Gonorrhö
14. Juni 2013"Vom Tripper habe ich eigentlich immer nur gehört, wenn es darum ging, dass reiche Geschäftsleute im Urlaub in Asien waren und dann zu Hause ihre Frauen angesteckt haben." Das ist nur einer von vielen Einträgen in einem Tripperforum im Internet und nur eines von vielen, althergebrachten Vorurteilen. Man muss weder reich, noch Geschäftsmann, noch in Asien gewesen sein, um sich mit Tripper oder Gonorrhö, so der medizinische Fachbegriff, anzustecken.
Die Zahl der Infektionen mit Gonokokken, Auslöser der Gonorrhö, schätzt das Berliner Robert-Koch-Institut allein in Deutschland auf 10.000 bis 20.000 pro Jahr. Verlässliche Zahlen zu bekommen, ist schwierig, denn seit der Jahrtausendwende ist Gonorrhö – außer im Bundesland Sachsen - nicht mehr meldepflichtig. Man glaubte, die klassischen Geschlechtskrankheiten im Griff zu haben. Das aber hat sich mittlerweile als Trugschluss erwiesen. Weltweit ist Gonorrhö die dritthäufigste der sexuell übertragbaren Infektionen. "Alle sexuell übertragbaren Krankheiten – nicht nur die Gonorrhö – feiern ein nicht geahntes Comeback", erklärt Professor Norbert Brockmeyer von der Dermatologischen Klinik der Ruhr-Universität Bochum. "Dieser Anstieg ist sehr verwunderlich, weil wir eine eher steigende Tendenz beim Gebrauch von Kondomen sehen." Es handele sich vermutlich um sexuell hochaktive Menschen, so der HIV-Experte weiter. Besonders gefährdet seien die sogenannten MSM – Männer, die Sex mit Männern haben.
Unfruchtbarkeit kann eine Langzeitfolge sein
Übertragen wird die Gonorrhö vor allem beim Sex. Anal- und Vaginalverkehr gehören zu den Infektionswegen genauso wie ungeschützter Oralverkehr. Es gibt Unterschiede zur Ansteckung mit HIV. "Bei bakteriellen Infektionskrankheiten können Sie sich schon über Fingerkontakt anstecken. Wenn Sie Scheidenflüssigkeit an den Händen haben, dann können Sie sich so beispielsweise mit einer Syphilis oder einer Gonorrhö infizieren", erläutert Brockmeyer. Gebärmutterhals, Enddarm, Rachen oder aber die Schleimhäute der Harnröhre können betroffen sein. Beim Mann kommt es innerhalb einer Woche meist zu einem eitrigen Ausfluss aus der Harnröhre. Im schlimmsten Fall kann Tripper zur Unfruchtbarkeit führen. Bei Frauen macht sich eine Infektion auf ähnliche Art bemerkbar, manchmal passiert es aber auch, dass die Erkrankung ohne jegliche Symptome verläuft. Dann ist die Gefahr groß, dass sich die Gonorrhö weiter ausbreitet, weil sie eben nicht direkt behandelt wird. "Es kann dann zu einer Entzündung des kleinen Beckens kommen", erklärt Dr. Viviane Bremer vom Robert-Koch-Institut, "und anschließend auch zu einer Verklebung der Eileiter. Das heißt, dass die Frau keine Kinder mehr kriegen kann."
Bei Schwangeren, die sich mit Gonorrhö angesteckt haben, besteht die Gefahr, dass die Infektion auf das Neugeborene übertragen wird. "Bei Babys betrifft die Gonorrhö vor allen Dingen die Augen", so Bremer. Dann entwickeln sich beim Neugeborenen bereits wenige Tage nach der Geburt die Symptome: Die Lider sind geschwollen, die Augen sehr lichtempfindlich. Behandelt wird eine solche Infektion mit einem Antibiotikum.
Es gibt immer mehr Resistenzen
Lange war die Gabe eines Antibiotikums das Mittel der Wahl. Inzwischen zeigen internationale Überwachungsprogramme, dass immer häufiger Antibiotika-Resistenzen auftreten. Man könne natürlich noch auf Antibiotika-Kombinationen zurückgreifen, so Bremer. "Im Extremfall führt das aber dazu, dass man eine einfache Gonorrhö nicht mehr vernünftig therapieren kann." Alternativsubstanzen gibt es nicht, die Entwicklung eines Impfstoffes liegt in weiter Ferne. Die STI-Gesellschaft, die Gesellschaft zur Förderung der Sexuellen Gesundheit, hat nun Leitlinien erarbeitet. Eine Empfehlung ist, zwei verschiedene Antibiotika, mit den Namen Ceftriaxon und Azithromyzin, in hoher und kombinierter Dosis einmalig zu vergeben.
"Große Freiheit - liebe.lust.leben."
Neben der Entwicklung wirkungsvoller Therapien setzt die STI-Gesellschaft auf wirkungsvolle Prophylaxe. So soll das Kürzel STI – Sexually Transmitted Infections – genauso in das Bewusstsein der Menschen gelangen wie HIV. Die HIV-Infektionen sind seit etwa fünf Jahren relativ konstant, auch dank der unzähligen Aufklärungskampagnen. Deutschland habe weltweit die niedrigste Ansteckungsrate, so Brockmeyer: "Wir haben uns in den letzten Jahren gezielt auf HIV konzentriert. Mittlerweile aber gibt es immer häufiger Kampagnen, die sich mit altbekannten Erkrankungen wie Gonorrhö und Syphilis beschäftigen."
Was HIV und Aids ist, wissen die meisten. Anders sieht es bei den klassischen Geschlechtskrankheiten aus. Nicht vielen ist klar, welche überhaupt dazugehören und was hinter den verschiedenen Begriffen steckt, etwa wenn es um Chlamydien geht und um Hepatitis B, um Herpes Genitalis und Papillomavirus und auch um Syphilis und Gonorrhö. Aufklärung tut Not. Die Gefahr, sich mit HIV anzustecken, ist erheblich größer, wenn sich jemand bereits mit einer der klassischen Geschlechtskrankheiten infiziert hat.
Am 11. Juni wurde in Berlin eine interaktive Ausstellung eröffnet, bei der es ganz gezielt um die STI geht. Veranstalter ist die BZgA , die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung: "Große Freiheit – liebe. lust. leben." gibt einen Einblick in das Leben von acht Menschen, die ihre Geschichten erzählen. Die drehen sich alle um sexuell übertragbare Infektionen, wie man damit umgehen sollte und wie man sich davor schützen kann. Norbert Brockmeyer, Vorsitzender der Deutschen STI-Gesellschaft, ist von der Umsetzung sehr angetan: "Anhand eines Piloten wird zum Beispiel gezeigt, an welchen Orten welche Geschlechtskrankheiten gerade besonders verbreitet sind. Das ist mit Sicherheit etwas für Jugendliche. Und die will man ja erreichen." Die Zeiten sind vorbei, in denen über Geschlechtskrankheiten nicht gesprochen wurde, in denen sie in Verbindung gebracht wurden mit dunklen Gassen, rauchigen Kneipen und Hinterhofbordellen. STI werden jetzt ins rechte Licht gerückt.