Schwieriger Dialog
7. August 2009In kleinen Gruppen flanieren russische Touristen wieder über die Promenade von Suchumi. Das traditionsreiche Hotel "Abchasia" ist von einer Plane verdeckt. Dahinter wird eifrig gebaut. Die Kriegsruine soll wieder zu einem erstklassigen Hotel werden. In den Zeiten der Sowjetunion war der Landstrich ein beliebtes Ferienziel. "Sowjetische Riviera" wurde der Küstenstreifen genannt. Said Agrba und Aslan Lakwitawa können sich an diese Zeiten allerdings nicht mehr erinnern. Die beiden Studenten lehnen an der Brüstung und schauen hinunter ins Wasser. Er würde gerne Reisen, erzählt Said. Europa sehen, vielleicht Amerika und auch China. Doch Said muss mit dem Reisen wohl noch warten. Als Abchase ist er Bürger einer Republik, die nur von zwei Staaten der Erde anerkannt wird: Von Russland und Nicaragua. Zwar hat Russland inzwischen russische Pässe an die Abchasen verteilt, doch die meisten westlichen Botschaften weigern sich bisher, Abchasen Visa auszustellen.
Begegnung auf neutralem Boden
Letztes Jahr konnte Said dann doch einmal in den Westen. Eine britische Organisation hatte abchasische und georgische Jugendliche zu einer Begegnung nach London eingeladen. Für Aslan und Said war es auch das erste Mal, dass sie gleichaltrige Georgier trafen. "Der schwierigste Moment war, als ich festgestellt habe, dass die Georgier alles, was sie gesagt haben, aufrichtig meinen", erinnert sich Aslan.
Lascha Bsuraschwili kann den Wunsch der Abchrasen nach Unabahängigkeit nicht verstehen. Auch der junge Georgier durfte nach London reisen. "Ich habe direkt gesagt: Abchasien ist georgisches Territorium", erinnert er sich und fügt hinzu: "Ich denke, sie haben vergessen, wie freundlich die Georgier sind, und was sie den Abchasen bieten können."
Der Krieg ist noch allgegenwärtig
Lascha lebt 400 Kilometer entfernt in der georgischen Hauptstadt Tiflis. Auch er war ein Kind als der Krieg ausbrach. Die Promenade von Suchumi hat er nie gesehen. Für Georgier ist die Grenze nach Abchasien geschlossen. Und die Abchasen beklagen, dass es kaum jemanden gebe, der nicht jemanden im Krieg verloren hätte. Die Georgier reklamieren die Vertreibung von 250.000 ethnischen Georgiern aus dem Gebiet – fast die Hälfte der damaligen Bevölkerung. Kote Tschokaraia berichtet, dass er nun oft mit seinem Vater über den Konflikt diskutiert – und immer öfter die Position der Abchasen einnimmt. Als Georgier glaubt er, das Problem sind nicht die Abchasen, sondern die Russen.
"Er hätte meine Brüder töten können"
Georgien führte einen kurzen Krieg gegen Südossetien, eine weitere Region, die sich von Georgien losgelöst hat. Viele Abchasen hatten Angst, dass nun auch auf sie ein neuer Krieg zukommen würde. Der Krieg endete, als Russland an der Seite der Osseten eingriff und Georgien besiegte. Die Jugendlichen hier sind sich im Klaren darüber, dass sie sich statt in London um ein Haar auch an der Front hätten treffen können. Said erinnert sich, wie er mit einem Georgier aneinandergeriet, der im August-Krieg eingezogen wurde. "Das hat mich wahnsinnig aufgeregt. Er hätte meine ossetischen Brüder töten können und nun sitzt er hier und möchte über den Frieden sprechen."
Einigkeit hätten sie nicht in vielen Dingen erzielt, sagen alle vier. Für Kote und Lascha ist Abchasien ein untrennbarer Teil Georgiens. Für Said und Aslan kommt nur eine Unabhängigkeit ihres Landes in Frage. Und doch ist ihnen etwas gelungen, was den Vertretern beider Seiten bisher schwer gafallen ist. Sie haben gelernt, miteinander zu sprechen. Aslan studiert internationale Beziehungen. Er will einmal Diplomat werden – die Begegnung mit den Georgiern hat ihn bestärkt. "Ich bin sehr euphorisch zurückgekommen", erzählt er und wagt eine Prognose. "Wenn wir morgen an die Macht kommen, dann werden wir intensiv daran arbeiten, den Konflikt zu lösen."
Autor: Mathias Bölinger
Redaktion: Karin Jäger