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Politik

Die prorussischen Sprachrohre

Kitty Logan, Donezk (mak/Adaption: Jan D. Walter)28. Juni 2015

Immer mehr Zeitungen, Radio- und Fernsehstationen verbreiten in der Ostukraine die Sicht der Separatisten. Die Regierung in Kiew sieht darin prorussische Propaganda. Aus Donezk berichtet DW-Reporterin Kitty Logan.

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Von Rebellen geführter Sender in Donetsk Novorossia (Foto: DW/Kitty Logan)
Bild: DW/K.Logan

Immer fester sitzen die prorussischen Separatisten in Donezk im Sattel. Im Laufe des vergangenen Jahres haben sie in ihrer selbsternannten "Volksrepublik Donezk" eine Infrastruktur entwickelt, die bemerkenswert effizient ist und unabhängig vom Rest der Ukraine funktioniert.

Ein wichtiger Bestandteil dieser wachsenden "Republik" ist eine völlig neue Medienlandschaft. Die ehemaligen ukrainischen Staatsmedien sind verschwunden, ihre Gebäude wurden gleich nach Machtübernahme der Rebellen besetzt, ihre Sender sind in den Rebellengebieten nicht mehr zu empfangen.

Stattdessen sind zahlreiche neue Medien entstanden: eine separatistenfreundliche Nachrichtenagentur, ein offizielles Pressezentrum, in dem die Rebellenführer ihre Pressekonferenzen geben, eine "staatliche" Zeitung und mehrere prorussische Fernseh- und Radiostationen.

Neue TV-Sender in Donezk

"Novorossia Today" ist eine davon. Der Name kündet vom erklärten Ziel der Rebellen: ein "neues Russland" zu schaffen, das sich an den alten Grenzen orientiert, die bis in die Ukraine hineinreichen. Mehrere Reporter, Moderatoren, Kameraleute und Studiotechniker - insgesamt 50 Angestellte arbeiten bereits für Novorossia Today.

Von Rebellen geführter Sender in Donetsk Novorossia (Foto: DW/Kitty Logan)
Georgy Morozov beteiligt sich als Nachrichten-Produzent am Ostukraine-KonfliktBild: DW/K.Logan

Georgy Morozov verantwortet die Fernsehproduktionen auf der Internetseite des Nachrichtenkanals "Novorossia Today". Noch vor kurzem arbeitete er als Analyst in Donezk ohne jegliche Erfahrung im Journalismus. Seine neue Karriere begann er vor etwas mehr als einem Jahr, als der Konflikt in der Ostukraine ausbrach.

"Als der Krieg begann, konnte ich mich nicht länger raushalten", sagt Morozov im DW-Gespräch. "Zuerst war ich Söldner, aber dann fand ich eine bessere Aufgabe für mich. Hier erfülle ich - genau wie die Männer mit den Gewehren - einen Zweck."

Die Macht der Information nutzen

Die Website von Novorossia Today wendet sich gleichermaßen an ein lokales wie ein internationales Publikum. Die Inhalte werden in fünf Sprachen verbreitet, darunter auch Englisch und Deutsch. Es ist das Ergebnis eines "mehrschichtigen Konflikts", in dem sich der Informationskrieg als genauso entscheidend herausstellte wie die militärischen Auseinandersetzungen.

"Ich weiß nicht mehr, wer es gesagt hat, aber: Wer über die Information herrscht, beherrscht die Welt", sagt Morozov. "Information ist wichtig und unbedingt erforderlich. Wir geben Information an die Menschen, zunächst hier in unseren Republiken (Donezk und Luhansk, Anm. d. Red.), aber dann auch in der Ukraine und in der ganzen Welt. Ja, es ist eine Waffe. Eine echte Waffe - und beide Seiten nutzen sie so gut wie möglich."

Bekenntnis zur Neutralität

Novorossia Today ist eindeutig ein rebellenfreundliches Medium, das sich auf Nachrichten aus der selbsternannten Republik Donezk fokussiert, die es aus Quellen innerhalb der Rebellenführerschaft bezieht. Aber Morozov sagt, dass er seine Berichterstattung neutral halten will - trotz des politischen Drucks, der beim Arbeiten in Konfliktgebieten normal ist.

Von Rebellen geführter Sender in Donetsk Novorossia (Foto: DW/Kitty Logan)
Green Screen inklusive: Novorossia TV ist professionell ausgestattetBild: DW/K.Logan

"Als Neuling im Journalismus, der im vergangenen Jahr schon viel erlebt hat, ist es für mich wichtig, Informationen ehrlich und objektiv weiterzugeben, die Regeln des Journalismus zu befolgen und in meinen Berichten bei der Wahrheit zu bleiben", sagt er. "Und ich will die Informationen wie ein distanzierter Beobachter weitergeben, ich bin also unparteiisch."

Professioneller Auftritt

Die Internetseite von Novorossia Today wirkt professionell: Es gibt einen Ticker für Eilmeldungen sowie Seiten mit regionalen und internationalen Geschichten. "Wir berichten nicht nur über den Krieg", betont Morozov. "Wir zeigen den Alltag in den Schulen, die humanitäre Situation, Sportereignisse. Wir wollen das ganze Spektrum des Lebens in unserer Republik zeigen."

Der Kanal verbreitet seine Nachrichten sowohl über terrestrische Fernsehfrequenzen als auch per Internet. Dafür steht ein kleines, aber gut ausgestattetes Studio zur Verfügung, das sogar über einen Teleprompter und einen sogenannten "green screen" verfügt - eine verbreitete Studiotechnik, mit der Personen und Objekte live oder nachträglich vor einen beliebigen Hintergrund gesetzt werden können. Darüber hinaus gibt es auch einen Radiosender mit dem Titel "Novorossia rockt".

Wer die Geldgeber hinter Novorossia Today sind, ist nicht bekannt. Aber ein Link auf der Website ruft Spender dazu auf, Geld auf ein Konto im russischen Rostow am Don zu transferieren.

Screenshot Novorossia today
Der professionell wirkende Internetauftritt strahlt Neutralität ausBild: Screenshot

Mediales Wettrüsten

Die ukrainische Regierung versucht ebenfalls, in dem Konflikt ihre mediale Position zu stärken: Schon zu Beginn der Krise eröffnete sie in Kiew ein Medienzentrum, das seither regierungsfreundliche Programme für ein internationales Publikum entwickelt.

Einer dieser englischsprachigen Nachrichtensender ist "Ukraine Today". Lada Roslycky, eine Sprecherin des Senders, sagte der DW: "Medien können benutzt werden, um Harmonie und Einigheit zu verbreiten oder aber Misstrauen und Hass. Die ukrainische Regierung muss ihrer Pflicht nachkommen, effektiv mit seiner Bevölkerung zu kommunizieren. Mit der passenden Ansprache lässt sich das Volk dazu bewegen, Reformen und Frieden zu unterstützen. Dabei gilt zu beachten, dass das ukrainische Volk weder dumm noch an Lügen interessiert ist."

Roslycky sieht die neuen Medien in den Rebellengebieten kritisch. Doch sie räumt ein, dass sie das mediale Rennen derzeit möglicherweise anführen. "Bestimmte Rebellen-Medien sind sehr gut ins Rennen gestartet, indem sie Misstrauen und Angst verbreitet haben, um Russlands Außenpolitik zu unterstützen", sagt sie. "Medien, die mit professioneller Ethik agieren, tragen eine enorme Verantwortung gegenüber den Menschen weltweit, in Zeiten des Konflikts vielleicht noch mehr als sonst."

Informationskrieg auf Augenhöhe

Sicher hat es auch zum Aufschwung der Rebellen-Medien beigetragen, junge Menschen mit professionellem Anspruch wie Georgy Morozov ins Boot zu holen. Er ist einer von denen, die das Bild verändern wollen, das die Welt von prorussischen Rebellen hat. "Die meisten Menschen erhalten ihre Informationen aus der Ukraine und von den westlichen Medien und denken, dass wir hier alle russische Terroristen sind", sagt er. "Aber das stimmt überhaupt nicht mit der Realität überein."

Der Informationskrieg zwischen der ukrainischen Regierung und den Rebellen mit ihren russischen Unterstützern wird vollkommen öffentlicht geführt. In sozialen Medien finden teils erbitterte verbale Schlagabtäusche statt. Nach dem Motto "Wie du mir, so ich dir" belegen sowohl die Ukraine russische Journalisten als auch die Separatisten ukrainische Berichterstattter in den Rebellengebieten mit Restriktionen.

Die Rebellenführer haben schnell gelernt, ihr eigenes Bild von dem Konflikt in die Medien zu bringen und ihre Botschaften auch international zu verbreiten. Die ukrainische Regierung tut ihr Bestes, um dagegenzuhalten.