Obamas neue Ziele
1. Februar 2009Seit seiner Inauguration am 20. Januar bemüht sich der neue US-Präsident Barack Obama darum, nicht nur um einen neuen Politikstil zu prägen, sondern auch neue politische Inhalte zu vermitteln. Ganz besonders auf außenpolitischem Gebiet grenzt er sich von seinem Vorgänger damit ab. Fast scheint es, als wolle er die Auseinandersetzung mit islamischen Extremisten dadurch gewinnen, dass er Köpfe und Herzen der Muslime erreicht.
Seine Rede konnte in der islamischen Welt als Angebot verstanden werden, die Beziehungen zu den USA auf eine neue Grundlage zu stellen: "Es ist ein falscher Gegensatz zu sagen, wir müssen uns entweder für unsere Sicherheit entscheiden oder für unsere freiheitlichen Ideale."
Aber Barack Obama verlässt sich nicht nur auf die Kraft der eigenen Worte, wie vor wenigen Tagen bei seinem Interview mit dem arabischen Sender Al-Arabia, sondern er schickt auch Emissäre der neuen amerikanischen Außenpolitik in die Krisenherde dieser Welt.
Naher Osten
George Mitchell, bis 1995 demokratischer Senator und Vorsitzender bei den Friedensverhandlungen für Nordirland, bereist als Sonderbeauftragter des Präsidenten den Nahen Osten. Mehr als bei der Bush-Administration rücken die Interessen der Palästinenser in den Vordergrund. Gleichzeitig fordert Mitchell eine Grenzöffnung zum Gazastreifen und Verhandlungen mit der palästinensischen Autonomiebehörde im Westjordanland.
Ohne Konkretes getan zu haben, bewirkt diese Initiative eine positive Reaktion, denn die Führung der radikalislamischen Hamas signalisierte umgehend Verhandlungsbereitschaft - unter der gleichen Bedingung, die auch den Amerikanern vorschwebt: der Öffnung der Grenzen zum Gazastreifen.
Zur gleichen Zeit denkt der israelische Premierminister Ehud Olmert darüber nach, 60.000 jüdische Siedler, die außerhalb der großen Siedlungsblöcke bei Jerusalem leben, umzusiedeln. Die jüdische Siedlungspolitik ist eines der Haupthindernisse des Friedensprozesses im Nahen Osten. Bewegung in dieser Frage könnte Bewegung im gesamten Friedensprozess des Nahen Ostens bedeuten.
Iran und die Atombombe
Etwas weiter östlich liegen drei weitere Krisenherde, denen sich die amerikanische Außenpolitik in Zukunft verstärkt zu widmen hat. Im Iran scheinen die neuen Töne auf erste positive Reaktionen gestoßen zu sein. "Wir werden die Hand ausstrecken, wenn ihr bereit seid, die Faust zu öffnen", hatte Obama am 20. Januar in Washington gesagt - auch das ist als Signal zur Verhandlungsbereitschaft gedacht gewesen.
Und der ansonsten eher zu barschen Tönen neigende iranischen Präsident Mahmud Ahmadinedschad reagierte prompt, aber vorsichtig auf die Rede Obamas. Wenn der amerikanische Präsident tatsächlich direkte Gespräche mit der politischen Führung in Teheran wolle, werde man darauf eingehen. Voraussetzung sei aber, dass die präsidiale Absichtserklärung nicht nur Taktik, sondern wirklich neue Politik sei. Der amerikanisch-iranische Dialog, der bis vor zwei Wochen undenkbar war, ist nun immerhin möglich.
Und dieser Dialog ist nicht für das zwischenstaatliche Verhältnis von Bedeutung, denn eine Zusammenarbeit zwischen den Regierungen in Washington und Teheran könnte auch Kooperation im Irak und in Afghanistan bedeuten und am Ende vielleicht sogar einen Kompromiss in der Frage der umstrittenen iranischen Atompolitik ermöglichen. Denn an einem hat sich durch den Amtswechsel im Weißen Haus nichts geändert: Auch für Barack Obama ist eine iranische Atombombe ein Albtraum.
Krise am Hindukusch
Bleiben werden auch die Probleme in Afghanistan und Pakistan, wo sich Taliban-Milizen reorganisiert haben und mit Gewalt und Terroranschlägen Destabilisierungen erreicht haben. Wie George Mitchell im Nahen Osten hat Barack Obama sich für diese Unruheregion mit dem Diplomaten Richard Holbrooke einen erfahrenen Mitstreiter ins Boot geholt. In seiner politischen Vita steht unter anderem der Friedensvertrag von Dayton, mit dem 1995 der dreijährige Krieg in Bosnien-Herzegowina und Kroatien beendet wurde.
Ein Teil seiner Strategie wird die massive Verstärkung der militärischen Präsenz sein. Um die Welle der Gewalt in den Griff zu bekommen erwägt Obama, die Zahl der US-Truppen am Hindukusch von 36.000 auf über 60.000 aufzustocken. Im Irak hatte eine ähnliche Strategie zur Verbesserung der innenpolitischen Lage geführt.
"Ready to lead"
Aber anders als George W. Bush, der die Welt schwarz-weiß malte und in "gut und böse" einteilte, will Barack Obama nicht nur auf das Militär setzen, wie Patrick Keller, Amerika-Experte der Konrad Adenauer Stiftung, meint:
"Obama hat gesagt, we are ready to lead once more, d.h. er beansprucht nach wie vor die Führungsrolle für die USA. Aber da könnte man einen Begriff verwenden, den Hillary Clinton jüngst in einer Rede verwendet hat, mit "smart power" also mit "cleverer Macht". Die Verbindung nicht nur von militärischer Härte, auch davon hat Obama gesprochen, sondern eben die Verbindung von militärischer Härte mit diplomatischer Eleganz."
Russland
Aber auch das Verhältnis zu Russland, das in den vergangenen Monaten durch die amerikanischen Pläne einen Raketenabwehrschild in Polen und Tschechien zu stationieren gelitten hat, scheint in Bewegung zu kommen. Allein auf Grund einer Ankündigung hat die russische Militärführung die Vorbereitungen zur Aufstellung von "Iskander"-Raketen im Gebiet Kaliningrad ausgesetzt. Dies solle als Antwort auf die Pläne Obamas verstanden werden, das umstrittene US-Raketenabwehrsystem in Mitteleuropa nicht zu forcieren.