Die Helfer von Bautzen
23. Februar 2016Bautzen wirkt auf den ersten Blick offen gegenüber anderen Kulturen. Auf dem Schild am Bahnhof steht neben dem deutschen auch der sorbische Name der Stadt: Budysin. Die Sorben sind eine katholische, slawische Minderheit in diesem Teil des Bundeslandes Sachsen nahe der Grenze zu Tschechien. Auch alle Straßenschilder in der pittoresken Touristenstadt sind zweisprachig.
Am vergangenen Wochenende zeigte sich die Stadt jedoch von einer anderen Seite. Das ehemalige Husarenhof-Hotel, das schon bald 300 Flüchtlinge beherbergen sollte, brannte ab. Viele gehen von Brandstiftung aus. Die neuen Bewohner sollten in den kommenden Wochen einziehen. Nach Polizeiangaben versammelten sich etwa 20 bis 30 Personen, einige von ihnen betrunken, vor dem brennenden Gebäude, bejubelten die Flammen und brüllten ausländerfeindliche Parolen. Zwei Männer wurden festgenommen, weil sie die Löscharbeiten behinderten.
Im grauen Licht des Montags ist weit weniger Aufregung am Ort des Geschehens. Ein einzelner Polizeiwagen parkt in der Nähe. Die wenigen Passanten, die an dem ausgebrannten Gebäude vorbeikommen, verurteilen die Vorfälle vom Wochenende. Jemand hat ein Schild an einem Zaun aufgehängt, mit den Worten: "Seid ihr nun zufrieden?! Unterkünfte zerstört - Gewerbe zerstört - Bautzens Ruf zerstört!"
Die Sinnlosigkeit des Vorfalls lastet schwer auf den Einwohnern. "Das passiert, wenn man in andere Länder einmarschiert", sagt ein älterer Mann, der seinen Namen nicht nennen will. "Diese NATO-Interventionen in Libyen und im Irak, darum geht es. Und unsere Regierung hat das alles unterstützt."
"Wir müssen solidarisch mit den Flüchtlingen sein", fügt er hinzu. Aber ein paar Sätze später macht er seiner Unzufriedenheit Luft über das, was im letzten Jahr passiert ist. Besonders, dass ein beliebtes Urlaubshotel an einem Stausee in der Nähe in eine Flüchtlingsunterkunft umgebaut wurde.
Kritik an Merkel
Christian Haase sieht das ähnlich. Der Ingenieur im Ruhestand gründete eine Bürgerinitiative, als im letzten Jahr bekanntgegeben wurde, dass das Gewerbegebiet hinter seinem Haus in eine Unterkunft für 300 Flüchtlinge umgebaut werden sollte - ein Verstoß gegen die Richtlinien des Landes, nach denen eine Unterkunft nicht mehr als 150 Bewohner haben darf.
Haase widerlegt alle Vorurteile in der deutschen Flüchtlingsdebatte. Er ist gilt als "Gutmensch", er hat für Flüchtlinge gespendet und hat, wo es ging, die neuen Nachbarn unterstützt. Aber er kritisiert auch die Asylpolitik von Kanzlerin Angela Merkel. "Ein syrisches Paar hat vor Dankbarkeit fast geweint, als ich ihnen ein Bett in der Unterkunft gegeben habe", sagt er. "Das Problem sind absolut nicht die Menschen, die kommen. Das Problem ist die Flüchtlingspolitik."
Der Zweck der Initiative, sagt Haase, sei es, einen "Arbeitsplan" aufzustellen, um Konflikte vor Ort zu lösen. Die 50 Mitglieder sammeln die Beschwerden der Menschen und tragen sie bei einem monatlichen Treffen mit den lokalen Einwanderungsbehörden vor. Dann versuchen sie, eine Lösung zu finden.
Manchmal passen diese Lösungen perfekt zur Kompetenz eines deutschen Ingenieurs im Ruhestand: Als Haase merkte, dass viele Flüchtlinge beim Fahrradfahren die deutschen Verkehrsregeln nicht beachten, gab er Verkehrsunterricht für Kinder und Erwachsene und reparierte darüber hinaus kaputte Fahrräder.
Aber andere Probleme kann Haase selbst mit seinem Fachwissen nur schwer oder gar nicht lösen: Nachbarn beschweren sich regelmäßig über den Lärm in der Unterkunft, besonders durch spielende Kinder. Er sagt, das Problem ließe sich einfach lösen, wenn ein Spielplatz weiter von den Häusern der Nachbarn entfernt gebaut würde. "Das ist etwas, was man machen könnte", sagt er. "Wenn Sie mich fragen, sind die Betreiber der Unterkunft fest entschlossen, möglichst wenig Geld zu investieren." Natürlich könne Deutschland Menschen aufnehmen, sagt er. "Aber nicht in der Geschwindigkeit, wie zurzeit. Wir hatten eine Million in einem Jahr, wie soll da die Integration funktionieren. Diese Menge in dieser kurzen Zeit, das ist einfach zu viel."
Keine Mitsprache der Einheimischen
Der Besitzer des Gewerbeparks hat schnell realisiert, dass er mit der Unterbringung von Flüchtlingen mehr Geld verdienen kann, als mit der Vermietung von Gewerbeflächen an Unternehmen.
Haase sagt, all das sei passiert, ohne dass die Einheimischen etwas dazu sagen konnten. "Die Behörden hätten das anders machen sollen", beklagt er. "Es ist wie ein Hinterhalt: Du wirst plötzlich davon überrascht und alle Verträge sind schon unterzeichnet. Es gibt keine Diskussion mit den Menschen. Und das ist natürlich ein Problem, denn die Menschen glauben, dass ihre Meinung nichts zählt."
Als Folge der Proteste wurde die Bürgerinitiative zum ständigen Repräsentanten bei den monatlichen Verhandlungen mit den örtlichen Einwanderungsbehörden. Für das nächste Treffen im März sucht Haase nach Vertretern auf Flüchtlingsseite, die an der Diskussion teilnehmen sollen, "wenn sie Englisch oder Deutsch sprechen".
Mit dem Brand des Husarenhofs will Haase nichts zu tun haben, nicht nur, weil er Gewalt ablehnt: "Was haben die erreicht? Sie haben zwar dafür gesorgt, dass es dort für einige Monate keine Flüchtlingsunterkunft geben wird, aber die Flüchtlinge müssen ja woanders untergebracht werden. Es ist sinnlos."