Hebamme (Bad Salzungen)
27. April 2010Bad Salzungen ist ein beschaulicher Ort in Thüringen mit gerade mal 16.000 Einwohnern. Hier, in der örtlichen Klinik, arbeitet Doris Behrends seit 1974 als Hebamme. Langweilig wird ihr nicht. Denn die energische Frau lernt unermüdlich dazu - Aromatherapie, Homöopathie, Akupunktur. Zwei Mal im Jahr nimmt sich die 59-Jährige Zeit für Weiterbildungskurse.
Nach der Schicht in der Klinik macht sie Hausbesuche, Kurse zur Geburtsvorbereitung und zur Rückbildung nach der Entbindung. Vor einigen Jahren hat sie zu Hause einen Unterrichtsraum eingerichtet - ihr Mann als erfahrener Handwerker half dabei. Die Liebe zum Beruf ist für Doris Behrends die größte Motivation. "Ich spüre, dass die Frauen diese Unterstützung brauchen und auch dankbar dafür sind. Dafür nehme ich auch in Kauf, dass mein Arbeitstag manchmal nicht nur acht, sondern auch zwölf Stunden dauert“, erklärt die Hebamme.
"Meine Kinder sind mir unheimlich wichtig"
Der Arbeitstag mag noch so lang sein, aber für ihre Familie findet Doris Behrends immer Zeit. Sie ist froh, dass ihre Kinder alle in Bad Salzungen wohnen - noch. Denn immer mehr junge Leute verlassen die Stadt auf der Suche nach Arbeit. "Meine Kinder sind mir unheimlich wichtig. Ich habe sie immer gerne um mich rum. Es vergeht eigentlich kein Tag, an dem wir uns nicht sehen. Wenn es sich ergibt, machen wir gemeinsam Frühstück, wir trinken Kaffee oder wir essen gemeinsam Abendbrot."
Der Zusammenhalt in der Familie gab der vierfachen Mutter immer wieder die Kraft, Neues zu wagen. So auch vor 20 Jahren, nach dem Mauerfall, als sie um ihren Arbeitsplatz fürchten musste. Denn nach der Wiedervereinigung traute sich im Osten Deutschlands kaum jemand, noch ein Kind auf die Welt zu bringen: Die Geburtenrate brach um zwei Drittel ein.
Neue Chancen nach der Wende
Doch schon bald hatte Behrends mehr Arbeit als zu DDR-Zeiten. Denn die gesellschaftlichen Veränderungen brachten viele neue Möglichkeiten. Auch für Hebammen. "Es kam das Umdenken, dass auch die Männer in den Kreißsaal mitkommen wollten, dass man sein Kind auf einem Gebärstuhl oder einem Gebärhocker zur Welt bringen kann. Wassergeburten kamen neu dazu. All diese Neuerungen mussten wir erst dazulernen. Dafür waren wir Hebammen sehr, sehr offen. Wir haben unglaublich viele Kurse besucht“, erinnert sich Doris Behrends.
Fast zeitgleich mit der politischen Wende im Lande kam für Doris Behrends auch ein Neuanfang in ihrem Familienleben: Sie heiratete zum zweiten Mal. Diesmal einen "Wessi" - einen Mann aus Westdeutschland. Aus dieser Ehe stammt ihr viertes Kind: Tochter Franziska. Damit war sie ihrem einstigen Traum von fünf Kindern sehr nahe gekommen. Heute hat die 59-Jährige bereits fünf Enkelkinder. "Noch weitere fünf wären schön“, hofft Behrends, für die Kinder die größte Freude sind.
Hebamme: mehr als nur ein Job
Wie viele Babys hat sie nun im Kreißsaal in die Welt begleitet? "Tausend waren es schon vor 30 Jahren“, erinnert sich Behrends. Dann hat sie zu zählen aufgehört. Trotz ihrer Berufserfahrung ist jede Geburt auch heute für sie etwas Besonderes. "Das kann man nicht Job nennen. Das ist eine ganz tolle Erfahrung, immer wieder. Auch das Wunder, wenn das Baby da ist, es ist alles dran, es funktioniert: Sie machen die Äugelchen auf, sie fühlen, sie fangen an zu schmatzen, sie fangen an zu suchen. Sicher ist auch Routine mit dabei, aber trotzdem immer wieder auch Gefühle“, sagt die Hebamme. Doris Behrends ist eine starke Frau. Dazu gehört auch, dass sie manchmal im Kreißsaal ein Paar Tränen vergießt.
Autor: Eugen Theise
Redaktion: Birgit Görtz