Die Ministerin und die Drohgebärde
26. Juli 2019Dezent, aber für viele Beobachter doch eindeutig kam sie daher, die Geste der ägyptischen Ministerin für Immigration und im Ausland lebende Ägypter, Nabila Makram. Während eines Vortrags vor Exil-Ägyptern in Toronto sprach sie von der Liebe zum alten Heimatland. "Ägypten umarmt uns und bringt uns einander näher", erklärte sie. "Egal wohin wir gehen, Ägypten bleibt in unseren Herzen."
Dann wechselte sie umgehend das Thema. "Was passiert mit denjenigen, die (über Ägypten, Anm. d. Red.) etwas sagen", fragte Nabila Makram während einer privaten Party für ägyptische Diaspora-Mitglieder in der kanadischen Wirtschaftsmetropole Toronto. "Wir schlitzen sie", antwortete sie und fuhr mit der Hand über ihre Kehle. Die Geste rief sowohl Gelächter als auch Bestürzung hervor.
Bestürzt oder zornig äußerten sich viele Zuschauer, die sich das Video anschließend im Netz ansahen. Die Ministerin habe potentiellen Kritikern der Regierung mit dem Tod gedroht, erklärten viele Twitter-Nutzer.
Ein Nutzer fühlte sich an den Fall des im saudischen Konsulat in Ankara ermordeten Journalisten Jamal Khashoggi erinnert:
Alles nur ein Missverständnis?
In einem offiziellen Tweet ihres Ministeriums hieß es, die Ministerin sei überrascht über die "Fehlinterpretation" ihrer Aussage. Sie habe damit keine Gewaltbereitschaft ausdrücken wollen. Der Begriff, "jemanden zu schlitzen" sei in der ägyptischen Alltagssprache ein "üblicher Zornesausdruck". Ägyptischen Muttersprachlern zufolge ist der Begriff vieldeutig, wenngleich von zweifelhaftem Geschmack.
"Der Staat schützt seine Kinder, er bedroht sie nicht", ließ Makram über ihren Dienst erklären. Das Land sehe sich Gruppen gegenüber, die versuchen, die Erfolge des Landes klein zu reden und die Ägypter zu spalten.
Ähnlich sieht es auch der ägyptische Jurist und Menschenrechtler Mahmud Ibrahim. Die ägyptische Auslandsopposition neige dazu, Aussagen zu dramatisieren. Das gelte auch für die Worte der Ministerin. Ägypten habe noch nie im Ausland lebende Kritiker ins Visier genommen. "Nun wird die Aussage der Ministerin dazu missbraucht, Verbindungen zu dem saudischen Journalisten Jamal Khashoggi herzustellen." Dies tue die Auslandsopposition nur, um der Regierung zu schaden, so Ibrahim.
Rechtfertigung stößt auf Misstrauen
Beruht die Kritik an der Ministerin auf einem Missverständnis oder verfolgt sie gar böse Absichten? Hochgeladen hatte das Video der in Kanada lebende ägyptische Journalist Mohamed Nasr. Er selbst habe nicht an der Veranstaltung teilgenommen, sagt er im Gespräch mit der Deutschen Welle. Doch mehrere Personen hätten es ihm zugeschickt; er selbst habe sich dann entschlossen, es zu veröffentlichen.
Die Behauptung, es handle sich um ein Missverständnis oder gar eine aus dem Zusammenhang gerissene Erklärung, lässt er nicht gelten. "Niemand hat die Ministerin aufgefordert, über Enthauptung oder andere Arten des Tötens zu sprechen."
Auch der ägyptische Oppositionelle Ayman Nour will die Rechtfertigung der Ministerin nicht hinnehmen. Ihre Äußerungen entsprächen dem Standpunkt der Regierung - auch wenn das Kabinett diesen nicht offiziell äußere. Ihm seien Informationen zugespielt worden, die diesen Standpunkt belegten, so Nour, der 2005 bei den ägyptischen Präsidentschaftswahlen kandidierte, im Wahlkampf aber unter fadenscheinigen Gründen verhaftet wurde. Seit einigen Jahren lebt er im türkischen Exil, wo er den Fernsehsender "Al Sharq TV" gegründet hat.
Den Einwand, die Ministerin könnte sich privat geäußert haben, akzeptiert Nour im Gespräch mit der DW ebenfalls nicht. "Diese Worte fielen nicht bei einer privaten oder geschlossenen, sondern einer offiziellen Veranstaltung, an der auch der ägyptische Botschafter teilnahm."
Nour verweist darauf, dass Makram im Juni 2019 an einer nicht-öffentlichen Sitzung teilgenommen habe, auf der entsprechende Positionen erörtert worden seien. "Vielleicht wollte sie die dort zur Kenntnis genommenen Informationen in Wort und Gestik nachahmen", vermutet er. Eines stehe indessen fest: "Was die Ministerin sagte, stimmt mit den Hinweisen überein, die wir in letzter Zeit erhalten haben."
Kritik aus New York
Auch Farhan Haq, stellvertretender Sprecher von UN-Generalsekretär Antonio Guterres, äußerte sich zu dem Fall: "Selbstverständlich sind wir gegen Äußerungen, die Aufstachelung zur Gewalt enthalten", so Haq auf einer UN-Pressekonferenz. "Überall auf der Welt sollen Menschen ihre Meinungsfreiheit ausüben können, unabhängig davon, in welchem Land sie sich befinden und zu welchem Thema sie sich äußern", so der Sprecher.
Die Regierung Abdel Fattah al-Sisi steht seit Jahren wegen fortgesetzter Menschenrechtsverletzungen in der Kritik. "Die Regierung brachte Kritiker durch Verhaftungen und unfaire Verfolgung weiterhin zum Schweigen", heißt es im World Report 2019 der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch. "Die Behörden haben Hunderte von Personen und Körperschaften auf die Terrorismusliste des Landes gesetzt und ihr Vermögen wegen angeblicher Terrorismusverbindungen beschlagnahmt, ohne eine ordentliche Anhörung oder ein ordnungsgemäßes Verfahren eingeleitet zu haben."