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Die Kraft der Klischees

8. Dezember 2004

Sachlich wird über den EU-Beitritt der Türkei selten diskutiert. Klischees überwiegen. Welche Vorurteile haben Deutsche über Türken und umgekehrt? Das Zentrum für Türkeistudien hat sie für DW-WORLD aufgeschrieben.

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Essen wirklich alle Türken Knoblauch?Bild: AP

Das Bild der Deutschen in türkischen Köpfen

Zunächst einmal verdient es eine differenzierte Betrachtung, von welchen "Türken" die Rede ist, über deren Klischees an dieser Stelle berichtet wird. Während die Klischees der "Deutschland-Türken" von ihren Erfahrung, die sie als Migranten in Deutschland gesammelt haben, geprägt sind, sind die Klischees der "Türkei-Türken" von den Erzählungen der Deutschland-Türken und den Erfahrungen, die sie mit den Deutschen als Urlauber gemacht haben, beeinflusst.

Wissenschaftliche Mitarbeiterinnen beim Essener Zentrum für Türkeistudien Quelle: privat Namen: Zeliha Yetik
Zeliha Yetik, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Essener Zentrum für TürkeistudienBild: presse

Zunächst entsprechen die Vorstellungen sowohl der "Deutschland-Türken" als auch der "Türkei-Türken" über die Deutschen denen, die man in der ganzen Welt findet: So gelten die Deutschen als akkurat und ordentlich, pünktlich und zuverlässig. Deutsche sind fleißig, aber engstirnig; es fehlt ihnen an großem Geist. Bewundert wird jedoch der gesunde Egoismus. So wird unterstellt, die Deutschen leben nicht nur für die Kinder, sondern denken auch an das eigene Wohl, geben ihr Geld aus - zum Beispiel für Reisen, statt es - für die Kinder - zu sparen.

Die ungezwungene Bindung zwischen den Eltern und Kindern wird jedoch zwiespältig empfunden. Besonders negativ wird gesehen, dass Deutsche ihre Eltern in Heime abgeben. Als Vorteil wird zugleich empfunden, dass die Last der Verantwortung für die Zukunft der Kinder eben nicht ausschließlich bei den Eltern liegt, sondern dass die Kinder auch selbst für sich sorgen müssen.

Bezüglich der Küche herrscht das Bild, dass die Deutschen keine "richtige Küche" haben und deswegen nicht verwunderlich ist, dass sie sich sehr schnell von der türkischen Küche begeistern lassen.

Die Einstellungen der Deutschland-Türken gegenüber den Deutschen werden aber auch vom eigenen Bemühen um Integration und der damit verbundenen Erfahrung der Ablehnung beeinflusst. Deutsche gelten auch als rassistisch und fremdenfeindlich, wenigstens als distanziert. Die "Türkei-Türken" empfinden die deutschen Touristen als nicht anpassungsfähig und wenig sensibel für die Umgangsformen in dem Urlaubsland. Sie erwarten viel, zeigen jedoch nicht die Bereitschaft, hierfür tiefer in die Tasche zu greifen.

Von Zeliha Yetik

Das Bild der Türken in deutschen Köpfen

Wenn die Deutschen an die Türken denken, denken sie meist nicht an die Türken in der Türkei, sondern zuerst an die Türken, die in Deutschland leben. Will man also das Bild der Türken in deutschen Köpfen zeichnen, muss man unterscheiden.

Wissenschaftliche Mitarbeiterinnen beim Essener Zentrum für Türkeistudien Quelle: privat Namen: Katharina Koch
Katharina Koch, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Essener Zentrum für TürkeistudienBild: presse

Die Türken in der Türkei leben in den Augen der Deutschen in einem sehr schönen, jedoch unterentwickelten Urlaubsland. Die Reise dorthin macht viel Freude, vor allem weil die Türken so hilfsbereit und für deutsche Verhältnisse beeindruckend gastfreundlich sind. Dennoch wird die Türkei nicht als demokratisches Industrieland wahrgenommen, sondern als exotisches, aber armes Dritte-Welt-Land.

Im Gegensatz zu den Türken in der Türkei werden die Türken in Deutschland negativ wahrgenommen. Ein Türke spricht gebrochen Deutsch, isst viel Knoblauch, hat eine starke Körperbehaarung und entstammt den unteren Bevölkerungsschichten. Er ist ein Pascha, der seine Familie im autoritären Stile führt. Die türkischen Frauen werden als nicht eigenständig wahrgenommen. Sie können kein Deutsch und sind ohne die Hilfe eines anderen Familienmitglieds nicht in der Lage, das Haus zu verlassen.

Die Türken in Deutschland werden nicht als fester Bestandteil der bundesdeutschen Gesellschaft wahrgenommen. Es sind Fremde und sie bleiben Fremde. Und was man nicht kennt, das ist einem unheimlich. Hinzu kommt die Ur-Angst, von den Muslimen überrannt zu werden, die seit der türkischen Belagerung von Wien 1529 besteht.

Von Katharina Koch