint es so, als ob das Feiern gar kein Ende nehmen will. Als ob das diesjährige Fest zum Begrüßen des Neues Jahres auch ein Statement gegen den Terror sein soll. Gut so! Nicht umsonst heißt ein großer Partyschlager des vergangenen Jahres wir lassen uns das Feiern nicht verbieten. Fröhlichkeit und festliche Ausgelassenheit sind Teil unserer Identität. Das gehört zu unserer Kultur zu leben dazu.
Dass so lange und so intensiv gefeiert wurde ist Ausdruck des Wunsches, dass das neue Jahr genauso verlaufen möge: heiter und ausgelassen, frei und unbeschwert. Ohne Hiobsbotschaften. Ohne Anschläge bei uns in Deutschland und anderswo. Mit einem Funken von Hoffnung auf eine friedliche Welt. Weil Menschen begreifen, dass der geschwisterliche Wunsch nach einem frohen, gesegneten und friedlichen neuen Jahr 2017 allen Menschen gilt!
Jan Schäfer
Geboren 1965 in Siegen und aufgewachsen in Koblenz. Nach dem Studium in Mainz, Marburg und Bonn arbeitete er seit 1996 als Pfarrer im Taunus, in den USA und in Frankfurt/Main. Jan Schäfer war lange Jahre Pfarrer an einer Frankfurter Berufsschule und leitet nun als Direktor das Kirchliche Schulamt der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau in Offenbach am Main. Jan Schäfer ist verheiratet.